Kommentar

Habecks Gasheizungsverbot: Alle mal abregen

Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Wo Rauch ist, ist auch Feuer – und wo es um Energie geht, ist die Empörung nicht weit. Die bundes­republikanische Geschichte besteht regelrecht aus Krisen und Aufregern, die sich um Öl und Gas, Sprit und Strom ranken: Ölkrise der 1970er, Atomkraftkämpfe der 1980er, 5‑Mark-pro-Liter-Benzin-Beschluss, Benzinwut und Ökosteuer.

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Die Liste ließe sich fortsetzen – und endet ganz sicher nur vorerst in dieser Woche, in der endlich die vieldiskutierte Strom- und Gaspreisbremse in Kraft tritt und in der zugleich neue Empörung aufbrandet über grüne Pläne zum Verbot neuer Öl- und Gasheizungen.

Beides hängt – auch – mit den Verwerfungen am Gasmarkt zusammen, die der Ukraine-Krieg ausgelöst hat, und deshalb beweisen beide Fälle: Energiepolitik hat immer mit Psychologie zu tun: wegen der Spekulation an den Weltmärkten, aber auch, weil hohe Energiepreise für jeden Einzelnen schnell spürbar werden.

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Die Strom- und Gaspreisbremse hat ihre wichtigste Wirkung schon erfüllt

In diesem Sinn hat die Strom- und Gaspreis­bremse ihre womöglich wichtigste Wirkung schon erreicht, ehe sie galt. Zwar ist es richtig und wichtig, dass Normalbürger und kleine Unternehmen von hohen Energiepreisen entlastet werden, die am Weltmarkt zwischenzeitlich entstanden. Allerdings entlastet die Bremse nicht gezielt jene, die schon immer sparsam leben mussten. Vielmehr erstattet der Staat die Zusatzkosten für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs – egal, wie verschwenderisch der war. Immerhin bleibt überhaupt ein Anreiz zum Energiesparen bei diesem Instrument, das ansonsten kein energiepolitisches und nur in Teilen ein sozialpolitisches ist.

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Denn vor allem ging es bei den Preisbremsen ja darum, die nachvollziehbaren Sorgen der Wähler und der Wirtschaft zu adressieren. Es ist nicht lange her, da herrschten Panik und Untergangs­stimmung, weil halb Deutschland fürchtete, ohne russisches Gas und angesichts der Gas- und Spritpreise drohten Mangellage, Blackouts und Wirtschafts­stillstand sowie heißer Herbst, Wutwinter und Volksaufstände. Erste Heizkosten­abrechnungen lösten bei Verbraucherinnen und Verbrauchern Existenzängste aus. Die Preisbremsen beruhigten die Lage – bereits, indem sie beschlossen wurden.

Deutschland hat den Winter gut überstanden

Auch sonst muss man zugeben: Deutschland hat den Winter gut überstanden, sogar mit gut gefüllten Gasspeichern – wenn auch dank über­durch­schnittlich warmer Wintermonate. Und die Infrastruktur, um auch im nächsten Winter Gasmangel zu verhindern, wächst.

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Zu Recht werfen Kritiker der Bundesregierung zwar vor, all das sei nur geschafft worden, indem man den Klimaschutz ignorierte. Lücken wurden mit Kohle und Flüssiggas geschlossen, es gab Tankrabatte und nun gibt es Staatshilfe zur Energie­verschwendung in Groß­verdiener-Haushalten. Allerdings stellt sich die Frage nach den Alternativen. So zeigt die Krise auch: Klimaschutz erfordert lange Linien, frühzeitige Weichen­stellungen und Durchhalte­vermögen. Deutschland hatte sich zu lange auf billiges russisches Gas verlassen und seinen Ökostromausbau schleifen lassen. Das rächte sich nun.

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Eine der Lehren, die die Koalition daraus zog: Nach Kriegsausbruch beschloss sie, den Neueinbau reiner Öl- und Gasheizungen schneller zu verbieten. Das hatte sie ohnehin für 2025 im Koalitionsvertrag vereinbart, weil der Gebäudesektor, der zu Deutschlands – immerhin rechtlich verbindlichen – Klimaschutz­zielen bislang zu wenig beiträgt. Der Staat soll den Bürgern beim Umstieg etwa auf Wärmepumpen helfen, nach denen ohnehin massive Nachfrage besteht. So würden Bürger, Handwerk und Klima profitieren. Um noch schneller unabhängig von fremdem Gas zu werden, soll das nun bereits ab 2024 gelten – beschloss die Ampel vor einem knappen Jahr.

Die Aufregung war groß

Trotzdem war die Aufregung nun groß, als Entwürfe genau dieser Pläne aus dem Wirtschafts­ministerium bekannt wurden – und ihre Kritiker den Eindruck erweckten, jeder Hausbesitzende müsse nächstes Jahr seine Gasheizung herausreißen und jeder Mieter und jeder Mieterin saftige Sanierungskosten mittragen. Stichwort Psychologie.

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Richtig ist: Vom kommenden Jahr an dürfen alte Heizungsmodelle, auf die ohnehin niemand mehr scharf ist, nicht mehr neu verbaut werden. Dafür will Wirtschaftsminister Robert Habeck staatliche Förderung organisieren, damit auch Menschen mit kleinerem Geldbeutel ein Haus sanieren oder eine Wärmepumpe einbauen können. Zudem ist seit mehr als zwei Jahren bereits Gesetz: Vermieter dürfen ab 2024 den ineffizientesten, veraltetsten Heizkesseltyp nicht mehr laufen lassen, wenn der älter als 30 Jahre ist. Auch dafür gibt es Fördermittel.

Wirtschaftsminister Robert Habeck: Die Aufregung ist groß.

Wirtschaftsminister Robert Habeck: Die Aufregung ist groß.

Auch diese Pläne können noch an Hürden geraten, vom Handwerker- bis zum Wärme­pumpen­mangel. Wer sie aber grundsätzlich ablehnt, müsste schon skizzieren, wie denn die deutschen Klimaziele überhaupt geschafft werden sollen.

Zugleich ist diese jüngste Aufregung eine erneute Warnung an die Politik: Wer den CO₂‑Ausstoß senken will, indem er Energie verteuert, wird auf Widerstände und berechtigte Ängste treffen – und muss vorab ein Instrument zum Sozialausgleich installieren, damit diejenigen verschont werden, die gar nicht noch mehr sparen können.

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