Bericht über Gewaltexzesse iranischer Sicherheitskräfte
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Sie unterstehen dem obersten Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamemei: Die Iranischen Revolutionsgarden. In den USA wurden sie längst als Terrororganisation eingestuft.
© Quelle: Vahid Salemi/AP/dpa
Teheran. „Was muss noch passieren, bis die Revolutionsgarden auf der EU-Terrorliste landen?“, fragt der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen in seinem Twitter-Account. Sein Kommentar steht unter zwei Videoclips, zwischen beiden Aufnahmen liegen nicht einmal 24 Stunden. Es soll sich dabei um Aufnahmen aus der kurdischen Stadt Mahabad im Nordwesten des Iran handeln. In dem einen Clip feiern Menschen friedlich auf der Straße, Musik ist zu hören (beides im Iran untersagt), viele machen das Victory-Zeichen, freuen sich über die Abwesenheit der Staatsmacht.
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Auf dem anderen Clip sieht man bewaffnete Milizen, die durch menschenleere Straßen patrouillieren, dann mit ihren Waffen vermutlich auf Fensteröffnungen zielen - Schüsse sind zu hören. Augenzeugen berichten, dass in Mahabad zu massiver Gewalt gekommen ist. Nachdem Polizei- und Sicherheitskräfte am Samstagabend mit Panzern in die Stadt einmarschiert sind und wahllos auf Demonstranten geschossen haben, sei auch der Strom kurzfristig abgeschaltet wurden. Die Situation sei eskaliert - zahlreiche Einwohner wurden verletzt, wie Augenzeugen berichteten. Unklar war, ob es auch Tote gegeben hat. Die Schilderungen ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Iran spricht von „bewaffneten Terroristen“
Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Tasnim stellte die Situation anders dar: In der Nacht zum Sonntag hätten „bewaffnete Terroristen“ Privathäuser und öffentliche Einrichtungen in Brand gesetzt und die ganze Stadt und deren Einwohner in Panik versetzt. Mehrere Anführer der „Terrorgruppen“ hätten jedoch überführt und inhaftiert werden können, so der Tasnim-Bericht unter Berufung auf örtliche Sicherheitsbehörden.
Medienberichten zufolge gab es am Samstagabend auch in anderen Teilen des Landes erneut Proteste gegen den repressiven Kurs der islamischen Führung. Die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw wusste am Sonnabend von einer „kritischen“ Lage in der Stadt Diwandarreh in der westlichen Provinz Kurdistan zu berichten, wo Regierungstruppen mindestens drei Zivilisten erschossen hätten. Am Sonntag äußerte sich Hengaw zudem besorgt über die Lage in anderen mehrheitlich von Kurden bewohnten Städten, darunter Bukan und Sakes. Dort hatten die Proteste zuletzt zugenommen.
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Ein Erinnerungs-Graffito an Jina Mahsa Amini im australischen Sydney. Ihr gewaltsamer Tod löste die derzeitigen Unruhen aus.
© Quelle: IMAGO/AAP
Sakes in der Provinz Kurdistan ist der Heimatort von Jina Mahsa Amini. Am Tod der jungen Kurdin hatte sich die seit zwei Monaten andauernde Protestwelle im Iran entzündet. Die 22-Jährige war Mitte September in Teheran im Krankenhaus gestorben, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen eines angeblich nicht vorschriftsgemäß getragenen Kopftuchs festgenommen worden war. Aktivisten werfen der Polizei vor, Amini misshandelt zu haben.
Zwei ehemalige Abgeordnete, fünf Schauspielerinnen und ein Fußballtrainer zum Verhör
Die iranische Justiz leitete unterdessen Medienberichten zufolge Ermittlungsverfahren gegen mehrere Prominente aus Politik, Film und Sport ein. Zwei ehemalige Abgeordnete, fünf Schauspielerinnen und ein Fußballtrainer wurden demnach zum Verhör einbestellt. Ihnen werde vorgeworfen, sich in den sozialen Medien „provokant und beleidigend“ Offiziellen gegenüber geäußert zu haben.
Falls die Ermittlungen zu einer Anklage gegen die acht führen sollten, droht ihnen ein längerfristiges Arbeitsverbot. Alleine die Unterstützung für die systemkritischen Proteste, insbesondere von Prominenten in sozialen Medien, wird von der Justiz als Gefährdung der nationalen Sicherheit bewertet. Die iranische Führung sieht in den Protesten eine westliche Verschwörung mit dem Ziel, einen Regimewechsel in dem Land einzuleiten.
Revolutionsgarden auf US-Terrorliste
Die neue Gewalt dürfte der Diskussion über Sanktionen gegen die iranischen Sicherheitskräfte neue Nahrung geben. Die USA hatten 2019 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump die iranischen Revolutionsgarden bereits als Terrororganisation eingestuft. Auf einer entsprechenden Liste der Europäischen Union steht die Organisation dagegen nicht. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte Ende Oktober eine diesbezügliche Änderung der europäischen Politik angeregt.
Die Revolutionsgarden (IRGC) sind im Iran die Eliteeinheit der Streitkräfte und weitaus wichtiger als die klassische Armee. Sie unterstehen direkt dem obersten Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat. Die Einheit hat auch großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Land.
RND/dpa/stu