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Acht Jahre früher als geplant

Braunkohleausstieg in NRW auf 2030 vorgezogen - Lützerath wird abgebaggert

Strommasten und Windräder rund um das Kohlekraftwerk Niederaußem des Stromkonzerns RWE.

Strommasten und Windräder rund um das Kohlekraftwerk Niederaußem des Stromkonzerns RWE.

Berlin. Aus Sicht der Klimaschutzbewegung sind es eine gute und zwei schlechte Nachrichten, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstagmorgen verkündet. Die gute: Der bislang für das Jahr 2038 vorgesehene Braunkohlausstieg in Nordrhein-Westfalen wird auf das Jahr 2030 vorgezogen. Acht Jahre eher als geplant soll Schluss sein mit der klimaschädlichen Verstromung des fossilen Energieträgers im rheinischen Revier.

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Die drei Kraftwerksblöcke Niederaußem sowie Neurath F und G mit insgesamt 3000 Megawatt Leistung gehen entsprechend früher vom Netz. Das Gesamtvolumen der noch zu verfeuernden Kohle wird dadurch annähernd halbiert.

Braunkohlekraftwerke in NRW sollen früher abgeschaltet werden

Die letzten Braunkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen sollen laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck früher als geplant abgeschaltet werden.

Die beiden schlechten Nachrichten: Die eigentlich für das Ende dieses Jahres geplante Abschaltung der beiden Kraftwerksblöcke Neurath D und E mit jeweils 600 Megawatt Leistung wird bis März 2024 aufgeschoben, um die Energieversorgung trotz des Wegfalls russischer Gaslieferungen und des Ausfalls französischer Atomkraftwerke sicherzustellen. Und: Das Dorf Lützerath nahe der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler II wird abgebaggert.

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Das sind die wichtigsten Eckpunkte einer Vereinbarung zwischen Bundesregierung, NRW-Landesregierung und dem Energiekonzern RWE, der den Tagebau und die Kraftwerke betreibt.

Klimaschützer sind „wütend“

Vor allem das Ende von Lützerath sorgt bei Klimaschützern für Zorn. Dass die übrigen vom Braunkohleabbau bedrohten Dörfer und Höfe allesamt erhalten bleiben und die Bewohner nach einem jahrzehntelangen Kampf nun endlich Sicherheit in dieser Frage haben, ist für die Aktivisten nur ein schwacher Trost. Lützerath ist aus ihrer Sicht längt zu einem Symbol für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels geworden.

„Die Bundesregierung wirft RWE nun die 1,5 Grad Grenze und das bedeutsamste Symbol des Klimaschutzes zum Fraß vor und will das auch noch als Erfolg verkaufen“, sagte die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Kein deutscher Konzern hat die Klimakrise so sehr befeuert wie RWE und jetzt haben sich ausgerechnet die Grünen von RWE vorführen lassen“, so Neubauer, die selbst Grünen-Mitglied ist, weiter. Dabei sei bekannt, dass der Kohleausstieg 2030 auch gegen den Willen von RWE kommen müsse und eine sichere Energieversorgung auch mit Lützerath möglich sei, betonte Neubauer. „Ein schlechter Tag für die Grünen, für das Klima und für alle Menschen, die nicht wollen das räuberische Kohlekonzerne die Energiewende diktieren“, so ihr Fazit.

Um die Zukunft Lützeraths gibt es seit Jahren erbitterten Streit. Bereits 2006 waren die ersten der damals 67 Bewohner umgesiedelt worden. Einige wehrten sich gegen die drohende Enteignung und zogen vor Gericht. Dort allerdings gewann am Ende immer der Energiekonzern RWE. Der letzte ursprüngliche Dorfbewohner, der 58-jährige Landwirt Eckardt Heukamp, gab seinen Kampf erst vor Kurzem auf. Am Wochenende verließ er das Dorf.

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Nun leben dort - in leerstehenden Gebäuden, Zelten und Baumhäusern - rund 150 Klimaschützer, die sich vorgenommen haben, das Dorf vor dem Abriss zu retten. Ähnlich wie beim Hambacher Forst, wollen sie sich gegen eine Räumung zur Wehr setzen. Lützerath soll ein Symbol des Widerstandes werden. In Internetforen haben bereits rund 10.000 Menschen angekündigt, im Falle einer Räumung vor Ort zu sein und sich der „Zerstörung in den Weg zu stellen“.

Es geht nicht nur um Kohle, es geht auch um Erde

In der NRW-Landespolitik hatte man deshalb immer wieder überlegt, ob der Ort gerettet werden könne, etwa in dem der Tagebau um ihn herumgebaggert würde. Auf einer Landzunge könnte Lützerath bleiben - und als Mahnmal gegen die Umweltzerstörung dienen, so die Überlegung.

Doch nicht nur die Kohle unter Lützerath wird gebraucht, sondern auch der Erdboden. Mit ihm sollen seit Jahrzehnten bestehende Löcher des Tagebaus Garzweiler I aufgefüllt werden, außerdem sind gewaltige Erdmassen nötig, um nach dem Ende der Kohleförderung die die Abbruchkante des Tagebaus zu stabilisieren. Es gehe nicht nur darum, die „Braunkohlenflotte in der Energiekrise mit hoher Auslastung zu betreiben“, man müsse gleichzeitig „ausreichend Material für eine hochwertige Rekultivierung zu gewinnen“, heißt es bei RWE.

Um das Symboldorf Lützerath zu retten, hätte man aus Sicht des Unternehmen noch existierende andere Höfe abreißen müssen. Unter anderem den „Weyerhof“, auf den der letzte Lützerather Landwirt Eckardt Heukamp nun gezogen ist.

"So neigt sich die Zeit dem Ende zu": Eckhardt Heukamp, der letzte Bauer von Lützerath, beim Auszug aus seinem Hof.

Der letzte Bauer von Lützerath packt ein

Eckardt Heukamp ist der letzte Einwohner von Lützerath. Jetzt muss auch er seinen Hof verlassen – weil RWE den Ort für die Braunkohle abbaggern will. Kommt es im Herbst zur großen Räumungsschlacht mit Aktivisten? Ein Besuch an der Abbruchkante.

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Drei unabhängige Gutachten seien zu dem Schluss gekommen, dass in dem Tagebau „eine Landzunge oder Insellage der Siedlung Lützerath nicht zu rechtfertigen ist“, sagt NRW-Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) am Montag in Berlin. Die Landespolitikerin steht neben Robert Habeck und RWE-Chef Markus Krebber um den Kompromiss zu verteidigen.

Sie wisse, dass die Vereinbarung vor allem mit Blick auf Lützerath nicht überall auf Zustimmung stoßen werde, so Neubaur weiter. Aber immerhin bekämen nun die Bewohnerinnen und Bewohner aller anderen Dörfer und Höfe Gewissheit, dass „sie nicht mehr gegen ihren Willen umgesiedelt werden müssen“. Für das Klima habe man „das Bestmögliche“ rausgeholt, findet sie.

Das sieht auch Wirtschaftsminister Habeck so. 280 Millionen Tonnen Braunkohle würden durch den vorgezogenen Ausstieg in der Erde bleiben, sagt der Minister. Die CO2-Bilanz werde dadurch deutlich verbessert. Für den Klimaschutz, so Habeck, „ist das ein guter Tag“.

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