Flutkatastrophe: Ein Hilfsfonds allein reicht nicht
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Wer zahlt den Schaden? Neben der großen Zahl an Toten und Verletzten im gesamten Kreis Ahrweiler zeigt sich auch das ganze Ausmaß der Zerstörung.
© Quelle: imago images/Bonnfilm
Berlin. Das ist das Großartige an diesem Land: Wenn akute Not herrscht, steht die Gesellschaft zusammen. So war es beim Oderhochwasser 1997, beim Elbhochwasser 2002 oder bei der Flut von 2013. Und auch bei den verheerenden Überschwemmungen in diesem Jahr zeigt Deutschland, wozu es in Notsituationen in der Lage ist.
Die Opfer der Katastrophen werden nicht alleingelassen. Die Bevölkerung spendet großzügig Lebensnotwendiges und Geld, die Politik rauft sich parteiübergreifend zusammen und reagiert rasch mit Hilfsangeboten.
Bereits nach wenigen Tagen stand die Soforthilfe des Bundes über 400 Millionen Euro bereit, jetzt – gerade einmal drei Wochen nach dem Ablaufen des Wassers – ist ein Wiederaufbaufonds mit einem bisher einmaligen Volumen von 30 Milliarden Euro vereinbart.
Extremwettersituationen werden zunehmen – auch in Mitteleuropa
Wenn man weiß, wie lange und erbittert Bund und Länder normalerweise über vergleichsweise läppische Summen streiten, ist das eine enorme Leistung, die gewürdigt werden muss. Dabei ist allerdings völlig klar, dass Geld nicht alle Wunden heilen kann.
Die Erfahrung, alles Hab und Gut verloren zu haben, das Gefühl der Ohnmacht gegenüber den Naturgewalten – das wird die Menschen in den betroffenen Regionen ihr Leben lang nicht mehr loslassen.
Spätestens aus dieser Flutkatastrophe müssen nun aber die Lehren gezogen werden. Es besteht Konsens in der Wissenschaft, dass derartige Extremwettersituationen zunehmen werden, auch in Mitteleuropa. Insofern werden wir damit leben müssen, dass Naturkatastrophen mit verheerenden Schäden die Regel werden und nicht mehr Ausnahmen bleiben.
Das erfordert nicht nur den Ausbau von Schutzsystemen, sondern auch eine neue Siedlungsplanung, die Gefahrenzonen meidet. Zudem muss ein immer wieder nutzbarer Mechanismus etabliert werden, der ohne großen Abstimmungsbedarf und Verwaltungsaufwand schnelle Hilfe gewährleisten kann. Denkbar wäre ein permanenter Katastrophenhilfsfonds, der bei Bedarf innerhalb von Tagen aktiviert werden kann.
Es braucht auch eine klug durchdachte Versicherungslösung
Dieses Hilfesystem muss allerdings Hand in Hand gehen mit einer klug durchdachten Versicherungslösung für die vom Klimawandel angerichteten Schäden. Denn es kann nicht sein, dass Hausbesitzer die eigene Absicherung vernachlässigen in der Hoffnung, der Staat werde schon unbegrenzt einspringen.
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Deshalb sollte eine Pflichtversicherung für Elementarschäden kein Tabu sein, auch wenn das einen tiefen Eingriff in die Grundrechte bedeutet. Allerdings wäre das kein völliges Neuland, schließlich besteht in Deutschland auch eine Pflicht zur Krankenversicherung, bei der der Staat seine Bürger zur Vorsorge zwingt. Damit die Prämien in gefährdeten Gebieten bezahlbar bleiben, wären zumindest zeitweise staatliche Zuschüsse sinnvoll.
Ist die Schuldenbremse noch zu halten?
Schon sehr kurzfristig stellt sich eine weitere Frage: Ist die Schuldenbremse noch zu halten? Der Mechanismus ist zwar so gestaltet, dass bei Naturkatastrophen Ausnahmen erlaubt sind. Aber das Zusammentreffen einer Pandemie mit einer Flut in dieser Dimension konnte bei der Einführung der Schuldenregel wirklich niemand vorhersehen.
Es darf nicht sein, dass diese beiden Ereignisse die Investitionsmöglichkeiten des Staates auf Jahre hinaus extrem einschränken, zumal für den Klimaschutz und die Digitalisierung immense Ausgaben anstehen.
Deshalb muss sich eine neue Regierung auf eine Übergangsregelung verständigen, die sowohl für den Bund als auch für die Länder zeitweise höhere Schulden und längere Tilgungsfristen zulässt. Eine Abschaffung der Schuldenbremse wäre dagegen das falsche Signal. Ein Staat kann Schulden machen. Aber er muss Prioritäten setzen und darf nicht über seine Verhältnisse leben.