EU-Streit um Ölembargo: Scholz sieht „Gespräche mit dem Willen zur Verständigung“
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der Eröffnung der Hannover-Messe.
© Quelle: Swen Pförtner/dpa
Vor dem EU-Sondergipfel in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Einigkeit Europas als Reaktion auf den Krieg gegen die Ukraine hervorgehoben. „Es ist ein gutes Zeichen, dass es Europa bisher so geschafft hat zusammenzustehen“, sagte er nach seiner Ankunft am Montag. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das auch in Zukunft werden.“
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Für Scholz gehe es bei dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs vor allem darum, weiter einig zu handeln und den bisherigen gemeinsamen Kurs gegen Moskaus Aggressionen fortzusetzen. Doch vor allem beim geplanten Ölembargo gegen Russland gibt es Streit.
Habeck setzt auf EU-Zusammenhalt bei Kohleausstieg
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erhofft sich vom G7-Treffen einen Fortschritt für ein weltweites Ende der klimaschädlichen Kohleverstromung.
© Quelle: Reuters
Der Kanzler zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass es auf dem Gipfel zu einer Einigung kommen kann. Es spreche alles dafür, „dass man sich zusammenfindet“, sagte der SPD-Politiker. „Niemand kann vorhersagen, ob es dann tatsächlich der Fall sein wird. Aber alles, was ich höre, klingt danach, als ob es einen Konsens geben könnte.“ Er sehe eine gute und kontroverse Diskussion. Die Gespräche würde er als „Gespräche mit dem Willen zur Verständigung“ wahrnehmen.
Von der Leyen: schnelle Einigung auf Ölembargo unrealistisch
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen glaubt nicht an eine schnelle Lösung des Streits um ein europäisches Ölembargo gegen Russland. Es sei wichtig, dass ein Embargo niemanden in der EU unfair belaste, sagte sie am Montag vor Beginn eines EU-Gipfels in Brüssel. „Und genau diese Frage haben wir noch nicht gelöst.“
Ihren Angaben zufolge gibt es verschiedene Lösungsideen, aber noch keine gemeinsame Position. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Kompromiss beim Gipfel gebe, sei nicht sehr hoch, sagte sie.
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Was die Bundeswehr mit dem Sondervermögen nun leisten muss
Mit 100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr nun endlich auf ein Niveau gehievt werden, das andere Nato-Staaten seit Jahren erfüllen. Aber Geld allein macht nicht glücklich. Die Bundeswehr muss sich umstellen von Friedenssicherung im Ausland auf Landesverteidigung und Schutz der Nato-Außengrenzen, kommentiert Eva Quadbeck.
Zudem rief von der Leyen die EU-Länder zu Geschlossenheit auf. „Wir haben einen Schlüssel zum Erfolg, und dieser ist Solidarität mit der Ukraine und die Einigkeit der Europäischen Union“, sagte sie.
Ungarn blockiert weiter Ölembargo
EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich hingegen optimistisch. Im jüngsten Entwurf für die Abschlusserklärung schlug er vor, sich auf den aktuellen Kompromissvorschlag der EU-Kommission zu verständigen. Dieser sieht vor, vorerst nur die Einfuhr von per Schiff transportiertem Öl auslaufen zu lassen. Das bislang die Embargopläne blockierende Ungarn könnte sich demnach weiterhin über die riesige Druschba-Pipeline mit Öl aus Russland versorgen.
Über die Pipeline Druschba (Freundschaft) wird bis heute Öl aus Russland in Raffinerien in Ungarn, der Slowakei und in Tschechien sowie in Polen und Ostdeutschland geliefert. Deutschland und Polen haben allerdings bereits klargestellt, dass sie unabhängig von einem Embargo bis Ende dieses Jahres unabhängig von russischen Öllieferungen werden wollen. Vorher sollte das Ölembargo ohnehin nicht vollständig in Kraft sein.
Ob der Kompromissvorschlag wirklich umgesetzt werden kann, war allerdings bis Montagmittag fraglich. Vorgespräche der ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten brachten nach Angaben von Diplomaten bislang keinen Durchbruch. Ungarn will demnach neben der Ausnahme für die Druschba-Pipeline auch Finanzzusagen für den mittelfristigen Umbau seiner Ölinfrastruktur und Sicherheitsgarantien für den Fall von Lieferausfällen durch die Druschba-Leitung.
Scholz sagte zur Haltung Ungarns: „Es ist wichtig, dass wir hier einig handeln. Das einige Handeln besteht darin, dass alle verstehen, dass das nur funktioniert, wenn jeder sich als Teil einer Gemeinschaft begreift.“ Die Beratungen der Staats- und Regierungschefs bei dem außerordentliche Gipfel dauern bis Dienstag.
Tschechien fürchtet um Versorgung mit Ölprodukten
Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala hat mehr Rücksichtnahme auf die Sorgen einzelner Staaten gefordert. „Wir können es einfach nicht zulassen, dass bestimmte Erdölprodukte bei uns fehlen werden“, sagte der konservative Politiker am Montag in Prag vor seinem Abflug zum EU-Gipfel in Brüssel. Es gehe um „lebenswichtige Sicherheiten für die Bevölkerung“.
Fiala kritisierte erneut, dass die EU-Kommission die Ziele des mittlerweile sechsten Sanktionspakets veröffentlicht habe, bevor es darüber eine Einigung unter den Mitgliedsstaaten gegeben habe. „Es erfreut mich nicht sonderlich, wie diesmal die Verhandlungen gelaufen sind“, sagte der 57-Jährige. Dennoch zeigte er sich hoffnungsvoll, dass es eine Einigung geben könne. „Wir stehen alle vor einem anspruchsvollen und teuren Umbau der Energiewirtschaft“, sagte Fiala. Tschechien deckt derzeit rund die Hälfte seines Erdölbedarfs aus russischen Quellen.
RND/jst/dpa
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