Unterstützer des Nizza-Attentäters verurteilt: eine schmerzhafte Etappe endet
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Nadege Renda (2.v.l.), eine Frau, die beim Anschlag von Nizza im Juli 2016 verletzt wurde, spricht mit anderen Betroffenen am Pariser Gerichtsgebäude, nachdem Haftstrafen verhängt wurden.
© Quelle: Francois Mori/AP/dpa
Paris. Es sollte ein Abend der Freude und der Ausgelassenheit sein, jener 14. Juli 2016 in Nizza. Wie alle Jahre am französischen Nationalfeiertag organisierte die Stadt an der Côte d‘Azur ein Feuerwerk, das sich von der Uferpromenade aus wunderbar beobachten ließ. Doch wenige Minuten nach dem Zauberspektakel erlebten dessen Zuschauerinnen und Zuschauer die Hölle. Am Steuer eines geliehenen Lasters raste der 31-jährige Tunesier Mohamed Lahouaiej-Bouhlel über die Absperrungen und die Straße entlang, mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu treffen. Nach viereinhalb Minuten konnte die Wahnsinnsfahrt gestoppt und der Täter von Polizisten erschossen werden. „Allahu Akbar“, „Gott ist groß“, soll er noch gerufen haben. Die erschütternde Bilanz: 86 Tote, unter ihnen 15 Kinder und Jugendliche, und mehr als 400 teils schwer Verletzte.
Eine ebenso schmerzhafte wie wichtige Etappe für die Opfer und Hinterbliebenen war der Prozess um die Hintergründe der Bluttat, der nach drei Monaten Verhandlungen am Dienstag mit den Urteilen gegen die acht Angeklagten, eine Frau und sieben Männer, zu Ende ging. Bei drei von ihnen handelte es sich um Freunde oder Bekannte des Haupttäters. Zwei Männer wurden wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zu jeweils 18 Jahren Haft verurteilt, der dritte zu zwölf Jahren Gefängnis. Fünf weitere Angeklagte, von denen einer nicht anwesend war, hatten Lahouaiej-Bouhlel Waffen verschafft, ohne von seinen Terrorplänen zu wissen. Sie erhielten Strafen zwischen zwei und fünf Jahren. Den Verurteilten bleiben nun zehn Tage, um in Berufung zu gehen.
Ein extrem gewaltbereiter, labiler, ja „perverser“ Mann
Dass es nach dem Urteil unter den 2500 Nebenklägern „Frustrationen“ geben werde, hatte die Staatsanwältin Alexa Dubourg bereits bei ihrem Plädoyer angekündigt. Die Strafen sollten „an die Verantwortung jedes einzelnen angepasst werden“, sagte sie. Keiner aber dürfe für Taten bezahlen, die ein anderer beging. Die Anwälte der Zivilkläger hatten sich uneins über die Frage der Schuld der Angeklagten gezeigt. Ihre Mandanten „erwarten nur die Wahrheit, wie auch immer sie aussieht“, sagte die Anwältin Eléonore Dupleix. „Sie wünschen sich nicht um jeden Preis vielfache und harte Verurteilungen.“
Ob der Mörder bewusst aus einer Art Sadismus heraus kurz vor der Tat in einer einzigen SMS alle Angeklagten, weitere Waffen und angebliche Pläne erwähnte, um die Ermittler auf ihre Spur zu bringen, hatte nicht geklärt werden können. Die Befragungen der Familie von Lahouaiej-Bouhlel, der seine Ex-Frau schlug und erniedrigte, von ehemaligen Geliebten und einem Liebhaber ergaben, dass es sich um einen extrem gewaltbereiten, labilen, ja „perversen“ Mann gehandelt hatte. „Der Wunsch Böses zu tun existierte vor dem Wunsch im Namen Allahs Böses zu tun“, sagte ein Ermittler. Denn auch wenn der Täter Gewaltvideos der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angesehen hatte, so galt er nicht als religiös, er nahm Alkohol und Drogen zu sich und hatte einen unsteten Lebenswandel. Eine Verbindung zum IS konnte nicht nachgewiesen werden.
Hinterbliebene beschrieben die erschütternden Folgen jenen Abends
Da es sich um Vorwürfe im Zusammenhang mit Terrorismus handelte, fanden die Verhandlungen in Paris in denselben Räumlichkeiten statt, die für den Prozess um die Attentate von Paris vom 13. November 2015 gebaut worden waren, der im September zu Ende gegangen war. Erneut traten so prominente Zeugen wie der damalige Präsident François Hollande und Ex-Innenminister Bernard Cazeneuve auf.
Vor allem aber wurde den Opfern und Hinterbliebenen Möglichkeit gegeben, vor Gericht die erschütternden Folgen, die jener Abend für ihre Leben hatte, zu beschreiben. Viele sind für immer gezeichnet, tragen psychische und körperliche Schäden davon. Mütter und Väter, Ehemänner und -frauen, Töchter und Söhne, Schwestern und Brüder haben ihre Liebsten verloren.
Besonders eindrücklich war die Aussage der 20-jährigen Audrey, deren Zwillingsschwester Laura damals getötet wurde. Diese sei „die Liebe meines Lebens, die Hälfte meines Lebens“ gewesen und die Erfahrung, wie das Drama ihre Familie zerrissen habe, unsagbar. Ein Schmerz, den kein Urteil der Welt wieder gut macht.