Kein Pazifismus im Pazifik: Biden dämmt China ein
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Ein Ärgernis für China und für Nordkorea – und eine Rückversicherung für die Demokratien Südostasiens: US‑Flugzeugträger „Ronald Reagan“ im Hafen von Busan, Südkorea.
© Quelle: AP
Liebe Leserinnen und Leser,
Joe Biden geht es wie seinen Amtsvorgängern John F. Kennedy und Ronald Reagan: Auch diese beiden amerikanischen Präsidenten erlebten ihre politisch größten Momente in Europa.
Willkommen zur neuen Ausgabe unseres USA‑Newsletters „What’s up, America?“.
Die Verbindung zwischen Kennedy, Reagan und Biden ist nicht einfach hergeholt. Die Gemeinsamkeit liegt im Geostrategischen. Auch wenn ihre Auftritte teilweise 60 Jahre auseinanderliegen – alle drei Präsidenten sandten Signale des Selbstbewusstseins nach Moskau.
- Im Juni 1963 stärkte Kennedy („Ich bin ein Berliner“) den Durchhaltewillen der West-Berliner und der gesamten freien Welt gegenüber der Sowjetunion.
- Im Juni 1987 wagte Reagan („Mr. Gorbachev, tear down this wall“) den Ruf nach dem Abriss der Berliner Mauer. Das erschien vielen Deutschen im ersten Moment respektlos gegenüber Moskau, erwies sich aber als völlig richtig. Zwei Jahre später fiel die Mauer tatsächlich.
- Im Februar 2023 düpierte Biden die Moskauer Führung erneut. Ein Jahr nach Russlands Einmarsch in die Ukraine ließ er in Kiew keck das Fähnchen der Freiheit flattern – und zog eine für Wladimir Putin schlechte Bilanz: „Ein Jahr später steht Kiew. Und die Ukraine steht. Die Demokratie steht.“ Tags darauf, am Dienstagabend in Warschau, setzte Biden noch eins drauf und stellte Putins Rolle als Aggressor bloß: „Ein einziges Wort von ihm würde genügen, damit dieser Krieg endet.“
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Signale des Selbstbewusstseins: US‑Präsident Joe Biden und der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj am 20. Februar in Kiew.
© Quelle: Uncredited/Ukrainian Presidentia
China schafft eine neue Lage
Betrachtet man das Ringen mit Russland, sieht derzeit erneut alles nach einem für die USA günstigen Zwischenstand aus. Doch inzwischen ist ein schwer berechenbarer dritter Akteur unterwegs, der die alten Gleichungen nicht mehr gelten lässt: China.
Die USA haben Anzeichen dafür, dass die chinesische Regierung erwägt, Waffen an Russland zu liefern. Dies würde tatsächlich die Welt verändern: Nie zuvor hat das Reich der Mitte bei einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Europa geholfen.
US-Außenminister Antony Blinken bat am Wochenende in München den chinesischen Topdiplomaten Wang Yi eindringlich, auf einen solchen Schritt zu verzichten. Peking aber will den USA partout keine entsprechende Zusage geben. Chinas Staatspräsident Xi Jinping lässt einfach nur Dementis verkünden und verlegt sich ansonsten darauf, bedeutungsvoll mit angeblichen Friedensplänen zu rascheln. Mit anderen Worten: China macht, was es will, es lässt sich nicht reinreden, auch nicht bei Fragen von Krieg und Frieden.
Blinken war nach der Begegnung mit Wang Yi in München aufgebracht. Seine Verärgerung war noch spürbar, als er sich im US‑Fernsehsender CBS für „Face the Nation“ interviewen ließ. Das 14-Minuten-Video ist sehenswert, ein bedrückendes Dokument dieser Tage.
Nächster Krieg: Taiwan?
In westlichen Militärkreisen kursiert mittlerweile eine doppelte Sorge: China könnte durch Waffenlieferungen an Russland versuchen, USA und EU politisch auseinanderzutreiben. Die Debatte um mögliche Wirtschaftssanktionen könnte einen Keil ins Atlantische Bündnis treiben. Wenn sich dann im Westen tatsächlich ein Moment von Spaltung und Schwäche ergibt, könne Präsident Xi den Zeitpunkt gekommen sehen, die seit Langem befürchtete Invasion von Taiwan anzuordnen.
