Frieden mit Russland? Scholz: Heute kaum vorstellbar – aber er wird kommen
Es sollten Brücken zu einem „anderen Russland“ aufrechterhalten werden, sagt der Kanzler beim Europarat-Gipfel in Reykjavík.
© Quelle: dpa
Reykjavik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat beim Europarat-Gipfel in Reykjavík die Frage des Friedens mit Russland thematisiert, das seit 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. In seiner Rede am Dienstagabend vor Staats- und Regierungschefs der 46 Mitgliedsstaaten sagte Scholz: „Schließlich muss der Europarat alles daransetzen, dass Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit irgendwann tatsächlich überall in Europa Fuß fassen. Mit Blick auf Russland und Belarus mag das heute nahezu unvorstellbar klingen. Doch irgendwann wird Russlands Krieg gegen die Ukraine enden.“
Scholz: „Brücken aufrechterhalten“
Scholz betonte: „Eines ist sicher: Er wird nicht mit einem Sieg des Putin’schen Imperialismus enden. Denn wir werden die Ukraine so lange unterstützen, bis ein gerechter Frieden erreicht ist.“ Der Bundeskanzler warb für Beziehungen zu oppositionellen und demokratischen Kräften. Der Europarat solle „Brücken aufrechterhalten zu den Vertretern und Vertreterinnen eines anderen Russlands, eines anderen Belarus – und so die Perspektive einer demokratischen, friedlichen Zukunft beider Länder offenhalten“. Er fügte hinzu: „So unwahrscheinlich sie uns heute auch erscheinen mag.“
Der Europarat wurde 1949 als einer der ersten politischen Organisationen in Europa gegründet. Er hat seinen Sitz in Straßburg und ist kein Organ der Europäischen Union. Ihm gehören neben allen 27 Mitgliedsstaaten der EU auch Großbritannien, die Türkei, die Ukraine, Aserbaidschan und weitere Länder an. Seine Kernanliegen sind die Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat.
Mit der Expertise seines Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gilt der Europarat als besonders geeignet, ein Schadensregister für die Ukraine aufzubauen. Dazu soll am Mittwoch in Island eine Vereinbarung unterzeichnet werden. In dem Register sollen alle Zerstörungen und Verbrechen aufgeführt werden, die russische Truppen seit ihrem Überfall am 24. Februar 2022 auf die Ukraine begehen. Später soll Russland dafür zur Verantwortung gezogen werden.
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Schadensregister soll Zerstörungen und Verbrechen dokumentieren
Dabei wird debattiert, ob die von der russischen Zentralbank und von Oligarchen eingefrorenen Gelder dafür eingesetzt werden können. Das gilt als rechtlich fragwürdig. Möglicherweise werden die Milliarden aber für Investitionen genutzt und die Gewinne daraus für den Wiederaufbau genutzt. Nach aktuellen Schätzen werden rund 400 Milliarden Euro gebraucht. Je länger der Krieg dauert, desto höher wird aber die Summe.
Ohne die Türkei direkt zu erwähnen, mahnte Scholz noch, alle Mitgliedsstaaten des Europarates müssten ihren Pflichten ohne Abstriche nachkommen. „Dazu zählt, dass wir alle Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte konsequent umsetzen.“ Der EGMR kann die Mitgliedsländer verurteilen, wenn sie die Menschenrechtskonvention nicht respektieren. Die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdogan setzt die Justiz seit Jahren unter Druck – Urteile des EGMR kritisierte sie häufig als ausländische und unrechtmäßige Einflussnahme.
Die Straßburger Institution hat wegen der Nichtumsetzung von Urteilen und damit einhergehenden Menschenrechtsverstößen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei eingeleitet.