Klingbeil, Esken und die neue Doppelspitze: Nur eine Rechnung geht bei der SPD nicht auf
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Auf dem Parteitag vor zwei Jahren: Lars Klingbeil und Saskia Esken. Diese beiden könnten in Zukunft die Partei SPD anführen: Lars Klingbeil und Saskia Esken. Foto: Kay Nietfeld/dpa - ACHTUNG: Dieses Foto hat dpa bereits im Bildfunk gesendet - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Die Rechnung geht nicht ganz auf. Es sei gut, wenn jemand an seine Stelle rücke, der 20 Jahre jünger sei, sagt SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, der seinen Rückzug angekündigt hat. Er meint damit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, der in einer Doppelspitze mit Saskia Esken neuer SPD-Chef werden soll. Walter-Borjans ist 69, Klingbeil 43. Der Altersabstand ist also etwas größer.
Ich wünsche mir, dass dieser Schulterschluss zur Kontinuität wird.
Norbert Walter-Borjans,
SPD-Chef
Ansonsten stimmt an diesem Montag bei der SPD so ziemlich alles. Präsidium und Vorstand der Partei stimmen einstimmig dafür, dass die Partei bald gemeinsam von Klingbeil und Esken geführt werden soll. Von einer so unkomplizierten und geräuschlosen Lösung von Führungsfragen kann die CDU momentan nur träumen. Gewählt werden soll die SPD-Führung auf einem Parteitag vom 10. bis 12. Dezember.
Walter-Borjans unterstreicht bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Esken, die vergangenen beiden Jahre seien wichtig für die SPD gewesen. Der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister und die bis dahin nur in Fachkreisen bekannte Bundestagsabgeordnete hatten vor zwei Jahren in einer Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz Olaf Scholz besiegt. Danach gingen beide Seiten aufeinander zu – schließlich machten Esken und Walter-Borjans Scholz zum Kanzlerkandidaten. Das Zusammenrücken sei der Grund für den Erfolg der SPD gewesen, sagt Walter-Borjans. „Ich wünsche mir, dass dieser Schulterschluss zur Kontinuität wird.“
Die Rolle des Olaf Scholz
Es wäre naiv anzunehmen, Scholz hätte bei Auswahl der neuen Doppelspitze nicht mitgemischt. Das Ergebnis kommt dem wahrscheinlichen Kanzler sehr entgegen: Dass die 60 Jahre alte Esken in der Parteispitze bleibt, erleichtert es ihm, den linken Parteiflügel einzubinden. Klingbeil gehört zum Seeheimer Kreis, dem eher konservativen Teil der SPD-Fraktion, hat aber gute Kontakte in alle Richtungen. Vor allem hat er sich als erfolgreicher Wahlkampfmanager erwiesen. In einer am Montag veröffentlichten Videobotschaft sagt er: „Ich will, dass es weitergeht. Ein Wahlsieg reicht mir nicht.“
Klingbeil hat wiederholt seinen als konservativ geltenden Wahlkreis in der Heide gewonnen, diesmal sogar mit 47,6 Prozent der Erststimmen. Esken gilt vielen in der SPD-Fraktion einerseits als Reizfigur, weil sie sich vor zwei Jahren so überraschend in die erste Reihe geboxt hat. Andererseits meinen viele im Scholz-Lager, dass Esken den Vorsitz stärker geprägt hat als Walter-Borjans.
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Klingbeil und Esken werden wahrscheinlich nicht dem neuen Kabinett angehören. Walter-Borjans und Fraktionschef Rolf Mützenich hatten eine Trennung von Parteivorsitz und Ministeramt gefordert: eine Idee, die bei den Mitgliedern und in den SPD-Gremien populär ist.
Eine kleine Hintertür
Klingbeil hat bereits vor seiner Kandidatur gesagt, der Parteivorsitz erfordere eine hohe Aufmerksamkeit. Esken sagt auf Nachfrage, sie halte die Entscheidung, „unsere ganze Schaffenskraft dieser Aufgabe zu widmen“, für die richtige. Sie wolle ein Ministeramt aber nicht in alle Ewigkeit ausschließen und habe nicht vor, die Statuten der SPD zu ändern. Diese verbieten eine solche Kombination nicht. Eine Hintertür lässt Esken sich für die Zukunft also offen.
Zur Frage nach Klingbeils Nachfolger oder Nachfolgerin auf dem Posten des Generalsekretärs sagte Esken nichts. Zuletzt war immer wieder der Name Kevin Kühnert gefallen. Viele in der SPD glauben aber, dass es klüger wäre, wenn Kühnert stellvertretender Parteichef bliebe. Der Generalsekretär muss regelmäßig die Regierungspolitik verteidigen. Das hat Olaf Scholz im Amt des Generalsekretärs zu Zeiten des Kanzlers Gerhard Schröder den Spitznamen „Scholzomat“ eingebracht. Für den früheren Juso-Chef könnte eine solche Rolle rasch zur Glaubwürdigkeitsfalle werden, meinen viele. Juso-Chefin Jessica Rosenthal fordert allerdings bereits eine starke Rolle für Kühnert ein – und sagt, sie traue ihm das Amt zu.
Bleibt die SPD in der Phase der Regierungsbildung und auch danach stabil? Walter-Borjans zeigt sich zuversichtlich, dass es in der SPD-Führung gelingen werde, „die Pferde im Galopp zu wechseln“. Esken korrigiert, die Pferde würden „erst nach diesem Ritt“ gewechselt, also nach den Koalitionsverhandlungen. Das würde allerdings bedeuten, dass die Ampelparteien im Zeitplan bleiben müssten.