Beide Diktatoren, Putin und Xi, würden dann gleichzeitig mit Gewalt demokratische Gesellschaften vor ihrer Haustür zerschmettern. Die Folgen wären eine Verdunkelung der gesamten Weltlage und ein Sieg der Unfreiheit, das genaue Gegenteil dessen also, was die Präsidenten von Kennedy bis Biden den Menschen in Aussicht gestellt haben.
Was also tun? Biden setzt mit Blick auf China, ebenso wie seine Vorgänger im Fall Russland, auf Eindämmung und Abschreckung. Das ist zwar ganz unoriginell, aber für die USA dennoch schwieriger denn je. Denn China ließ seine Militäretats in den vergangenen Jahren stärker wachsen als den allgemeinen Haushalt. Ob es um Satelliten geht, um U‑Boote, Flugzeugträger oder Kampfhubschrauber: Auf diversen Feldern der Waffentechnologie hat China seinen früheren Nachholbedarf längst aufgeholt.
„Gefährlichstes Umfeld seit 30 Jahren“
Viele Staaten der Region sind misstrauisch geworden angesichts der Kombination von chinesischer Hochrüstung in Asien und russischer Aggression in Europa. Sie kontern mittlerweile auf neue Art:
- Japan verdoppelt seine Rüstungsausgaben und investiert neuerdings auch in Waffensysteme, mit denen Angriffe theoretisch tief nach China hinein ausgeführt werden können. Noch bis Mitte März läuft das japanisch-amerikanische Militärmanöver Iron Fist.
- Südkorea rüstet ebenfalls kräftig nach und beginnt jetzt sogar eine Debatte über die Stationierung von Atomwaffen.
- Australien will unter dem neuen Rüstungspakt Aukus U‑Boote in den USA kaufen, derzeit läuft bereits eine kostspielige Runderneuerung der australischen Flugabwehr.
- Die Philippinen, genervt von aufdringlichen Manövern chinesischer Schiffe, unterschrieben Anfang Februar ein neues Militärabkommen. Es erlaubt den US‑Streitkräften, vier Militärbasen auf ihrem Territorium zu nutzen, dort eigene Ausrüstung zu installieren und für längere Zeiträume Personal zu stationieren.
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Neues Militärabkommen: Lloyd Austin, Verteidigungsminister der USA, Anfang Februar zu Gast auf den Philippinen.
© Quelle: Uncredited/COMMAND PUBLIC INFORM
Mittlerweile ist im Pazifik eine Spannung entstanden, wie heutige Soldaten sie noch nie erlebt haben. „Das aktuelle Umfeld ist wahrscheinlich das gefährlichste, das ich je gesehen habe in meinen 30 Jahren in diesem Geschäft“, sagte Admiral John Aquilino, Kommandant aller US‑Streitkräfte im Indopazifik, der „Washington Post“.
Die Zeitung beschrieb auch, wo das Interview stattgefunden hatte: in Aquilinos Dienstsitz auf Hawaii – „auf einem Hügel, mit Blick auf Pearl Harbor“.
FACTS AND FIGURES: viele depressive Teenager
Unter den Teenagern in den USA scheint der Anteil der Depressiven wieder zu wachsen. Dabei haben die Mädchen eine traurige Führungsrolle.
- Drei von fünf Mädchen im Teenageralter waren im Jahr 2021 nach jüngsten Zahlen des Centers for Disease Control and Prevention „anhaltend traurig“.
- Der Anteil der Depressiven ist bei Mädchen doppelt so hoch wie bei Jungen.
- Die Ergebnisse, die auf Umfragen unter Teenagern im ganzen Land beruhen, zeigen auch ein hohes Maß an Gewalt, Depressionen und Selbstmordgedanken bei lesbischen, schwulen und bisexuellen Jugendlichen. Mehr als einer von fünf dieser Schüler gab an, im Jahr vor der Umfrage einen Selbstmordversuch unternommen zu haben.
„Die traurigen Zahlen sind die höchsten seit einem Jahrzehnt und spiegeln eine seit Langem schwelende nationale Tragödie wider, die durch die Isolation und den Stress der Pandemie nur noch schlimmer geworden ist“, notiert die „New York Times“.
LOSER: Ron DeSantis aus Florida
Noch vor wenigen Wochen galt der Republikaner Ron DeSantis (44), Gouverneur aus Florida, als chancenreichster Bewerber für die US‑Präsidentschaftswahl 2024. Inzwischen aber ist es wie vertrackt: Die Zahlen bröckeln, seine Probleme wachsen.
