Hitzige Debatten im Wahljahr: Wie die Politgrößen den Kirchentag dominieren
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Beim größtenteils virtuell stattfindenden 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main waren die Politgrößen natürlich trotzdem da, als Videoschalte oder in Studios, und die Fragen kommen via Social Media.
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa
Frankfurt/Main. Beim Kirchentag müssen traditionell auch Spitzenpolitikerinnen und -politiker auf Falthockern Platz nehmen und sich in überfüllten Hallen von Pfadfinderinnen und Konfirmanden ausfragen lassen. Beim größtenteils virtuell stattfindenden 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main fallen die meisten Teile dieser Aufzählung weg. Doch die Politgrößen waren natürlich trotzdem da, als Videoschalte oder in Studios, und die Fragen kommen via Social Media. Schließlich ist Wahljahr.
Bundeskanzlerin Angela Merkel diskutiert mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer über das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts, CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet wird nach seinem Katholizismus, zur Pandemie und natürlich auch zum Klima gefragt, SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz spricht über die Kosten der Krise, die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, wie könnte es sein, ebenfalls zum Klima, das gemeinsam mit der Generationengerechtigkeit ohnehin die politischen Kirchentagsdebatten dominierte.
Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) absolvieren Kirchentagsauftritte. Neben den politischen Runden stellt eine ganze Reihe Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ihren Glauben in virtuellen Bibelarbeiten zur Schau: Vom Grünen Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg) über Malu Dreyer (SPD, Rheinland-Pfalz) bis zum schwarz-roten Doppelpack Bodo Ramelow (Linke, Thüringen) und Volker Bouffier (CDU, Hessen).
Danach weiß man auch, dass sich Ramelow und Bouffier vor mehr als 40 Jahren bei Karstadt in Marburg kennenlernten. Nicht beim Shoppen, sondern beim Arbeiten.
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Merkel sagte zum Kohleausstieg bis spätestens 2038, die von den Beschlüssen betroffenen Menschen bräuchten „schon ein Stück Verlässlichkeit auf dem Weg hin zur Klimaneutralität“. „Ich möchte nicht nach einem Jahr das jetzt alles wieder aufschnüren“, sagte die Kanzlerin bei dem vorab aufgezeichneten Podium. Neubauer entgegnete, die Bundesregierung habe über Jahrzehnte hinweg den Klimaschutz nicht nur verschlafen, sondern ihn blockiert und damit die Klimakrise vorangetrieben. „Das war Vertrauensbetrug.“
Merkel sagte weiter: „Die Herausforderungen des Klimawandels stellen unsere bisherige Lebens- und Wirtschaftsweise auf eine harte Probe. Deshalb brauchen wir einen generationenübergreifenden Dialog. So, wie er an Kirchentagen gepflegt wird.“
Laschet: „Es wird kein Weihrauch ins Kanzleramt einziehen“
Baerbock verlangte Marktregeln und eine Förderpolitik, die erneuerbaren Energien den Vorrang gibt. Derzeit würden fossile Energien mit Milliarden subventioniert, erneuerbare Energien hätten keine Chance. „Das nächste Jahrzehnt ist entscheidend“, drängte Baerbock.
Auch Laschet bezog sich auf das Klimaurteil. Das Bundesverfassungsgericht habe „uns ins Stammbuch geschrieben, dass wir nicht nur im Jetzt leben können“, sondern auch künftige Generationen in den Blick genommen werden müssten, sagte er. Ein früheres Kohleausstiegsdatum lehnte Laschet ab: Ohne Länder wie die USA, Russland, China und Brasilien könne Klimaschutz nicht erfolgreich sein. „Das Engagement in der einen Welt ist bei dieser Frage lebenswichtig“, unterstrich er.
Internationale Solidarität forderte Laschet auch bei der Verteilung der Impfstoffe gegen das Coronavirus. Die Pandemie sei ein „Paradebeispiel dafür, dass nationale Alleingänge nicht möglich sind“.
Der Kanzlerkandidat der Union wurde auch nach der Rolle seines katholischen Glaubens für seine Politik gefragt. „Es wird kein Weihrauch ins Kanzleramt einziehen“, wenn er Bundeskanzler werden sollte, antwortete Laschet. Der Unterschied in der politischen Überzeugung zwischen der evangelischen Pfarrerstochter Angela Merkel und ihm als praktizierenden, aber nicht „strammen“ Katholiken sei nicht groß: „Uns eint, dass Deutschland ein solidarisches Land sein muss.“
Baerbock bezeichnete sich selbst als „nicht ganz gläubig“, gehe aber „öfter mal in die Kirche“ wegen des christlichen „Wertefundaments“ aus „Nächstenliebe, aber auch Verantwortung“. Olaf Scholz wird nicht nach seiner Religiösität gefragt, sondern nach den tiefroten Zahlen und den Kosten der Pandemiepolitik. „Wir werden uns mittelfristig aus der Krise herausarbeiten, so etwa in zehn Jahren“, sagt er.
Um die Kosten zu tragen, will er die Reichen überdurchschnittlich zur Kasse bitten, „also diejenigen, die heute noch Soli zahlen“. Erneut warb er für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer – und kündigte eine Großoffensive für den Umbau zu einem „CO₂-neutralen Industrieland“ Deutschland an. „Damit lösen wir einen richtigen Wirtschaftsboom aus.“ Und so hatte der Kirchentag dann auch noch sein Heilsversprechen.