Tankrabatt, ÖPNV und mehr: Über diese fünf Kostenbremsen diskutiert die Ampel
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Bremen: Die Spritpreise werden an einer Tankstelle am frühen Morgen angezeigt.
© Quelle: Sina Schuldt/dpa
Berlin. SPD, FDP und Grüne ringen um ein zweites Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger, um die steigenden Energie- und Mobilitätspreise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine abzufedern. Nach stundenlangen Verhandlungen hat sich der Koalitionsausschuss nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auf „umfangreiche und entschlossene Maßnahmen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und zur Stärkung der energiepolitischen Unabhängigkeit“, verständigt. Am Vormittag sollen die Ergebnisse vorgestellt werden.
Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) lag am Mittwoch der Entwurf für die Debatte vor. Zuerst hatte „Business Insider“ berichtet. Nachfolgend eine Übersicht:
1. Laufzeitverlängerung der Kohlekraftwerke?
Die Bundesregierung wolle alles unternehmen, um die Energieversorgungssicherheit und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen aus Russland schnellstmöglich zu reduzieren, heißt es in dem Papier. So soll der Gasverbrauch kurzfristig reduziert werden, indem möglichst Kohlekraftwerke in der Sicherheitsbereitschaft reaktiviert werden.
Laut Entwurf könne die Stilllegung von Kohlekraftwerken nach Überprüfung der Bundesnetzagentur ausgesetzt werden. Dennoch wolle die Koalition „am Ziel Kohleausstieg idealerweise bis 2030″ festhalten. Die FDP will die heimische Erdgasförderung stärken, während die SPD daran Kritik übt. Dies sei „gesellschaftspolitischer Sprengstoff“.
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2. Preisregulierung des Mineralölmarktes
Wegen des starken Anstiegs der Spritpreise diskutiert die Koalition über eine Preisregulierung bei Mineralölprodukten. So ist eine Regulierung per Verordnung und das Festmachen eines Höchstpreises Teil der Verhandlungen. Die FDP spricht sich dem Entwurf zufolge dagegen aus und will den Passus streichen. Ebenfalls löschen will die FDP den Absatz, dass Wege gefunden werden müssen, um „unseriöse Geschäftsmodelle einer Gruppe von Versorgern“ abzustellen. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik gegeben, dass sich Energieversorger an der Energiekrise bereichern. Im beschlossenen Papier sind die Passagen, die die FDP streichen wollte, nicht mehr enthalten.
3. Bessere Energieeffizienz
In dem Entwurf heißt es weiter, der Bund wolle vorrangig die Gebäude sanieren, die besonders ineffizient sind. Bis 2030 solle es bei der Fernwärme einen Anteil von mindestens 50 Prozent klimaneutraler Wärme geben. Die SPD pocht darauf, dass auch im Sozialwohnungsbau die höchsten oder sehr hohen Gebäudeeffizienzstandards angewendet werden. Die Grünen wollen erreichen, dass ab 2023 in Neubauten der Einbau von Gasheizungen ausgeschlossen ist. Sie schlagen zudem ein Energieeffizienzgesetz vor, „mit verbindlichen Vorgaben zur Senkung des Endenergieverbrauchs für Bund und Länder sowie für große Unternehmen“. Die Grünen konnten ihre Vorschläge dazu nicht im Papier unterbringen.
4. Pauschale, Energiegeld und Tankrabatt für die Bürger
Mehrere Maßnahmen stehen zur Debatte, um Geld an die Bürgerinnen und Bürger auszuzahlen. So schlägt die SPD eine sogenannte Energiepreispauschale vor, die alle steuerpflichtigen Haushalte über ihre Einkommenssteuererklärung erhalten sollen. Pro Kind sollen sich die Mittel erhöhen. Menschen, die nicht einkommensteuerpflichtig sind, können einen Antrag über die Finanzverwaltung stellen.
