Flüchtlingsaufnahme: der letzte Flug aus Griechenland
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Eine Flüchtlingsfamilie aus Griechenland kommt am Flughafen Hannover an. Insgesamt wurden fast 3000 Menschen aus erbärmlichen Zuständen aus den Lagern auf den griechischen Inseln geholt.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Athen. Es war wohl der letzte Flug dieser Art, zumindest für einige Zeit: Am Donnerstag brachte ein Airbus der griechischen Aegean Airlines 103 Kinder, Frauen und Männer nach Hannover. Die Passagiere kamen aus den Flüchtlingslagern auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos.
Damit konnten seit dem April 2020, als der erste Evakuierungsflug dieser Art stattfand, 2765 Flüchtlinge aus Griechenland nach Deutschland gebracht werden – überwiegend allein reisende Minderjährige, behandlungsbedürftige Kinder mit ihren Familienangehörigen und als besonders schutzbedürftig anerkannte Erwachsene.
Im Rahmen einer europäischen Vereinbarung hatte Deutschland 2020 die Aufnahme von Flüchtlingen aus den überfüllten griechischen Lagern zugesagt. „Wir haben Wort gehalten“, konnte Bundesinnenminister Horst Seehofer anlässlich des letzten Fluges feststellen.
Andere Länder, die damals ebenfalls ihre Hilfsbereitschaft erklärten, drücken sich allerdings bis heute. Nur die Schweiz, Luxemburg und die Niederlande haben ihre versprochenen Quoten erfüllt. Sie nahmen zusammen 140 Personen auf. Portugal hatte Zusagen für die Übernahme von 1500 gemacht, akzeptierte aber nur 81 Flüchtlinge. Frankreich versprach, 1000 Menschen aufzunehmen, ließ aber nur 576 einreisen.
Trotzdem hat sich die Situation in den griechischen Insellagern in den vergangenen zwölf Monaten deutlich entspannt. Im März 2020 lebten 40.139 Menschen in den Camps auf Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros. Heute sind es noch 13.708. Der Rückgang hat drei Gründe: Die griechischen Behörden haben besonders Schutzbedürftige in bessere Unterkünfte aufs Festland gebracht.
Außerdem wurden die früher schleppenden Asylverfahren beschleunigt, was dazu führte, dass anerkannte Flüchtlinge die Inseln verlassen konnten. Überdies ging die Zahl der Neuankünfte aus der Türkei deutlich zurück. Im ersten Vierteljahr 2020 kamen noch 9061 Migranten über die Ägäis zu den griechischen Inseln, 2021 waren es nur 1597.
Griechenland erklärt den Rückgang mit einer strikteren Sicherung seiner Seegrenze, steht aber wegen angeblicher völkerrechtswidriger Pushbacks in der Kritik des Zurückdrängens von Flüchtlingsbooten in türkische Hoheitsgewässer.
Lebensbedingungen sind weiterhin katastrophal
Trotz der Entlastung der Insellager sind die Lebensbedingungen dort für die meisten Menschen immer noch katastrophal. Im provisorischen Lager Mavrovouni auf der Insel Lesbos, das nach dem Brand im berüchtigten Camp Moria errichtet wurde, leben rund 5600 Menschen in Zelten, die nur unzureichenden Schutz vor Regen und Kälte bieten.
Auf der Insel Samos hausen über 2600 in einem Lager, das für 648 Personen ausgelegt ist. Die Hilfsorganisation Pro Asyl fordert deshalb ein neues, erweitertes Programm zur Übernahme von Migranten aus Griechenland durch andere europäische Länder.
Prekär ist auch die Situation vieler anerkannter Flüchtlinge in Griechenland. Sie sind weitgehend auf sich selbst gestellt. Wer Asyl bekommt, muss nach einer kurzen Übergangsfrist für eine eigene Unterkunft und seinen Lebensunterhalt sorgen. Die Jobsuche ist für Migranten nahezu aussichtslos in einem Land mit 16 Prozent Arbeitslosigkeit.
Eine Grundsicherung wie Hartz IV gibt es in Griechenland weder für Einheimische noch für Flüchtlinge. Viele versuchen deshalb, in andere europäische Länder weiterzureisen, vor allem nach Deutschland, wo vergleichsweise großzügige Sozialleistungen locken.
Als anerkannte Flüchtlinge können Migranten aus Griechenland in andere Schengen-Staaten reisen, wenn auch nur zu Besuch für bis zu 90 Tage im Halbjahr. Die Praxis sieht aber anders aus. In Deutschland angekommen, beantragen dort viele erneut Asyl.
Nach den Regeln des EU-Asylsystems müssten sie eigentlich nach Griechenland zurückgeschickt werden. Das passiert aber nicht. Diese Woche entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, dass anerkannte Schutzberechtigte nicht nach Griechenland abgeschoben werden dürfen, weil sie dort nicht einmal ihre elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) befriedigen können.