Rente mit 64 statt 62: Wie Macron die Franzosen gegen sich aufbringt
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Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich.
© Quelle: Ludovic Marin/AFP POOL/AP/dpa
Das Internet ist erbarmungslos, wenn es als Archiv dient und die Widersprüche von Politikern aufdeckt. Da gibt es etwa ein Video des jungen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017, Emmanuel Macron, der versicherte, er werde „keine Einsparungen auf dem Rücken der Rentner oder all derer, die in wenigen Jahren in den Ruhestand gehen“, machen. Das Renteneintrittsalter anzuheben, erklärte er, wäre „nicht gerecht“. Zwei Jahre später, da war er schon Präsident, lehnte Macron erneut in der für ihn typischen temperamentvollen Art eine Erhöhung der Altersgrenze ab.
Diese Beweise für seinen Meinungsumschwung werden nun von den Gegnern seiner Rentenreform als Argument dafür angeführt, dass diese unnötig und unfair sei – wie er es doch selbst behauptet hatte. Und Gegner gibt es viele. Sieben von zehn Menschen in Frankreich lehnen das Gesetzesprojekt ab, das Pensionsalter von 62 auf 64 Jahre hinaufzusetzen, während die Einzahldauer insgesamt 43 Jahre betragen muss. „Wir beobachten, dass der Widerstand sich verstärkt, und zwar sowohl in den Umfragen als auch bei der Mobilisation auf der Straße“, sagt der Politologe Jérôme Fourquet vom Meinungsforschungsinstitut Ifop. Bei einem ersten Streiktag Mitte Januar demonstrierten laut Innenministerium landesweit rund 1,1 Millionen Menschen, beim zweiten waren es 1,3 Millionen. Viele verzichteten für den Streik auf einen Tag Gehalt. Am Dienstag werden erneut Massenproteste und Arbeitsniederlegungen in Schulen, Raffinerien, Elektrizitätswerken und Ämtern sowie etliche Ausfälle beim Zug- und Pariser Metroverkehr erwartet.
Seit Montag debattiert die Nationalversammlung über die Reform. Die Opposition brachte mehr als 20.000 Änderungsanträge ein, doch die können voraussichtlich aus Zeitgründen gar nicht diskutiert werden. Denn die Regierung wendet einen gesetzgeberischen Trick an, der das Vorgehen beschleunigt: Da es sich um ein Nachtragsgesetz zur Sozialversicherung handelt, muss dieses nach spätestens 50 Tagen in beiden Parlamentskammern beschlossen sein. Andernfalls wird es verordnet. Kommt keine Mehrheit zustande, kann Regierungschefin Élisabeth Borne zum Sonderparagrafen 49.3 greifen. Das könnte notwendig werden, da es in den Reihen der konservativen Republikaner, die eine Zustimmung prinzipiell zugesagt haben, sowie innerhalb der Präsidentenpartei Renaissance und ihren Verbündeten Abgeordnete gibt, die ausscheren. Der rechtsextreme Rassemblement National fordert gar eine Volksbefragung.
Frankreich: Erneuter Generalstreik geplant
Die französische Regierung plant eine Erhöhung des Renteneintrittsalters – und die Gewerkschaften stemmen sich dagegen.
© Quelle: Reuters
Doch vor allem der Protest auf der Straße kann bedrohlich für die Regierung werden. Unvergessen ist die durch die „Gelbwesten“ ausgelöste Krise mit monatelangen, teils gewaltsamen Demonstrationen und Blockaden im Jahr 2018. Der aktuelle Kontext erschwert die Situation: Die Menschen leiden unter der Inflation, gerade erhöhte sich die Autobahnmaut um rund 5 Prozent, die Gas- und Strompreise werden inzwischen weniger stark gedeckelt. Manche Beobachter fragen, warum Macron ausgerechnet in dieser Krisenzeit seine unpopuläre Reform durchziehen will, wo er sich doch ohnehin nicht mehr um seine Wiederwahl kümmern muss. Denn die Verfassung verbietet ihm mehr als zwei Amtszeiten hintereinander. Doch die Französinnen und Franzosen wissen, dass es um sein Vermächtnis als Reformpräsident geht: 70 Prozent von ihnen glauben, dass das Gesetz beschlossen wird. Es gibt etliche Videos von Interviews und Reden der letzten Monate, in denen Macron es ankündigte. Ein Versprechen, das er diesmal wohl einzuhalten gedenkt.