Gregor Gysi im RND-Interview

„Es ist nicht so einfach, eine Partei zu spalten“

Gregor Gysi im RND-Interview.

Gregor Gysi im RND-Interview.

Berlin. Mit ihrem Erfurter Parteitag hat die Linke am vergangenen Wochenende den Versuch unternommen, sich inhaltlich und personell neu aufzustellen. Kritiker sagen, es sei ein Neustart mit angezogener Handbremse gewesen.

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Darüber, wie er den Parteitag bewertet, sprach das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit Parteiurgestein Gregor Gysi, der heute außenpolitischer Sprecher seiner Bundestagsfraktion ist.

Herr Gysi, Sahra Wagenknecht hat nach dem Erfurter Parteitag gesagt, es sei ihr ein Rätsel, wie die Partei mit dieser Neuaufstellung wieder nach oben kommen wolle. Geht es Ihnen auch so?

Nein, ich gehe davon aus, dass es eine gute Chance gibt, wieder nach oben zu kommen und sich deutlich zu verbessern. Alle Anträge, die beinhalteten, dass wir überhaupt nicht neu nachdenken müssen, sondern die alte Ideologie auch trotz des Krieges von Russland gegen die Ukraine in jeder Hinsicht retten sollen, sind mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

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Und das ist für mich ein ganz wichtiges Ergebnis. So kommen wir zu einer realen Friedenspolitik und damit können wir auch wieder deutlich an Stimmen gewinnen.

„Nur Erwerb sichert Rente. Das finden wir ungerecht“

Noch immer sind es vor allem Frauen, die in Deutschland die Fürsorge für andere Menschen übernehmen. Das Kümmern wird nicht gut belohnt.

Das richtige Duo für den Neustart?

Kritiker sagen, der Parteitag sei ein „Neustart mit angezogener Handbremse“ gewesen und außer einem neuen Co-Vorsitzenden sei alles beim Alten. Bilden Janine Wissler und Martin Schirdewan das richtige Spitzenduo und hat der Parteitag inhaltlich die richtigen Themen gesetzt?

Ich glaube, dass der Parteitag mit der Friedenspolitik, mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit, mit der ökologischen Nachhaltigkeit in sozialer Verantwortung und der Gleichstellung von Mann und Frau wie auch der von Ost und West inhaltlich neue Weichen gestellt hat.

Ich denke, dass die Delegierten begriffen haben, dass man sich in einer existenziellen Krise auf wesentliche Fragen konzentrieren muss. Die beiden Vorsitzenden haben jetzt eine hohe Verantwortung und müssen dem Ganzen gerecht werden. Wie das gelingt, werden wir sehen. Ich vertraue ihnen.

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Janine Wissler und Martin Schirdewan als Linken-Doppelspitze gewählt
25.06.2022, Thüringen, Erfurt: Martin Schirdewan und Janine Wissler (beide Die Linke), stehen nach der Wahl als Parteivorsitzende auf der Bühne beim Bundesparteitag der Linken in der Messe Erfurt. Die Linke wählt am selben Tag eine neue Führung, um nach Wahlschlappen, Streit und Sexismus-Vorwürfen wieder Tritt zu fassen. Am zweiten Tag des Bundesparteitags in Erfurt sollen nicht nur die Doppelspitze, sondern der gesamte Vorstand neu besetzt werden. Dieser wird wohl auch verkleinert. Allein für das Spitzenduo gibt es zehn Bewerber. Foto: Martin Schutt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der Parteitag soll für die Linke ein Neuanfang werden. Bei der letzten Bundestagswahl hatte die Partei nur 4,9 Prozent der Stimmen erhalten.

Sie haben in Ihrer Rede gesagt, die Linke müsse aufhören, der Laden für tausend kleine Dinge zu sein, und neu darüber nachdenken, was ihr Zweck in der Gesellschaft ist. Was ist denn dieser Zweck aus Ihrer Sicht?

Aus meiner Sicht besteht der Zweck zum einen in einer realen Friedenspolitik, dass wir uns beispielsweise nicht zu Waffenlieferungen hinreißen lassen wie alle anderen Parteien. Und zum anderen geht es um die Betonung der sozialen Gerechtigkeit und der guten Arbeit.

Da geht es auch um Mitbestimmungsrechte und um die Überwindung prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Bei der ökologischen Nachhaltig müssen wir nicht grüner werden als die Grünen, sondern immer die soziale Frage damit verbinden.

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Wenn die Politik beschließt, ein Braunkohlenrevier zu schließen, dann ist sie auch dafür zuständig, den betroffenen Kumpeln am nächsten Tag einen gleichwertigen Job anzubieten.

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Und bei der Ost-West-Gleichstellung geht es nicht nur um gleiche Löhne, Arbeitszeiten und Renten, sondern auch darum, dass die Ostdeutschen entgegen dem Grundgesetz völlig unterrepräsentiert sind in Leitungsfunktionen.

Da müssen wir Druck machen. Dann gewinnen wir auch wieder im Osten, wenn wir jeden Monat im Bundestag einen Antrag stellen, der die anderen ärgert und wo wir immer wieder darauf hinweisen, dass die Gleichstellung noch lange nicht erreicht ist.

Gregor Gysi: Selenskyj glaubt selbst nicht an Krim-Rückeroberung

Linke-Politiker Gregor Gysi im RND-Interview zur Situation der Ukraine, dem Scholz-Besuch in Kiew und der „Existenzkrise seiner eigenen Partei“.

Der Leitantrag des Parteivorstandes, der Russlands „verbrecherischen Angriffskrieg“ scharf verurteilt, wurde zwar mehrheitlich beschlossen, aber die Debatte zeigte, dass die Haltung zu Russland und zur Nato für die Linke ein Grundsatzstreit bleibt.

