Großbritanniens hohe Klimaziele: An der Umsetzung hapert es
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Ein Mann sonnt sich im August 2022 auf vertrocknetem Gras in einem fast leeren Greenwich Park, nachdem für Teile des Landes nach dem trockensten Sommer seit 50 Jahren eine Dürre ausgerufen wurde (Archivbild).
© Quelle: Dominic Lipinski/PA Wire/dpa
London. Im letzten Sommer veränderte sich das Antlitz Londons drastisch. Wo einst grüne, saftige Rasenflächen der Stadt Frische verliehen, waren die Wiesen in den zahlreichen Parks vertrocknet und gelb. Dafür verantwortlich war eine Hitzewelle, die die Metropole und weite Teile Englands im Griff hatte und sich drastisch zuspitzte. Es herrschten über 40 Grad. Experten sind sich einig: Der Klimawandel macht das Wetter in Großbritannien extremer. Das ist auch für dieses Jahr zu erwarten.
Tatsächlich hatte das Vereinigte Königreich die Dringlichkeit der Klimakrise früh erkannt. Bereits 2008 gab es im britischen Parlament einen breiten Konsens für den „UK Climate Change Act“, das weltweit erste Klimaschutzgesetz mit ehrgeizigen Zielen und einem unabhängigen Kontrollgremium. Im Juni 2019 wurde das Gesetz um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erweitert. Demnach sollen klimaschädliche Gase im selben Ausmaß aus der Atmosphäre entfernt werden, wie sie ausgestoßen werden. Abwarten sei keine Option, sagte die frühere Premierministerin Theresa May damals.
Der Vorsitz bei der 26. Klimakonferenz im Jahr 2021 in Glasgow veranlasste den konservativen Ex-Premier Boris Johnson dazu, zu konkretisieren, wie das Land die CO₂-Emissionen des Vereinigten Königreichs reduzieren will. Er setzte Großbritannien als Vorreiter beim Schutz des Planeten in Szene. Es solle zum „Saudi-Arabien der Windkraft“ werden, sagte er und appellierte mit eindringlichen Worten an die Weltgemeinschaft: „Es ist eine Minute vor Mitternacht, und wir müssen jetzt handeln.“
Klimaschutz hinter Energiesicherheit
Waren die Ideen zur Umsetzung der Ziele auf der Insel schon damals wenig konkret, veränderte insbesondere der Angriff Russlands auf die Ukraine die Haltung der Tories. Seitdem habe Energiesicherheit die Klimaneutralität als oberstes Ziel verdrängt, betonte Francis McGowan, Politologe an der University of Sussex. „Die Strategie der Regierung sieht eine fortgesetzte, wenn auch abnehmende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in den kommenden Jahrzehnten vor.“
Hitze-Notstand in Großbritannien: Es brennt in London
Im Südwesten Englands zeigten die Thermometer nach Angaben des britischen Wetterdienstes einen neuen historischen Rekordwert von 40 Grad Celsius an.
© Quelle: Reuters
Experten kritisieren vornehmlich, dass unter dem neuen Premierminister Rishi Sunak die Erkundung und Erschließung neuer Öl- und Gasquellen in der Nordsee weiterhin genehmigt werde. Mit den derzeitigen Plänen sei ein Erreichen des Netto-Null-Zieles bis 2050 unwahrscheinlich, betonte das Kontrollgremium Climate Change Committee.
Weil die Gebäude in Großbritannien wegen der frühen Industrialisierung sehr alt sind, hinkt das Land im Bereich Energieeffizienz hinterher. „Die Häuser verlieren Wärme im Schnitt dreimal schneller als jene im Rest Europas“, erklärte Salvador Acha vom Imperial College London. Zwar habe die Regierung Programme gestartet, um die Bilanz zu verbessern, diese Angebote würden jedoch zu wenig und zu langsam in Anspruch genommen, kritisierte das Climate Change Committee in einem Bericht.
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In manchen Bereichen sind die Aussichten jedoch besser. Dies gilt laut Experten insbesondere für das von Ex-Premierminister Boris Johnson gesetzte Ziel, dass bis 2035 der gesamte Strom aus sauberen Quellen kommen soll. Gestützt wird das alles von der Windkraft. Die Briten sind weltweit führend bei Offshore-Anlagen im Meer. Das Land betreibt die größte Windfarm überhaupt: Hornsea 2. Im Jahr 2021 wurden rund 25 Prozent des gesamten Stroms auf der Insel auf diese Weise erzeugt.
Damit treibt Großbritannien die Klimaziele nach wie vor schneller voran als viele andere Länder. Dies gilt etwa für den Umstieg auf Elektrofahrzeuge. Schon ab 2030 sollen auf der Insel keine neuen Autos und Transporter mehr verkauft werden, die ausschließlich mit Benzin und Diesel betrieben werden. Die Organisation Climate Action Tracker, die internationale Maßnahmen und Ziele vergleicht, stufte die britische Klimapolitik zuletzt als „fast ausreichend“ ein. Deutschland wird als „unzureichend“ bewertet.