Ethikrats-Mitglied Bahr gegen Impfpflicht: „Härte des Eingriffs nicht angemessen“
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Im Kampf gegen das Coronavirus wird über eine allgemeine Impfpflicht nachgedacht. Ethikrats-Mitglied und Regionalbischöfin Petra Bahr hat sich am Mittwoch gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen.
© Quelle: imago images/Future Image
Hannover. Die evangelische Regionalbischöfin Petra Bahr aus Hannover, Mitglied des Deutschen Ethikrats, ist gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht.
„Eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht für alle Erwachsenen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstützen“, sagte die Theologin am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Dieses Instrument erscheint mir angesichts der Härte des Eingriffs und der extrem unterschiedlichen Risikoverteilung nicht angemessen und nicht effektiv zu sein.“
Der Ethikrat hatte zuvor in einer Stellungnahme mehrheitlich für eine Impfpflicht plädiert. Allerdings gibt es in dem Gremium unterschiedliche Sichtweisen.
Bahr: Impfung ist moralische Verpflichtung
Plausibel erscheine aus ihrer Sicht eine Ausweitung der Impfpflicht auf Risikogruppen wie Ältere, Vorerkrankte oder Schwangere, sagte Bahr. „Auch die bereichsbezogene Ausweitung, etwa für die Teile des öffentlichen Dienstes, deren Mitarbeitende eine besonders hohe Exposition haben, ist vorstellbar.“
Generell sei die Impfung eine moralische Verpflichtung, weil sie dazu beitrage, dass andere seltener angesteckt würden und das Gesundheitssystem nicht zusammenbreche.
Eine allgemeine Impfpflicht sei allerdings selbst in einer Katastrophensituation ein schwerwiegender Eingriff in die Selbstbestimmung, betonte die promovierte Theologin: „Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper zu erlangen ist das Ergebnis der Freiheits- und Demokratiegeschichte. Sie wurde hart errungen.“
Bahr: Zu viele praktische Fragen der Umsetzung noch offen
Die sozialen Folgen einer Pflicht wären erheblich: „Menschen, die bislang nur impfskeptisch oder abwartend sind, könnten in den Einfluss von radikalen Impfgegnern und verfassungsfeindlichen Kräften gelangen.“
Bei einer Impfpflicht sei allerdings ungeklärt, wie mit denjenigen umgegangen werden solle, die sich weiterhin weigerten, geimpft zu werden, sagte Bahr. Denn jede rechtliche Regelung verlange nach Zwang und Sanktionierung.
Zudem seien viele praktische Fragen der Umsetzung noch offen. Es fehle ein zentrales Impfregister und eine Prognose, wann welche Impfstoffe zur Verfügung stehen könnten, welche Anpassungen vorgenommen werden müssten und welche Priorisierung angestrebt werde.
Ethikrat uneins über allgemeine Impfpflicht
Die Gruppe der Ungeimpften sei divers, und über ihre Motive sei zu wenig bekannt, argumentierte Bahr. Dabei spielten regionale, kulturelle und religiöse Prägungen eine Rolle. „Dazu Desinformationskampagnen, denen nicht hart genug widersprochen wurde, oder eine gesellschaftliche Marginalisierung.“
Deshalb seien zielgenauere Impfkampagnen nötig, forderte die Theologin. „In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass aufsuchendes Impfen, individuelle Aufklärung und eine zugewandte Art der Vermittlung durchaus erfolgreich sein können.“
Freiwilligkeit sei auch deshalb wichtig, weil die anderen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung ohne die Normtreue weiter Teile der Bevölkerung nicht mehr griffen.
Im Ethikrat votierten 13 Mitglieder für eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab dem 18. Geburtstag. Sieben Ethikratsmitglieder plädierten dafür, eine Impfpflicht auf diejenigen zu begrenzen, die ein hohes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. Vier Experten votierten gegen die Impfpflicht
RND/epd