Ein geständiger Bischof, elf Verdachtsfälle: Neuer Missbrauchsskandal erschüttert Frankreich
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Eric de Moulins-Beaufort (Mitte), Erzbischof von Reims und Präsident der französischen Bischofskonferenz (CEF), sitzt neben Nicolas Brouwet (links), Bischof von Nimes, und Matthieu Rougé, dem Bischof von Nanterre.
© Quelle: Charly Triballeau/AFP/dpa
Paris/Lourdes. Die Pressekonferenz war nicht geplant, weder ihr Zeitpunkt noch der Inhalt. Eric de Moulins-Beaufort, Erzbischof von Reims und Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz, bemühte sich darin um ein ruhiges und gefasstes Auftreten trotz des Donnerschlags, den er zu verkünden hatte. Sein spontan angekündigter Redebeitrag fand am Rande der derzeitigen Vollversammlung der Bischöfe in Lourdes statt. De Moulins-Beaufort sprach dabei von einem „Schock“. Am Vortag habe er einen Brief vom emeritierten Erzbischof von Bordeaux, Jean-Pierre Ricard, erhalten, der zwischen 2001 und 2008 selbst die Bischofskonferenz geleitet hatte und 2019 in den Ruhestand gegangen war.
Das Schreiben enthielt ein Geständnis, das de Moulins-Beaufort vorlas. „Ich habe mich entschieden, nicht mehr über meine Situation zu schweigen und mich der Justiz zu stellen“, schrieb Ricard darin. „Vor 35 Jahren, als ich Priester war, habe ich mich auf verwerfliche Weise gegenüber einem jungen Mädchen im Alter von 14 Jahren verhalten. Ich bitte um Verzeihung.“ Es habe ein Gespräch mit der Betroffenen und eine Entschuldigung gegeben. Der heute 78-Jährige ist selbst Mitglied des Dikasteriums für die Glaubenslehre im Vatikan, einer Zentralbehörde der katholischen Kirche, die sich unter anderem mit Fragen um sexuellen Missbrauch befasst.
Elf Bischöfe im Visier der Justiz
Außerdem sagte Eric de Moulins-Beauforts, dass sich im Zuge von Ermittlungen elf aktive oder ehemalige Bischöfe, von denen einer nicht mehr am Leben ist, im Visier der staatlichen oder kirchlichen Justiz im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen befinden. Insgesamt handele es sich um äußerst unterschiedliche Situationen. Bei zwei Männern gehe es um den Vorwurf, Missbrauchsvorfälle durch andere verschwiegen zu haben, aber einige der hochgestellten Geistlichen vergingen sich auch selbst an Minderjährigen oder jungen Erwachsenen. Erst vor Kurzem sorgte eine Enthüllung um den früheren Bischof der Pariser Vorstadt Créteil, Michel Santier, für Empörung. Denn dieser war 2021 nicht wegen gesundheitlicher Probleme zurückgetreten, wie die offizielle Erklärung lautete. Stattdessen hatte der Vatikan sexuelle Vergehen an jungen Männern durch Santier stillschweigend sanktioniert.
Papst Franziskus fordert Bekämpfung von sexuellem Missbrauch
Bei einem Treffen mit Vertretern der katholischen Kirche Kanadas hat Papst Franziskus ein konsequentes Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch gefordert.
© Quelle: dpa
Dabei hatte bereits vor gut einem Jahr ein umfassender unabhängiger Missbrauchsbericht hohe Wellen in Frankreich geschlagen, dem zufolge sich zwischen 2900 und 3200 französische Priester, Diakone oder Mönche in den vergangenen 70 Jahren sexuell an Minderjährigen vergangen haben sollen. Konsequenzen gab es nur in den wenigsten Fällen. Insgesamt 216.000 Opfer von sexuellem Missbrauch durch Geistliche hat es demnach gegeben. Weitet man den Täterkreis auf Personen aus, die für kirchlich betriebene Einrichtungen wie Schulen oder Jugendbewegungen tätig waren, erhöht sich die Opferzahl auf 330.000 Mädchen und Jungen. Die Rede in dem Bericht war von einer „institutionellen Verantwortung“. Bei der derzeitigen Vollversammlung der französischen Bischöfe beraten diese auch über die Bewältigung dieser Missbrauchsskandale, die das Vertrauen in die Institution auch in Frankreich zutiefst erschüttert haben. Als umso wichtiger gilt nun ein offener und ehrlicher Umgang mit diesen Vorfällen, wie de Moulins-Beaufort versicherte.
„Sie tun es in erster Linie, um sich selbst zu beschützen“
Demgegenüber äußerten sich Opfervereinigungen skeptisch. Mireille Babassud, Mitglied eines Zusammenschlusses in Enghien-les-Bains, wo ein Priester in einer Schule jahrelang junge Mädchen missbraucht hatte, sagte, Transparenz durch die Kirchenvertreter sei zwar richtig, „aber ich habe den Eindruck, dass sie dafür erst mit dem Rücken zur Wand stehen müssen“. Auch Olivier Savignac, Präsident der Vereinigung „Reden und neu leben“, sagte, man habe viel Druck auf die verantwortlichen Geistlichen ausgeübt, damit diese ihre Kommunikation ändern. „Aber sie tun es in erster Linie, um sich selbst zu beschützen.“