Umstrittene Antidiskriminierungsbeauftragte: Atamans erster Auftritt gerät zur Verteidigung
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Ferda Ataman ist seit Anfang Juli 2022 Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung.
© Quelle: IMAGO/Jürgen Heinrich
Berlin. Ferda Ataman seufzt, lächelt gequält, legt ihren Kopf schief. „Das habe ich nie gemacht“, sagt die neue Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung. Sie muss mit dieser Frage gerechnet haben: Ob sie es mittlerweile bereue, Menschen ohne Migrationshintergrund als Kartoffeln bezeichnet zu haben?
Das habe sie weder in ihrer gerne mal provokanten „Spiegel“-Kolumne getan noch mit der Verleihung der „Goldenen Kartoffel“ des Vereins „Neue deutsche Medienmacher*innen“, dessen Vorsitzende sie auch gar nicht mehr sei. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch hatte Ataman damals als „antideutsche Rassistin“ bezeichnet. Das war einer der Vorwürfe im Vorfeld ihrer Wahl auf den Posten Anfang Juli, die nur als holprig bezeichnet werden kann.
Vor ihrem ersten öffentlichen Auftritt im neuen Amt bei der Vorstellung des Jahresberichts der Antidiskriminierungsstelle am Dienstag in Berlin scherzt die umstrittene Publizistin: „Sind Sie auch so aufgeregt wie ich?“
Von dieser Aufregung lässt sie sich dann aber bei ihrer Eröffnungsrede – die eher zur Verteidigungsrede gerät – nichts anmerken. Ataman betont, dass die Antidiskriminierungsstelle nicht nur für Minderheiten wichtig sei, dass Diskriminierungen „früher oder später sehr viele betreffen“ könnten. Damit spielt sie insbesondere auf Altersdiskriminierungen an, die sie im Laufe der Vorstellung noch häufiger als Beispiel erwähnen wird.
Antidiskriminierung werde in Debatten immer wieder als Identitätspolitik abgetan. Bevor Ataman im Bundestag ins Amt gewählt wurde, sagte beispielsweise die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg der „Neuen Zürcher Zeitung“, Ataman stehe „in besonderer Weise für spaltende Identitätspolitik“. Diese Kritik wies Ataman zurück, noch bevor die zu erwartenden Rückfragen kamen: „Diskriminierung spaltet die Gesellschaft – nicht die, die sie ansprechen.“
Hauptgründe sind Rassismus und Behinderung
Die Zahl der gemeldeten Diskriminierungsfälle sei „alarmierend“ und bilde nur „die Spitze des Eisbergs“, so Ataman. Bei den 5617 gemeldeten Fällen im Jahr 2021 war der häufigste Grund mit 37 Prozent Rassismus. An zweiter Stelle folgen Beratungsanfragen mit dem Merkmal Behinderung, sie machen 32 Prozent der Anfragen aus.
Solche Untersuchungen zeigen: Diskriminierung gehört leider zum Alltag in Deutschland.
Ferda Ataman,
Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes
Ataman betont, dass diese Zahlen nicht repräsentativ sind. Laut Umfragen hätten aber 16 Prozent der Deutschen in den vergangenen fünf Jahren Diskriminierung erlebt. „Solche Untersuchungen zeigen: Diskriminierung gehört leider zum Alltag in Deutschland“, folgert sie. Da das Beratungsangebot regional enorm schwanke – in Mecklenburg-Vorpommern etwa gibt es laut Bericht aktuell gar keine Antidiskriminierungsberatung – und nicht jeder Betroffene den Mut aufbringe, sich zu melden, sei eine eindeutige Aussage zu Fallzahlen kaum möglich.
Ferda Ataman ist die neue Antidiskriminierungsbeauftragte
Die Personalie war zuvor äußerst kontrovers diskutiert worden. Grüne und SPD hatten Ataman unterstützt.
© Quelle: Reuters
Die Ausweitung des Beratungsangebots ist deshalb einer der drei Schwerpunkte, auf die sich Ataman jetzt konzentrieren wolle. Auf ihrem Plan steht auch die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Regierung plane, bis Jahresende Eckpunkte dazu vorzulegen. Ein zentraler Aspekt dieser Reform solle die Verlängerung der Fristen und ein Verbandsklagerecht sein, damit Betroffene leichter gegen Diskriminierung vorgehen können. Den dritten Schwerpunkt hat Ataman schon im Vorfeld ihres Amtsantritts erfolgreich verfolgt: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bekannter machen.
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Immerhin sorgt der Wirbel um ihre Personalie für Aufmerksamkeit, die Ataman bei aller Resignation angesichts der immer gleichen Fragen zu schätzen wisse. Jetzt müsse sie diese Aufmerksamkeit nur umlenken. Dass sie die richtige Person für das Amt ist, dessen sei sich Ataman entgegen aller Kritik sicher. Es sei wichtig, „die Finger auf die Wunde zu legen“.