Iran-Proteste stellen Baerbocks feministische Außenpolitik auf die Probe
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Außenministerin Annalena Baerbock.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Was für viele ein politischer Kampfbegriff sein mag, soll unter Annalena Baerbock (Grüne) Grundlage deutscher Diplomatie werden: Ein Jahr ist es her, dass die Ampelparteien in ihrem Koalitionsvertrag eine „feministische Außenpolitik“ beschlossen haben. Wie genau diese aussehen soll, erarbeitet das Auswärtige Amt derzeit noch. Im Frühjahr sollen Leitlinien veröffentlicht werden.
Schon jetzt muss Baerbock die Theorie jedoch in die Praxis umsetzen: Die Proteste im Iran gegen das Mullah-Regime stellen Baerbocks feministische Außenpolitik bereits auf die Probe. Die Oppositionsfraktionen üben scharfe Kritik.
CDU unterstützt feministische Außenpolitik und fordert Solidarität mit iranischen Protesten
Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hält eine Außenpolitik, die die Belange der Frauen weltweit in den Fokus nimmt, für wichtig und unterstützenswert. „Umso unverständlicher ist das lange Schweigen führender Politiker der Ampelregierung zum brutalen Vorgehen der Teheraner Führung gegen friedlich demonstrierende Frauen“, sagte Hardt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Von Frauenaußenpolitik als ein Schwerpunkt der Amtsführung von Außenministerin Baerbock“ sei nicht viel zu sehen. Die Union fordert „deutliche Worte der Solidarität mit den iranischen Frauen“ sowie eine Neubewertung der Gespräche über ein Nuklearabkommen. Diese müssten im Zweifel eingefroren werden.
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Seit Wochen ebben die Proteste gegen das Mullah-Regime im Iran nicht ab. Bei dieser Demonstration Ende September wurden ein Polizeimotorrad und ein Mülleimer angezündet.
© Quelle: Uncredited/AP/dpa
Das Auswärtige Amt betont, dass die Verhandlungen derzeit ohnehin ruhen. „Die Gespräche sind schon vor dem Beginn der Proteste zum Erliegen gekommen, unter anderem weil der Iran bis zuletzt Forderungen gestellt hat, die über das JCPoA (Gemeinsamer Umfassender Aktionsplan) hinausgingen“, erklärt das Ministerium auf RND-Anfrage.
Linke fordert Abschiebestopp in Iran
Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heidi Reichinnek, ärgert vor allem die grüne Asylpolitik. Selbst mit grüner Regierungsbeteiligung im Bund und in einzelnen Bundesländern seien in der ersten Jahreshälfte 25 Menschen in den Iran abgeschoben worden, ergab eine Linken-Anfrage. Jede davon sei ein „potenzielles Todesurteil“, so Reichinnek.
Vor der Grünen-Parteizentrale protestiert seit mehr als zwei Wochen die iranische Gruppe Feminista für eine Umsetzung der von Baerbock angekündigten feministischen Außenpolitik gegenüber dem Iran.
© Quelle: Judith von Plato
Nötig seien der Einsatz einer UN-Menschenrechtskommission, Vermögensbeschlagnahmungen der herrschenden Klasse und zielgerichtete Sanktionen gegen den Iran nach kanadischem Vorbild. Kanada habe 10.000 Personen der Revolutionsgarden mit Einreiseverboten belegt. Ihr Urteil über Baerbocks „feministische Außenpolitik“ ist vernichtend: „Die Idee ist mehr als löblich. Die Umsetzung ist eine Frechheit und entwertet den Begriff des Feminismus ins Unkenntliche.“ Das zeigten auch die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien oder die fehlende Verurteilung aserbaidschanischer Kriegsverbrechen auf armenischem Territorium, so die Linke.
AfD will Wandel durch Handel im Iran bewirken
Die AfD lässt das RND über ihren außenpolitischen Sprecher Petr Bystron wissen, Annalena Baerbock verstecke sich lediglich hinter der Worthülse „feministischer Außenpolitik“. Sanktionen gegen den Iran sieht die AfD skeptisch: „Um das Leiden der Bevölkerung zu mildern, müsste man die Sanktionen lockern, denn die schaden vor allem der Bevölkerung“, sagt Bystron dem RND. „Auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse kann man nur soft und langfristig hinwirken durch ‚Wandel durch Handel‘ und stetigen gesellschaftlichen Austausch“, meint der außenpolitische Sprecher.
Seines Erachtens gehört dazu auch die Neuauflage des Atomabkommens mit dem Iran. „Das Atomabkommen ist ein langfristiges Ziel, welches durch kurzfristig aufflammende Proteste nicht tangiert werden sollte“, sagte er dem RND.
SPD und FDP uneinig über Neuauflage des Atomabkommens mit dem Iran
Die Koalitionspartner der Grünen, SPD und FDP, unterstützen den Umgang Baerbocks mit dem Iran. Die Bundesregierung habe außenpolitisch schon viel gegenüber dem Iran angestoßen, etwa das neue Sanktionspaket der EU, sagte Nils Schmid von der SPD. „Nach oben ist noch mehr möglich, insbesondere über eine noch weitreichendere Listung von zusätzlichen Angehörigen des iranischen Sicherheitsapparats“, sagte Schmid dem RND. Er ist für eine Rückkehr zum Atomabkommen. Aktuell gebe es keinen besseren Weg.
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Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), spricht bei einer Diskussion zu feministischer Außenpolitik am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung im September in New York.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Die FDP ist ebenfalls dafür, weitere Sanktionen durchzusetzen, sieht das Nuklearabkommen im Gegensatz zur SPD jedoch kritisch. „Ein Atomabkommen zum Preis der im Iran stattfindenden Menschenrechtsverletzungen wäre bitterer Hohn“, sagte der außenpolitische Sprecher der FDP, Ulrich Lechte, dem RND.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert einen Kurswechsel in der Iran-Politik, der „konkrete Unterstützungsmaßnahmen für die mutige iranische Zivilbevölkerung mit personenbezogenen Sanktionen gegen die politische Führungsschicht“ verknüpfen müsse. „Es wird nun Zeit, dass Deutschland und die EU ihre Naivität gegenüber dem Regime ablegen“, sagte er dem RND.