Halle-Prozess: Vater von getötetem Kevin S. bricht bei Aussage in Tränen aus
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Das Landgericht Magdeburg, in dem der Prozess gegen den Attentäter von Halle geführt wird.
© Quelle: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Magdeburg. Im Prozess gegen den Synagogen-Attentäter von Halle hat am Dienstag der Vater des getöteten 20-Jährigen ausgesagt. Er beschrieb seinen Sohn als fleißig und höflich, und er sei stolz auf ihn gewesen, dass er trotz einer geistigen Behinderung einen Ausbildungsplatz in einer Malerfirma gefunden hatte, sagte der 44-Jährige vor dem Oberlandesgericht Naumburg, das in Magdeburg verhandelt. Einen guten Freundeskreis habe sich Kevin S. aufgebaut, zudem sei er begeisterter Fußball-Fan gewesen.
Der Sohn wohnte zuletzt bei der Mutter, die Eltern hatten sich vor zehn Jahren getrennt. Er habe eigentlich jeden Tag mit seinem Sohn telefoniert, viele Ausflüge mit ihm gemacht, erzählt der Vater. Doch am 9. Oktober ging der 20-Jährige nicht mehr ans Telefon, stundenlang nicht. Das habe nicht zu ihm gepasst.
Kevin S. besuchte Imbiss in seiner Mittagspause
Er erinnere sich noch genau an die letzten Worte, die er mit seinem Sohn wechselte, sagt der 44 Jahre alte Gerüstbauer am Dienstag als Zeuge im Gerichtsprozess. Kurz bevor Kevin S. in der Mittagspause in den Döner-Imbiss ging, hatte der Vater noch mit ihm telefoniert. Er habe ihn gefragt, ob er in der Mittagspause einen Döner essen dürfe, obwohl die Mutter es verboten habe. “Okay”, habe er zu dem 20-Jährigen gesagt, “dann hol dir deinen Döner, aber das ist diese Woche der letzte.”
Der junge Mann, der sich mit langen Praktika eine gerade erst begonnene Maler-Lehre erarbeitete, geht in den Kiez-Döner in Halle. Es ist der 9. Oktober 2019. Kurz nach dem Telefonat wird der Imbiss von einem schwer bewaffneten Angreifer attackiert und beschossen. Viele Menschen können fliehen, der 20-Jährige wird getötet.
Vater von Kevin S. bricht in Tränen aus
Mit tränenerstickter Stimme beschrieb der 44-Jährige, wie er seinen Sohn nicht mehr erreichen konnte. Abends habe er dann bei Facebook eine Vermisstenanzeige eingestellt, berichtet der Zeuge. Ein Bekannter habe sich gemeldet und gesagt, er schicke ihm etwas: Es war das vom Täter aufgenommene Video vom Terroranschlag in Halle. Beim Anschauen habe er seinen Sohn erkannt, sagt der 44-Jährige und bricht in diesem Moment in so heftiges Schluchzen aus, das die Verhandlung vorübergehend unterbrochen werden muss.
Auch Nebenkläger weinten. Die Prozessbeteiligten lassen die Erzählungen des Vaters nicht unberührt. Mehrere Nebenklageanwälte halten sich schockiert die Hände vor das Gesicht und schütteln ungläubig mit dem Kopf. Der Angeklagte Stephan B. folgt den Ausführungen und blickt immer wieder zur Zeugenbank. Kurz darauf schildern zwei weitere Besucher der Synagoge, wie sie den Angriff und den Tattag erlebt haben.
Halle-Attentäter droht lebenslange Haftstrafe
Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen und rassistischen Motivation heraus einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt. Weil es ihm nicht gelang, mit Sprengsätzen und Schusswaffen in die Synagoge zu gelangen, erschoss er zunächst eine 40 Jahre alte Passantin und dann in einem nahe gelegenen Kiez-Döner den 20-jährigen Kevin S..
Die Bundesanwaltschaft hat B. wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiteren Straftaten angeklagt. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hielten sich in der Synagoge 52 Gläubige auf. B. droht bei einer Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem kommt eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht.
RND/epd/dpa