Auch Rentnerinnen und Rentner sollen nach dem Willen der SPD eine einmalige Energiepreispauschale erhalten. Der Betrag ist noch nicht festgelegt, soll jedoch gestaffelt nach Höhe des Einkommens ausgezahlt werden. Im beschlossenen Papier ist eine Pauschale in Höhe von 300 Euro enthalten, die einmalig als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt werden soll. Zudem verlangt die SPD einen Kinderbonus, der einmalig und für jedes Kind über die Familienkassen ausgezahlt werden soll, und einen weiteren Bonus für Sozialleistungsempfänger sowie eine Heizkostenpauschale mit dem Wohngeld. Diese Pauschalen sollen jeweils 100 Euro betragen.
Die Grünen hingegen fordern ein Energiegeld – dies hatten sie schon im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 ins Spiel gebracht. „Das Bundesministerium für Finanzen wird – unterstützt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – bis zum 1. Dezember 2022 einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das Energiegeld aufbauen“, heißt es.
Das vorgezogene Energiegeld soll nach Vorstellung der Grünen aus Bundesmitteln finanziert und noch in diesem Jahr ausgezahlt werden. Eine Höhe des Betrags ist auch hier nicht festgelegt. Des Weiteren plädiert die Partei für eine dauerhafte Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes um 44 Euro für Erwachsene. Mit dieser Forderung konnten sich die Grünen nicht durchsetzen.
Die FDP pocht weiterhin auf einen zeitlich befristeten Kraftstoffrabatt. Den hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) bereits vor einigen Wochen vorgeschlagen und dafür große Kritik geerntet. In dem Papier heißt es: „Die Tankstellenbetreiber oder Mineralölhändler erhalten über die Kreditanstalt für Wiederaufbau einen finanziellen Zuschuss.“ Das Ziel: Der Benzinpreis soll 2 Euro nicht übersteigen. Die SPD übt Kritik: Die Maßnahme würde vor allen Dingen Haushalte mit hohem Einkommen stark begünstigen, heißt es.
Auch dringt die FDP auf einen Einmalrabatt auf die Kfz-Steuer und auf die Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß. Letzteres hatte auch die Union bereits gefordert. Dieser Punkt ist auch im Beschluss enthalten, die Absenkung soll für drei Monate gelten.
5. Stärkung des ÖPNV
Die SPD will den Öffentlichen Personennahverkehr (OPNV) stärken und die Regionalisierungsmittel dieses Jahr einmalig erhöhen. Der Betrag ist noch unklar. Jedoch sollten die Länder einen Anteil in gleicher Höhe leisten. Im Haushalt für 2022 ist keine massive Erhöhung der Regionalisierungsmittel vorgesehen, obwohl die Länder den Bund dazu aufgefordert hatten. Beschlossen wurde die Einführung eines vergünstigten Tickets für neun Euro pro Monat für die nächsten 90 Tage.
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat die Ampelkoalition aufgefordert, den Einbau neuer Gasheizungen nicht schon ab 2023 zu verbieten. Wer ein rasches Verbot von Gasheizungen fordere, sei entweder ohne Sachverstand oder mache Klimapolitik auf dem Rücken vieler kleiner Hausbesitzer in Deutschland, sagte Hans dem RND. Die Grünen schlagen in einem Entwurf für das geplante Entlastungspaket vor, ab 2023 in Neubauten den Einbau von Gasheizungen auszuschließen.
„Die Ampel droht immer sehr schnell Verbote an, ohne dabei einen technischen Lösungsansatz vorzulegen, wie der Heizenergiebedarf der Verbraucher in Deutschland langfristig gedeckt werden kann“, sagte Hans. Es sei technisch noch nicht möglich, jede Wohnung mit Wärmepumpen zu heizen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
„Wir sind uns absolut einig, dass wir mit Hochdruck daran arbeiten müssen, bei der Energieversorgung unabhängig von Putin zu werden“, erklärte Hans. Klar sei auch, langfristig den Heiz- und Strombedarf aus erneuerbaren Energien kohlestoffneutral und unabhängig sicherstellen zu müssen. Bislang liege aber kein Lösungsvorschlag vor, wie das gewährleistet werden könne. „Bevor man diese Lösung nicht gefunden hat, kann man doch aber noch keine Verbote für Techniken aussprechen, die wir zumindest mittelfristig als Übergangslösung brauchen, wenn wir die Menschen nicht in kalten Häusern und Wohnungen sitzen lassen wollen.“