Ins Zentrum der Krise: Baerbock reist nach Russland und in die Ukraine

Außenministerin Annalena Baerbock reist am Wochenbeginn zu ihren Antrittsbesuchen in die Ukraine und nach Russland.

Außenministerin Annalena Baerbock reist am Wochenbeginn zu ihren Antrittsbesuchen in die Ukraine und nach Russland.

Berlin. Weniger freundlich könnten die Umstände kaum sein für den Antrittsbesuch von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Russland: Man sei mit der Geduld am Ende, polterte ihr Moskauer Amtskollege Sergej Lawrow nach einer Woche, in der in mehreren Gesprächsformaten versucht wurde, das zerrüttete Verhältnis zwischen Russland und dem Westen zu entspannen.

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Selbstüberschätzung, Pflichtverletzung und fehlenden Verstand warf der Vertraute von Staatspräsident Wladimir Putin dem Westen vor. Und er verlangte eine schriftliche Antwort auf die Forderung Russlands, als Entspannungsmaßnahme unter anderem die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die Nato auszuschließen.

Empfehlung: Cool bleiben

Als Briefträgerin wird Baerbock nicht agieren, wenn sie am Dienstag in Moskau mit Lawrow zusammentrifft. Es werde um die Sicherheit in Europa gehen und darum, dass sich beide Seiten nicht voneinander bedroht fühlten, sagte ein Ministeriumssprecher. Außerdem will Baerbock versuchen, für die Lösung des Ukraine-Konflikts das eingeschlafene Normandie-Format wiederzubeleben, in dem Deutschland und Frankreich mit Russland und der Ukraine verhandeln.

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„Wichtig ist, einen konzilianten Ton anzuschlagen und bei Provokationen cool zu bleiben“, empfiehlt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), mit Blick auf die robuste Tonlage Lawrows. „In der Sache sollte man dabei durchaus hart sein. Es ist nicht hilfreich, sich in eine Spirale der Aggression hineinziehen zu lassen, weder in der Sache noch sprachlich“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Die Erwartungen an den Besuch dürften nicht zu hochgeschraubt werden. „Es ist ein erstes persönliches Kennenlernen, damit wird eine wichtige Basis für weitere Gespräche und eine hoffentlich von Respekt geprägte Zusammenarbeit gelegt. Man muss sich also erstmal zuhören – was nicht gleichbedeutend damit ist, für alles Verständnis zu haben und Zugeständnisse zu machen“, sagte Roth.

Rolle des Brückenbauers

Es sei wichtig, deutlich zu machen, dass die deutsche Außenpolitik von steter Dialogbereitschaft und von Wehrhaftigkeit geprägt sei. Deutschland fühle sich einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik verpflichtet und denke dabei auch die Interessen der Partnerländer insbesondere in Mittelosteuropa mit. Deutschland solle aber gemäß seiner traditionellen Rolle als „Brückenbauer zwischen Ost und West“ agieren.

Es gebe durchaus Punkte, auf die man sich einigen könne: „Gut wäre es, mit Russland eine Agenda der Zusammenarbeit zu definieren, etwa in der Klimapolitik“, sagte Roth. „Auch der zivilgesellschaftliche Austausch sollte intensiviert werden, über Schüler- und Wissenschaftleraustausch. Hier darf keine Sprachlosigkeit entstehen, zumal die russische Führung die Freiräume für zivilgesellschaftliches Engagement massiv eingeschränkt hat.“

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Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Johann Wadephul (CDU) bezeichnete die Reise als Lackmustest für die Ministerin. „Angesichts der enormen Spannungen an der ukrainischen Grenze und den verbalen Drohgebärden aus Moskau erwarte ich von Annalena Baerbock klare Botschaften, eine klare Haltung und unmissverständliche Ansagen, damit Russland einen Kurs der Deeskalation einleitet“, sagte er dem RND. „Sie hat gerade in der Russlandpolitik sehr hohe Ansprüche formuliert, die sie jetzt auch erfüllen muss.“

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte dem RND, Baerbocks Reisen seien „ohne Erfolgsgarantie“. „Es wird sich zeigen, ob der russische Außenminister Lawrow wirklich an einem Meinungsaustausch interessiert ist oder ob er nur wiederholt bekannte Positionen vortragen wird.“ Gesprächsbereitschaft sei aber der einzige Weg, die Krise zu überwinden. Möglichkeiten für Annäherung gebe es etwa bei Abrüstung und Rüstungskontrolle, der ökologischen Modernisierung und beim Klimaschutz. „Russlands Abhängigkeit von fossilen Exporten ist nicht zukunftsfähig, und es braucht Partner im Umbau seiner Wirtschaft“, sagte Trittin.

Bilder einer Ausstellung

Die russische Zivilgesellschaft hat Baerbock auf eigene Weise im Blick. In Moskau will sie die von der Bundesregierung geförderte Ausstellung „Diversity United“ in der Tretjakow-Galerie besuchen, bei der unter anderem die Geschlechteridentität thematisiert wird – nicht ansatzweise ein Lieblingsthema der russischen Staatsführung.

Bereits am Montag wird Baerbock in der Ukraine erwartet. Gut möglich, dass Präsident Wolodymyr Selensky sie erneut mit der Forderung nach deutschen Waffenlieferungen konfrontieren wird, die die Bundesregierung bislang ablehnt. Möglich scheint, dass Baerbock eine andere Zusage im Gepäck hat.

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Trittin betonte zwar, Baerbock werde unterstreichen, „dass dieser Konflikt nicht durch Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet zu lösen wäre“. Und auch Außenpolitiker Roth sagte dem RND: „Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, keine Waffen in Krisenregionen zu liefern. Das Prinzip gilt.“ Roth fügte allerdings hinzu: „Über Schutzgeräte wie Helme und Schutzwesten ist eine Diskussion denkbar.“

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