Globaler Klimastreik digital: Fridays for Future mit kreativen Aktionen
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Im Bild sind Impressionen von der Fridays for Future Demo in Berlin zu sehen.
© Quelle: imago images/Christian Spicker
Berlin. Es sollte der “größte Onlineprotest jemals” werden: Die Klimabewegung Fridays for Future hat an diesem Freitag mitten in der Corona-Krise in vielen Ländern für mehr Klimaschutz demonstriert. Wegen der weltweiten Pandemie allerdings digital. “Bekämpft jede Krise”, schrieben in den vergangenen Tagen schon viele junge Menschen auf Schilder - bekämpft jede Krise.
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Die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer kündigte auf Twitter zuvor den “größten Onlineprotest jemals” an. Man werde “zeigen, wie groß der gesellschaftliche Rückhalt hinter gerechtem Klimaschutz ist.”
Ob es der größte aller Zeiten war, lässt sich schwer sagen. Fest steht aber, Zehntausende Menschen in Deutschland haben sich beteiligt. Zu sehen war etwa eine mehrstündige Online-Demonstration per Livestream in den sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, Instagram und Youtube.
20.000 Zuschauer - darunter Lena Meyer-Landrut und Clueso
Allein auf der Videoplattform verfolgten in Spitzenzeiten bis zu 20.000 Zuschauer die Beiträge und Grußbotschaften von Musikern, Schauspielern, Autoren, Wissenschaftlern und Klima-Aktivisten aus ganz Deutschland. Darunter waren der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen, die Sänger Bosse und Clueso, Sängerin Lena, Schauspielerin Katja Riemann, die Poetry-Slammerin Paulina Behrendt und Blogger Tilo Jung.
Moderiert wurde die Online-Demonstration unter dem Motto #FightEveryCrisis und #NetzstreikFürsKlima von „Fridays for Future“-Aktivisten von der Wiese vor dem Berliner Reichstagsgebäude aus. Dazu gab es ein Schildermeer vor dem Parlament. 10.000 Schilder und Banner wurden ausgelegt, die sonst auf den Demonstrationen getragen werden.
Auch in zahlreichen anderen deutschen Städten wie Köln, Hamburg, Heidelberg, München, Stuttgart oder Dresden gab es kleine öffentliche Aktionen. „Unsere Reaktion auf Covid-19 muss nachhaltig und sozial fair sein“, hieß es: „Das heißt: kein Geld für fossile Brennstoffe!“
Nächste Woche Klima-Gespräche
Deutschland stand besonders im Fokus, denn von hier aus werden kommende Woche internationale Klima-Gespräche organisiert, an denen neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch UN-Generalsekretär António Guterres teilnimmt. Das Thema: „Nachhaltige Krisenbewältigung“, also die Frage, wie die Welt aus der Corona-Krise „krisenfester und klimaverträglicher“ hervorgehen kann, wie das Bundesumweltministerium mitteilte. Der Petersberger Klimadialog findet normalerweise in Berlin statt, diesmal ist er aber eine Videokonferenz.
Die 17-jährige Schwedin Greta Thunberg, Initiatorin und Star der Bewegung, verbreitete am Freitag Twitter-Botschaften ihrer Mitstreiter in aller Welt. Sie kamen aus Russland, Indien, Bangladesch, Australien, Japan und vielen europäischen Ländern. Die Botschaften auf ihren Schildern: „Handelt jetzt!“, „Wir haben keine Zeit!“ und vor allem „Bekämpft jede Krise!“ - gemeint ist damit, über die Corona-Krise unter anderem den Klimawandel nicht zu vergessen. Auch die Schilder vor dem Reichstagsgebäude bildeten den Schriftzug „Fight every crisis“, das Motto des Tages auf Englisch.
Thunberg-Streik ohne Thunberg
Für Thunberg ist es schon die 88. Woche ihres freitäglichen Klimastreiks. Diesmal stellte sie kein Foto von sich ins Netz - nur ein Bild ihres bekannten „Schulstreik fürs Klima“-Schildes sowie ihres typischen Mantels samt Schuhen. Das Foto war an ihrem Protestort vor dem Reichstag in Stockholm aufgenommen worden.
Thunbergs deutsches Pendant Luisa Neubauer sagte, trotz Corona bleibe der Klimawandel „die große Gefahr für die Menschheit“, auch wenn die Menschen gerade „verständlicherweise“ abgelenkt seien. Sie warnte davor, dass Wirtschaftsinteressen - etwa die der Auto-Industrie - im Schatten der Krise durchgesetzt werden könnten, ohne den Klimaschutz zu beachten.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), Umweltverbände, aber auch Unternehmen und Gewerkschaften fordern, Konjunkturprogramme zur Wiederbelebung der Wirtschaft zu nutzen, um klimafreundliche Technologien voranzubringen. Allerdings gibt es auch Stimmen, die Umweltauflagen und Klimaschutz-Pläne in Frage stellen. In der EU gibt es Widerstand gegen die geplante Erhöhung der CO2-Einsparziele. Der Weltklimagipfel, der im November in Glasgow stattfinden sollte, wurde aufs kommende Jahr verschoben.
In Stuttgart läuft es nicht ganz rund
Umso mehr Druck wollen die Fridays-Aktivisten machen, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. „Wir sind noch da“, war auf einem Plakat vereinzelter Demonstranten zu lesen, die mit Mundschutz und Sicherheitsabstand vor dem Nürnberger Ratshaus standen. Anderswo hingen Plakate und Banner aus den Fenstern. Kreidebotschaften auf Straßen und an Brücken sollten die Forderungen der jungen Leute ebenfalls sichtbar machen.
Nicht ganz rund lief es für die Aktivisten in Stuttgart - dort kassierten sie Anzeigen der Polizei. Denn einige Teilnehmer sollen in Gruppen mit mehr als zwei Leuten unterwegs gewesen sein. Dies sei ein Verstoß gegen die Corona-Verordnung des Landes, teilte eine Polizeisprecherin mit. Zudem gab es eine Anzeige wegen Sachbeschädigung: Demonstranten hatten mit Sprühfarbe, die nur schwer wieder zu entfernen sei, Botschaften auf die Straße geschrieben.
Neben Deutschland gab es laut „Fridays for Future“ in mehr als 100 weiteren Ländern Online-Aktionen zum Klimaschutz. Bei vergangenen globalen Klimastreiks hatten allein in Deutschland Hunderttausende für konsequenten Klimaschutz demonstriert.
RND/dpa/epd