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Voraussetzung für EU-Mitgliedschaft

Wie die Ukraine gegen Korruption im eigenen Land kämpft

Hat der Korruption im Land den Krieg erklärt: Wolodymyr Selenskyj. Doch es geht zu langsam, kritisieren Anti-Korruptionsaktivisten.

Hat der Korruption im Land den Krieg erklärt: Wolodymyr Selenskyj. Doch es geht zu langsam, kritisieren Anti-Korruptionsaktivisten.

Nach Erlangung des Kandidatenstatut der Europäischen Union beeilte sich Präsident Wolodymyr Selenskyj zu versichern, man habe einen Fahrplan für die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften, -Normen und -Regeln in allen Lebensbereichen entwickelt.

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Ihm gehe es bei der Erfüllung dieser Voraussetzungen „nicht um Freundschaft, nicht um Sympathie“, vielmehr setze die Ukraine diese Reformen „gemäß ihrer eigenen Überzeugung“ um, da sie nicht den Beitritt, sondern die Rückkehr in die europäische Familie anstrebe.

Olga Stefanishyna, Vizeministerpräsidentin der Ukraine, wurde noch konkreter: „Wir gehen davon aus, dass bis Ende des Jahres die Umsetzung all dieser Schritte möglich ist.“ Sie denke, dass die Ukraine die meisten davon noch schneller umsetzen könne, sagte die 36-Jährige bei einem Briefing im Kiewer laut Interfax-Ukraine.

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Als EU-Vollmitglied wäre sie DAS Sorgenkind

Wäre die Ukraine aber ab morgen EU-Mitglied – sie wäre das Sorgenkind der Union, was nicht allein ihre politischen Probleme, ihre wirtschaftliche Schwäche beträfe, sondern auch die aus Sowjet- und Postsowjetzeiten mitgeschleppte Korruption.

Um als Mitglied in die EU aufgenommen zu werden, muss sie hier nachbessern, hieß es zuletzt immer wieder. Im globalen Ranking der Antikorruptions-NGO Transparency International rangierte die Ukraine zuletzt auf Platz 122 – gleichauf mit dem afrikanischen Gabun und Papua-Neuguinea, aber immerhin 14 Plätze vor Erzfeind Russland.

Einer, der als Betriebswirt und Mitarbeiter der Obersten Staatsanwaltschaft die Schatten des ukrainischen System bestens kennt und heute für Transparency International arbeitet, ist Andrii Borovyk. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir im Jahr 2022 eine Strategie gegen Korruption hätten“, sagte der Korruptionsbekämpfer im Gespräch mit der Wirtschaftswoche. „Die Reform des Justizwesens hätte schon 2019 beginnen können. Und die Neubesetzung der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft hätte besser drei Monate gedauert und nicht zwei Jahre, wie wir das jetzt erleben“.

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Die bisherigen Ergebnisse bei der Bekämpfung der Großkorruption seien „unzureichend“, hieß es in einem Bericht des Europäische Rechnungshofs 2021. Dabei geht es nicht um kleine Schmiergeldzahlungen an korrupte Beamte, sondern um systematischen „Machtmissbrauch auf hoher Ebene, durch den sich einige wenige Personen auf Kosten der Allgemeinheit einen Vorteil verschaffen und dadurch einzelnen Personen und der Gesellschaft schweren und weitreichenden Schaden zufügen“.

Es gäbe zudem ein Netzwerk von Oligarchen, die durch ihr Geld erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung, auf die Regierung, die Justiz und die Wirtschaft ausüben. In einem wenig schmeichelhaften Forschungsbericht stellte die Stiftung Wissenschaft und Politik 2021 fest: „In der Praxis wird der Elite ebenso wie der Bevölkerung vermittelt, dass Korruption allenfalls selektiv bekämpft wird und dem Präsidenten nahestehende Personen von der Strafverfolgung aus­genommen werden.

Borovyk, der seit 2019 in Kiew das Transparency-Büro mit 40 Mitarbeitern leitet, sieht trotz vieler Baustellen ermutigende Fortschritte: „Die Ukraine bewegt sich in die richtige Richtung, aber zu langsam“, sagte er. Immerhin sei sein Land „eines von nur 26 Ländern weltweit, das nach unseren Zahlen in den vergangenen zehn Jahren signifikante Verbesserungen im Kampf gegen Korruption verzeichnet“. 80 Prozent der Länder weltweit verharrten seiner Einschätzung nach im vergangenen Jahrzehnt dagegen auf demselben Niveau.

Jedes Gerichtsurteil ist aufrufbar

Als größte Fortschritte zählt er auf, dass jedes Gerichtsurteil online aufrufbar ist und alle öffentlichen Aufträge im Internet veröffentlicht werden. „Kein Land der Welt weist ein vergleichbares Niveau an Transparenz im öffentlichen Auftragswesen auf.“

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Was wirklich Hoffnung mache, sei die Eigendynamik, die durch den Kandidatenstatus jetzt ausgelöst werde: „Der Druck steigt auf jeden Fall. Er geht nicht von der EU aus, sondern von den Menschen hier in der Ukraine.“ Die Politiker im Land werden sich nicht trauen, den Prozess zu verschleppen. Borovyk: „Man kann nicht EU-Kandidat werden und dann nichts tun. Das wird die Einstellung von Politikern und Beamten verändern.“

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