In seiner Partei verzeichnen derzeit nur zwei Figuren neuen Zulauf: die neue Präsidentschaftsbewerberin Nikki Haley (51) und Altmeister Donald Trump (76).
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Hat er sein Hoch schon überschritten? Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, hier bei einer Veranstaltung seiner Partei in Staten Island, New York.
© Quelle: IMAGO/NurPhoto
Hinzu kommt jetzt in Florida ein komplizierter medizinischer Fall, der an dem rigorosen Abtreibungsrecht des Bundesstaats zweifeln lässt: Ein Baby, das an dem todbringenden Potter-Syndrom leidet und nach der Geburt sterben wird, soll jetzt zunächst zwingend zur Welt gebracht werden. Berichte über die Verzweiflung der betroffenen Eltern erscheinen derzeit in nationalen Medien, zum Beispiel in der „Washington Post“.
WINNER: Nikki Haley aus South Carolina
Noch vor wenigen Wochen galt Nikki Haley (51), frühere US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, als völlig chancenlose Außenseiterin im Präsidentschaftsrennen. Inzwischen aber wachsen ihre Bekanntheits- und Beliebtheitswerte, langsam zwar und auf niedrigem Niveau, aber stetig.
Kämpft die Frau, Tochter indischer Zuwanderer, sich einmal mehr durch den Gegenwind? Sie selbst sagt, so sei es einst schon vor ihrer Wahl zur Gouverneurin von South Carolina gewesen: Niemand habe ihr anfangs eine Chance gegeben.
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Auf Wahlkampftour in Exeter, New Hampshire: Präsidentschaftsbewerberin Nikki Haley.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
In manchen US‑Medien lassen inzwischen nachdenkliche Stimmen aufhorchen. Im Magazin „The New Yorker“ warnt die Kolumnistin Sue Halpern davor, Haley zu unterschätzen. Ähnlich klingt Salena Zito in den „Detroit News“. Ein Durchbruch in den Leitmedien sieht anders aus, interessant aber bleibt, dass hier etwas von unten nach oben zu wachsen scheint.
Hilfreich war es für Haley offenbar, dass im Sender CNN ein Mann im Zuge einer sexistischen Entgleisung mal eben den Stab über sie brach: Moderator Don Lemon (56) sagte, Haley sei eine Frau, die ihre beste Zeit schon hinter sich habe. Seither hat man ihn, trotz Entschuldigung auf Twitter, nicht mehr auf dem Bildschirm gesehen.
STAY TUNED: Lesetipps zum Dranbleiben
WAY OF LIFE: Heiratsantrag zum Nachtisch
Wann und wie, so rätseln viele Deutsche, könnte ich meinem Partner oder meiner Partnerin einen Heiratsantrag machen?
Die Amerikanerinnen und Amerikaner kennen für dieses Problem eine praktische Lösung im Sinne der Yellow Pages: Man ruft einfach jemanden an, der sich mit so etwas auskennt. Bestimmte Restaurants haben das „proposal“ zum lukrativen Businesszweig entwickelt.
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Hier könnte es passieren: Bei durchschnittlich zwei Heiratsanträgen pro Tag schafft das Restaurant One if by Land, Two if by Sea im New Yorker Viertel Greenwich Village den passenden Rahmen.
© Quelle: One if by land, two if by sea
In New York hat das romantische Backsteinrestaurant One if by Land, Two if by Sea in Greenwich Village die Nase vorn. Hier fassen sich nicht nur gelegentlich Verliebte ein Herz, sondern gleich reihenweise. „Zwei Heiratsanträge pro Tag“, schreibt die „New York Times“, sei „nur der Durchschnitt“, mitunter stiegen die Zahlen höher.
Der Höhepunkt liegt in der Übergabe des Verlobungsrings durch den Chefkellner: mal nach dem Nachtisch, mal schon zu den Austern oder zum Beef Wellington, je nach Absprache. Im entscheidenden Moment treten auf Wunsch auch noch Geiger vor, und es regnet rote Rosen. Yes We Can: Man muss einfach nur ganz fest an die Machbarkeit von allem glauben, auch von Romantik.
Der nächste USA-Newsletter erscheint am 7. März. Bis dahin: Stay cool – and stay sharp!
Ihr Matthias Koch
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