Debatte um Autoren der Studie

„Haarsträubender Klimaskeptikerquatsch“? Warum es Kritik am FDP-Gutachten zum Tempolimit gibt

Mitarbeiter der Kirche sollen auf Autobahnen und Landstraßen langsamer fahren (Symbolfoto)

Das Tempolimit ist eines der liebsten Streitthemen der Deutschen.

Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem es kein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen gibt. Während es in sämtlichen Ländern Europas bereits eingeführt wurde, gibt es in Deutschland einen erbitterten Streit um das Für und Wider. Grüne und SPD wollen es, hatten es sogar in ihrem Wahlprogramm festgehalten. Die FDP machte es genau andersherum und erklärte noch vor den Koalitionsverhandlungen ein Tempolimit auf deutschen Straßen zum Tabu. Um die FDP von der Idee zu überzeugen, fertigte das regierungseigene Umweltbundesamt (UBA) eine Studie an, die sich unter anderem mit dem Tempolimit befasste. Das Ergebnis: Bei einem maximalen Tempo von 120 Kilometern pro Stunde könnten pro Jahr 6,7 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden. Allein auf den Pkw-Verkehr auf Autobahnen bezogen ergibt sich laut der Studie ein Rückgang der CO₂-Emissionen um 10,5 Prozent.

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Das UBA zeigte sich überzeugt, dass ein Tempolimit sinnvoll sei. Ähnlich sehen das übrigens die Deutschen: Fast 70 Prozent befürworteten 2022 eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Straßen. Die FDP beeinflusst das nicht. Sie veröffentlichte in der „Bild am Sonntag“ am vergangenen Wochenende ein Gegengutachten: „Realistischerweise“ seien lediglich CO₂-Einsparungen von „maximal 1,1 Millionen Tonnen zu erwarten.“ Das sind 5,6 Millionen Tonnen weniger, als das UBA berechnete.

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Der „Bild am Sonntag“ sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP, Bernd Reuther, dass das von der FDP beauftragte Gutachten deutlich zeige, „dass die Studie des UBA unwissenschaftlich und irreführend ist.“ Doch nicht nur an der Studie des Umweltbundesamtes, sondern auch am Gegengutachten der FDP gibt es nun Kritik. Die sammelt sich vor allem um die beiden Autoren, die die 35-seitige sogenannte Kurzstudie durchgeführt haben. Ihnen wird vorgeworfen, den menschengemachten Klimawandel infrage zu stellen.

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Klimaskeptische Ökonomen?

Die Verkehrsökonomen Alexander Eisenkopf von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen und Andreas Knorr von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer haben schon viele Male gemeinsam veröffentlicht, unter anderem zu neuen Entwicklungen in der Eisenbahnpolitik. 2016 stellten sie sich mit einem Minderheitenvotum gegen Vorschläge, die der wissenschaftliche Beirat des Verkehrsministeriums gemacht hatte – beide sind Teil des Sachverständigenorgans, das den Bundesminister in Verkehrsfragen ehrenamtlich berät.

In ihrem Text stellen sie, wie sie selbst schreiben, „kritische Fragen“ in Bezug auf natürliche und anthropogene Treibhausgasemissionen: Dem Papier des Expertengremiums fehle es an einer klaren Differenzierung, außerdem werde die „Relevanz und unterschiedliche Wirksamkeit der verschiedenen Treibhausgase nicht betrachtet“. Es werde durch das Papier des wissenschaftlichen Beirats „grob vereinfachend und verkürzend“ nur auf die Reduzierung des menschengemachten CO₂ geachtet, was „angesichts der insgesamt vergleichsweise geringen Relevanz dieses Gases für den Gesamttreibhausgaseffekt (anthropogen und natürlich verursacht) mit einem Fragezeichen zu versehen ist.“ Die Autoren suggerieren Zweifel am menschengemachten Klimawandel, in dem sie den vom Menschen verursachten CO₂-Ausstoß (anthropogener Treibhauseffekt) als gering einschätzen.

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Auch schreiben sie, dass ein „unmittelbarer, linearer und direkter-kausaler Zusammenhang zwischen CO₂-Emissionen und Temperaturanstieg“ nicht zu erwarten sei. Das sei vor allem daran zu sehen, dass „seit etwa 1995 die globale mittlere Erdtemperatur nicht mehr angestiegen“ sei. Das ist von Wissenschaftlern, wie Stefan Rahmstorf, vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bereits widerlegt: Die Erderwärmung kann demnach spätestens seit den 70er Jahren „weder mit statistischen noch mit physikalischen Modellen ohne Berücksichtigung der erhöhten CO₂-Konzentration erklärt werden.“

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Um ihre Aussagen zu untermauern, nutzen Eisenkopf und Knorr zudem Quellen des populären Klimaskeptikers Gerd Ganteför und des Europäischen Instituts für Klima und Energie (EIKE) – ein Lobbyverein von Klimawandelleugnern, der seit Jahren versucht, den Klimaschutz in Deutschland zu behindern.

Stefan Rahmstorf, der zu den Leitautoren des 2007 veröffentlichten Vierten Sachstandsberichtes des Weltklimarates (IPCC) gehört, kritisierte auch auf Twitter das Gutachten als „haarsträubenden Klimaskeptikerquatsch.“

Gastbeiträge auf umstrittenen Blogs

Mitautor der Kurzstudie der FDP, der Ökonom Alexander Eisenkopf, steht noch weiter in der Kritik. Unter anderem, weil er mehrere Gastbeiträge auf dem rechtspopulistischen Blog „Der Achse des Guten“ und dem in der Grauzone zum Rechtspopulismus geltenden „Tichys Einblick“, veröffentlichte. Auf der „Achse des Guten“ schrieb Eisenkopf unter anderem über das Tempolimit als „verschmerz- und hinnehmbar“, „wenn nicht dahinter die übliche Ideologie des Sozialismus stecken würde, alle gleich zu machen“.

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Ein weiterer Kritikpunkt an dem FDP-Gutachten: die Zeit. Die Studie des Umweltbundesamtes wurde Ende 2019 konzipiert, die konkrete Arbeit dazu begann 2020. 435.000 Euro kostete die Gesamtstudie des UBA, wobei die Tempolimitberechnungen nur einen kleinen Anteil hatte. Das Gutachten der FDP wurde „vor einigen Wochen offiziell von der FDP-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben“, wie eine Sprecherin von Bernd Reuther dem RedaktionsNetzwerk Deutschland mitteilte. Die Kosten lägen dabei im oberen vierstelligen Bereich. Weitere Informationen zu dem Hintergrund der Studie und ob die Positionen der Ökonomen der Partei bekannt waren, konnte die Sprecherin nicht beantworten.

Ganz unabhängig davon, wie viel CO₂ durch das Tempolimit eingespart werden könnte, die beiden Gutachten kommen auf dasselbe Ergebnis: Durch ein Tempolimit lassen sich Treibhausgase zuverlässig einsparen. Die Gutachter der FDP schlussfolgern für einen größeren Klimaeffekt trotzdem keine Tempobegrenzungen: Die Mehrkosten für die längeren Fahrzeiten würden volkswirtschaftliche Kosten von 5,3 Milliarden Euro verursachen. Vielmehr CO₂ ließe sich etwa durch mehr Homeoffice einsparen, weil so der Pendlerstrom begrenzt werden könne. Die Diskussion in der Ampel dürfte also weitergehen.

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