Ja, aber eine Mehrheit hat jetzt entschieden, indem sie dem Leitantrag zugestimmt hat. Und die Mehrheitsmeinung ist eine scharfe Verurteilung des völkerrechtswidrigen, verbrecherischen Krieges Russlands gegen die Ukraine.

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Deshalb müssen wir auch überall deutlich machen, dass der andere Teil eine Minderheit ist. Und wenn die anderen eben meinen, sie können das alles relativieren, bloß um ihre Ideologie zu retten, dann müssen sie ihre Schlussfolgerung ziehen.

Ich bestreite ja gar nicht, dass die Nato ganz vieles falsch gemacht hat in Bezug auf Russland und die Ukraine. Aber es gab keinen einzigen Fehler der Nato, der diesen Krieg gerechtfertigt hätte. Das wird so klar festgestellt und da kann man auch nicht gleich wieder ein Aber dahinter setzen.

Der Bundesparteitag der Linken fand am Wochenende in Erfurt statt.

Der Bundesparteitag der Linken fand am Wochenende in Erfurt statt.

Es gab Delegierte, die wollten mit Blick auf die Ukraine, dass die Linke Waffenlieferungen nicht mehr grundsätzlich ablehnt. Andere beklagten, es sei kein „Neuanfang linker Friedenspolitik“ gewesen.

Das ist eine durchaus legitime Debatte. Das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine steht völkerrechtlich fest. Aber für mich kommt Deutschland als Waffenlieferant aus historischen Gründen nicht infrage. Wir sind der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt, das steht uns bei unserer Geschichte nicht zu.

Aber wenn wir der Ukraine den Waffenimport aus anderen Ländern absprechen wollten, das wäre falsch. Deutschland sollte statt Panzer Traktoren und Betonmischer liefern, humanitäre Hilfe leisten und sich beim Wiederaufbau engagieren. In diese Richtung hört man von der Bundesregierung nichts – das finde ich völlig daneben.

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Sexismusdebatte

Auf dem Parteitag hat das Thema Sexismus an allen drei Tagen immer wieder eine Rolle gespielt. Sie sind von jungen Delegierten kritisiert worden, dass Sie in Ihrer Rede über das Gendern gelästert hätten.

Ich habe gar nicht darüber gelästert. Ich habe nur gesagt, dass ich das nicht mitmache, mit dem großen I, dem Doppelpunkt und dem Sternchen. Das kann aber jede und jeder machen, wie sie oder er will. Ich habe nur gesagt, dass das nicht die Grundsatzfrage sein sollte, über die man in einer Existenzkrise streitet.

Gregor Gysi (Die Linke), Bundestagsabgeordneter, spricht zu den Delegierten beim Bundesparteitag der Linken in der Messe Erfurt.

Gregor Gysi (Die Linke), Bundestagsabgeordneter, spricht zu den Delegierten beim Bundesparteitag der Linken in der Messe Erfurt.

Das Großbürgertum möchte die Schreibweise ändern, aber nicht die Verhältnisse. Die Linke muss sich immer in erste Linie darum kümmern, dass es Frauen, den Diversen und vielen anderen deutlich besser geht, als das gegenwärtig der Fall ist.

Droht die Sexismusdebatte in der Partei andere wichtige Themen zu überlagern?

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Das darf nicht passieren, wir dürfen das auf keinen Fall zu unserem Hauptthema machen. Natürlich muss man Sexismus in jeder Form überwinden, auch in meiner Partei.

Aber diejenigen, die sich beschweren, müssen dann auch zu Gremien gehen, wie beispielsweise zum Betriebsrat, und dort Hilfe und Aufklärung einfordern. Wenn allerdings alle Beschwerden anonym erfolgen, dann macht das die Klärung nicht unbedingt leichter.

Dietmar Bartsch hat in seiner Rede stark gegen den Begriff Hufeisen gewettert, mit dem parteiintern der Versuch beschrieben wird, den linken Flügel um Wagenknecht und den Reformerflügel um Bartsch zu einen. Ist jetzt Schluss mit der Hufeisenpolitik?

Dahinter steckt immer der Vorwurf gegenüber Dietmar Bartsch, dass er mit dieser Hufeisenpolitik sozusagen die Mitte überrumpeln will, und dagegen wehrt er sich zu Recht.

Da der eine Flügel (Wagenknecht, die Redaktion) mit all seinen Anträgen zur Außenpolitik auf dem Parteitag gescheitert ist, zeigt sich, dass er eine Minderheit ist. Und ich nehme an, dass sich das auch in der Fraktion widerspiegeln wird.

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Sahra Wagenknecht hat angekündigt, auf Basis ihres „Aufrufs für eine populäre Linke“ ein organisiertes Netzwerk zu schaffen und dann über das „Wie weiter“ zu diskutieren. Sören Pellmann will nach seiner verlorenen Wahl zum Parteichef erst einmal nachdenken. Droht die Spaltung der Partei?

Das glaube ich nicht. Es ist auch nicht so einfach, eine Partei zu spalten, und es ist auch nicht so einfach, eine neue zu gründen. Da machen sich manche auch Illusionen.

Abgesehen davon finde ich Sören Pellmanns Reaktion sehr vernünftig. Erst mal in sich gehen, nachdenken. Ich werde auch mit ihm sprechen, und wir werden sehen, was die anderen, die bei der Wahl unterlegen waren, jetzt machen. Mir ist wichtig, dass die Bevölkerung weiß: Die Mehrheitsmeinung sieht so aus und die Minderheitsmeinung ist eine andere.

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