Vormals glühender Fan

Italien: Salvinis schwieriger Abschied von seinem Idol Putin

Lega-Chef Matteo Salvini (r.) spricht mit Journalisten. (Archivbild)

Lega-Chef Matteo Salvini (r.) spricht mit Journalisten. (Archivbild)

Rom. „Tausche zwei Mattarellas gegen einen halben Putin“: Mit solchen und ähnlichen Parolen hatte Matteo Salvini vor noch nicht allzu langer Zeit seiner Geringschätzung des eigenen Präsidenten Sergio Mattarella und seiner Sympathie für den russischen Präsidenten Putin Ausdruck verliehen.

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Von den vielen – heute natürlich fast alle reuigen – Putin-Bewunderern in Italiens Politik war der ehemalige Innenminister und Lega-Chef Salvini der glühendste: Putin sei „der fähigste Staatsmann der Welt“, schwärmte er. Die Lega stand auch im Verdacht, vom Kreml illegal finanziert worden zu sein.

+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

Umso schwerer fällt es Salvini nun, den harten Anti-Putin-Kurs der Regierung, der seine Lega angehört, vorbehaltlos zu unterstützen. Salvini hat zwar den russischen Überfall auf die Ukraine ebenfalls verurteilt, aber mit den Sanktionen und mit der Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine tut er sich noch immer schwer.

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„Nicht in meinem Namen“, erklärte der Lega-Chef, als der Ministerrat unter der Leitung von Premier Mario Draghi in der vergangenen Woche die Lieferung „Stinger“-Flugabwehrraketen, Anti-Panzer-Lenkwaffen und Maschinengewehren an die Ukraine beschloss. Schließlich lenkte der Lega-Chef dann aber doch ein: Es sei „undenkbar“, dass sich das Land in dieser ernsten Situation nicht geeint präsentiere, erklärte Salvini.

Ministerpräsident Draghi verteidigte die Sanktionen und die Waffenlieferungen am Dienstag im Parlament mit deutlichen Worten: „Die Aggression Russlands gegen die Ukraine katapultiert Europa um achtzig Jahre zurück“, betonte Draghi und verglich die russische Invasion in der Ukraine mit dem Anschluss Österreichs, der Einverleibung des Sudetenlandes und den Überfall auf Polen durch Hitler-Deutschland.

„Einen Aggressionskrieg gegen einen souveränen europäischen Staat zu tolerieren, würde bedeuten, den Frieden und die Sicherheit in Europa auf möglicherweise irreversible Weise zu verspielen“, sagte der Regierungschef. „Wir dürfen nicht zulassen, dass dies geschieht.“

Draghi brauchte zwei Tage

Ähnlich wie der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte freilich auch Draghi erst einmal zwei Tage gebraucht, um den Schock über den neuen Krieg in Europa zu verdauen und zu einer kompromisslosen Haltung gegenüber Putin zu finden. Auch Rom ist bei den Sanktionen und insbesondere beim Ausschluss der russischen Banken aus dem Swift-System zunächst auf die Bremse getreten.

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Der Grund war die Sorge vor einem Stopp der russischen Gaslieferungen: Italien deckt 42 Prozent seines gesamten Energiebedarfs durch Erdgas ab; 40 Prozent davon kommen aus Russland. EU-weit beträgt der Anteil von Erdgas am Energiemix lediglich 25 Prozent.

Die hohe Abhängigkeit Italiens vom Energieträger Erdgas – und damit von Russland – liegt daran, dass das Land nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl aus der Atomkraft ausgestiegen war und dreimal weniger Kohle als die übrige EU verfeuert. Dennoch sei zumindest kurzfristig kein Engpass zu befürchten, selbst wenn Putin wegen der Sanktionen und der Waffenlieferungen den Gashahn vollständig zudrehen sollte, versicherte Draghi im Parlament. „Etwas komplizierter“ könnte es aber im kommenden Winter werden, falls sich die Lage nicht entspanne.

Italien kündigt Hilfe für Flüchtlinge an

Angesichts der zu erwartenden Flüchtlingsströme aus der Ukraine beschloss die Regierung am Montag die Verhängung des Notstands, der eine unbürokratische Hilfe für die Ankommenden ermöglicht. In Italien leben bereits heute 236.000 Menschen aus der Ukraine; rund drei Viertel von ihnen sind Frauen, die in italienischen Familien als Haushälterinnen oder Altenpflegerinnen arbeiten.

Ihnen gegenüber zeigte sich Draghi im Parlament besonders nahe: „Wir stehen an eurer Seite – in eurem Schmerz über den Krieg, in der Sorge um eure Angehörigen und im gemeinsamen Willen, der Ukraine zu helfen, sich zu verteidigen“, betonte der Ministerpräsident.

In den nächsten Tagen und Wochen wird das italienische Innenministerium für ukrainische Flüchtlinge 16.000 zusätzliche Plätze in bestehenden und neuen Aufnahmezentren schaffen. Mit der Invasion der Ukraine durch die Truppen Putins sei eine „Illusion zerstört worden“, betonte Draghi im Parlament: die Illusion, dass durch Kooperation und internationale Verträge der Frieden in Europa dauerhaft gesichert sei.

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Beim Krieg Putins gegen die Ukraine handle es sich „um einen Angriff auf unsere Werte von Freiheit, Demokratie und internationaler Zusammenarbeit, die wir gemeinsam aufgebaut haben“. Alle Länder müssten nun entscheiden, wie sie darauf reagieren wollten – „und Italien hat nicht die Absicht, einfach wegzuschauen“, betonte Draghi.

Die beiden Parlamentskammern haben am Dienstag über die Waffenlieferungen beraten und wollten darüber abstimmen. Trotz der Vorbehalte innerhalb der Lega und einiger zu erwartenden Neinstimmen pazifistisch gesinnter Abgeordneten der Fünf-Sterne-Protestbewegung galt die Bewilligung der Hilfen als sicher.

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