EU-Ratspräsidentschaft: SPD will schärfer gegen Orbán und Co. vorgehen
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SPD-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken: “Wir werden nicht dabei zusehen, wie die Covid-19-Pandemie in einigen Mitgliedsstaaten als Vorwand missbraucht wird, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzuschränken.”
© Quelle: imago images/IPON
Berlin. Die SPD fordert ein schärferes Vorgehen gegen EU-Mitgliedsstaaten, die europäische Grundwerte verletzen, und will entsprechende Instrumente während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft durchsetzen. "Wir wollen die Ratspräsidentschaft nutzen, um verbindliche Mechanismen zur Überprüfung europäischer Grundwerte und zur Sanktionierung von fundamentalen Verstößen auf den Weg zu bringen. Wir werden nicht dabei zusehen, wie die Covid-19-Pandemie in einigen Mitgliedsstaaten als Vorwand missbraucht wird, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzuschränken“, heißt es in einer Beschlussvorlage für den Parteivorstand an diesem Montag.
Das fünfseitige Papier listet die Ziele der SPD für die im Juli beginnende deutsche EU-Ratspräsidentschaft auf. Es liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor.
Die SPD zielt damit auf den rechts-nationalen ungarischen Ministerpräsident Viktor Orbán, der sich Ende März vom Parlament mit umfassenden Vollmachten hatte ausstatten lassen, um die Corona-Pandemie bekämpfen zu können. Der Schritt war international und von der heimischen Opposition heftig kritisiert worden. Inzwischen hat die ungarische Regierung angekündigt, dass die Vollmachten wieder aufgehoben werden sollen.
Die Sozialdemokraten kündigen außerdem an, den Schwung des europäischen Wiederaufbauprogramms für die Weiterentwicklung der EU nutzen zu wollen. “Wir lassen die Politik der roten Linien hinter uns und sind bereit, auf dem Weg der Einheit Europas jetzt voranzuschreiten. Wir werden daher in unserer Ratspräsidentschaft auch über die institutionelle Weiterentwicklung und Vertiefung der EU sprechen, insbesondere über die Schaffung genuiner Einnahmequellen für die EU”, heißt es. “Wir wollen uns nach der Überwindung der Krise nicht mit dem Wiedererlangen des Status quo ante abfinden. Unser Ziel ist es, die europäische Wiederaufbauinitiative zu nutzen, um Europa zukunftstauglich zu machen.”
Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit
Im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik skizzieren die Sozialdemokraten ein ambitioniertes Programm. Sie fordern unter anderem europaweit einheitliche Rahmenbedingungen für Mindestlöhne und Grundsicherungssysteme. Auch wollen sie den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit verstärken und den Europäischen Sozialfonds (ESF) zu einem “ESF+” ausbauen. “Ein starker ESF+ ist unverzichtbar, um die Bürgerinnen und Bürger beim Zugang zu besseren Arbeitsplätzen zu unterstützen und faire Perspektiven für den Berufseinstieg zu eröffnen”, heißt es. “Weitere Stabilisierungsinstrumente auf europäischer Ebene wie eine dauerhafte Arbeitslosenrückversicherung sind notwendig, um makroökonomische Schocks abzufedern und sicherzustellen, dass die nationalen Arbeitslosenversicherungen auch in Zeiten schwerer wirtschaftlicher Krisen ihre wichtige Sicherungsfunktion effektiv erfüllen können.”
Außerdem wollen sich die Sozialdemokraten für europaweit geltende verbindliche Standards bei der Überwachung von Lieferketten einsetzen. “Als globale Handelsmacht und Wertegemeinschaft hat die EU auch eine Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen entlang globaler Lieferketten. Durch ein europäisches Lieferkettengesetz muss auch die Unternehmensverantwortung gestärkt werden”, heißt es in der Beschlussvorlage. “Freiwilligkeit reicht längst nicht mehr aus.”
Katarina Barley, SPD-Europaabgeordnete und Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes sagte dem RND: „Die deutsche Ratspräsidentschaft übernimmt in einem Schlüsselmoment für Europa. Die Pandemie führt uns die Notwendigkeit gemeinsamen europäischen Handelns, aber auch die Schwachstellen der EU vor Augen. Jetzt muss der Moment sein, in dem die Menschen spüren, dass Europa für sie da ist.“
Europa fehle häufig nicht der Wille, sondern die Zuständigkeit zum Handeln, so Barley weiter. “Wir Sozialdemokraten wollen der EU mehr eigene Möglichkeiten geben, den Menschen gerade in der Krise zu helfen und ihre Lebensgrundlage zu sichern.”