Friedensgipfel für die Ukraine: Nichts unversucht lassen
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Unvermindert setzt Russland seine brutalen Angriffe gegen die Ukraine aus der Luft fort, so wie hier in den Außenbezirken der Stadt Bachmut.
© Quelle: Libkos/AP/dpa
Die Ukraine hat einen neuen Vorstoß in Richtung Friedensgipfel unternommen. Außenminister Dmytro Kuleba hat eine international besetzte Konferenz in New York vorgeschlagen, bei der UN-Generalsekretär Antonio Guterres als Vermittler fungieren könnte.
Ohne es direkt zu sagen, ließ Kuleba klar durchblicken, dass er Russland dabei nicht mit am Tisch sieht. Denn der ukrainische Außenminister nannte als Bedingung für Gespräche mit Moskau, dass Russlands Führung sich zunächst für Kriegsverbrechen vor einem internationalen Tribunal verantworten müsse. Das kommt – zumindest momentan – einer klaren Ablehnung von direkten Verhandlungen gleich, denn niemand geht davon aus, dass sich Russlands Führungselite unter Kremlchef Wladimir Putin demnächst irgendeinem Tribunal stellen wird.
Ein Putsch gegen Putin wäre kein Garant für Frieden
Offensichtlich will die Ukraine mit diesem Vorstoß den internationalen diplomatischen Druck auf Moskau erhöhen und möglicherweise auch Drittstaaten animieren, Gespräche mit Moskau aufzunehmen beziehungsweise fortzusetzen. Ein Indiz dafür ist, dass Kuleba beispielhaft das Abkommen zum Export ukrainischen Getreides nannte, das mit Moskau durch Vermittlung der Türkei zustande gekommen ist. Dass Verhandlungen mit Russland generell möglich sind, zeigen auch die zahlreichen Gefangenenaustausche, die es seit Kriegsbeginn Ende Februar gegeben hat.
So verständlich der Wunsch der Ukraine nach einer Bestrafung der brutalen russischen Aggression ist, so klar ist auch, dass es keine Friedenslösung ohne Moskau geben wird. Selbst wenn es jetzt beispielsweise durch einen Putsch gegen Putin zu einem Wechsel in der Führung käme, wäre das noch kein Garant für Frieden. Möglich wäre ebenso eine Militärdiktatur an der Spitze einer atomaren Weltmacht mit nicht absehbaren Folgen für die internationale Stabilität.
Der Westen sollte Kulebas Vorschlag aufgreifen und nichts unversucht lassen, um Verhandlungen anzuschieben, und Deutschland sollte dabei innerhalb Europas eine führende Rolle spielen. Keine Frage, die Deutschen stehen mehrheitlich hinter der Ukraine, das beweisen unzählige Hilfsaktionen, eine große Spendenbereitschaft sowie die Aufnahme von einer Million Geflüchteter aus der Ukraine. Aber groß ist hierzulande auch der Wunsch nach Frieden. Eine Mehrheit von 55 Prozent der Bundesbürgerinnen und ‑bürger spricht sich in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov dafür aus, sofortige Verhandlungen mit Russland aufzunehmen.
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Melnyk: „Ich wünsche der Ukraine von Herzen, dass der Frieden 2023 kommt“
Der stellvertretende Außenminister der Ukraine, Andrij Melnyk, hält die Argumente der Bundesregierung gegen eine Lieferung von Kampfpanzern an sein Land überhaupt nicht für überzeugend. Der frühere ukrainische Botschafter in Berlin schlägt Bundeskanzler Olaf Scholz eine Lösung vor.
Moskau darf die Pause nicht für ein Nachrüsten nutzen
Natürlich muss der Zeitpunkt geschickt gewählt werden, damit Moskau die Atempause nicht nutzt, um weiter nachzurüsten. Dennoch darf keine Zeit verloren werden, denn Putin terrorisiert die ukrainische Zivilbevölkerung unablässig, und er hat mit seinem Befehl zur Teilmobilmachung im September demonstriert, dass er bereit ist, weitere Hunderttausende junge Russen als Kanonenfutter in den Krieg zu schicken. Trotz aller Gegensätze und der klaren Verurteilung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sollte deshalb kein Versuch unterlassen werden, mit Moskau ins Gespräch zu kommen beziehungsweise im Gespräch zu bleiben.
Das wird auch im Sinne der Ukraine sein, denn Außenminister Kuleba erklärte ebenso, das Ziel, den Krieg gegen Russland zu gewinnen, beinhalte auch diplomatische Vorstöße. Dass die Ukraine diese anderen überlassen will, ist völlig legitim. Das hat auch etwas mit der eigenen Verhandlungsposition zu tun, die derzeit günstiger als zu Beginn des Krieges ist. Auch wenn sie durch Bomben und Raketen weiter malträtiert wird, agiert die Ukraine auch dank massiver westlicher Unterstützung derzeit aus einer gewissen Position der Stärke heraus. Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil.