Einigung in der Pflege – gute Tarifverträge müssen erkämpft werden

Ein 90-jähriger Bewohner in einem Pflegeheim.

Ein 90-jähriger Bewohner in einem Pflegeheim.

Berlin. Selten zuvor war eine Reform so überfällig wie diese. Schon in ihrem Koalitionsvertrag von Anfang 2018 hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, dass es in der Altenpflege flächendeckend Tarifverträge geben soll. Aber erst mit der Corona-Pandemie wurde die miserable Bezahlung der Beschäftigten in der Altenpflege auch in der breiteren Öffentlichkeit ein Thema, womit auch der Druck stieg.

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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen freuten sich zwar über die große Anerkennung für ihre Arbeit, die ihnen erstmals entgegengebracht wurde, aber sie sagten zu Recht: „Applaus allein reicht nicht.“

Großer Lohnabstand

Fachkräfte in der Altenpflege verdienen derzeit mit einem mittleren Lohn von rund 3000 Euro fast 500 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in der Krankenpflege. Ähnlich groß ist Abstand zum mittleren Einkommen aller Beschäftigten. Bei den Pflegehelfern und -helferinnen sind die Unterschiede sogar noch größer.

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Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Teilzeitquote in der Altenpflege, wo überwiegend Frauen beschäftigt sind, sehr hoch ist – und das in vielen Fällen unfreiwillig: Der Job ist so anstrengend, dass viele eine Vollzeitbeschäftigung gar nicht durchhalten. Am Ende des Monats steht dann oft eine Summe auf dem Lohnzettel, die mit einem fairen Einkommen nichts zu tun hat.

Die nun grundsätzlich zwischen Union und SPD vereinbarte Regelung, wonach alle Pflegeeinrichtungen künftig Tariflöhne zahlen müssen, wird die Lohnunterschiede zwar nicht sofort gänzlich beseitigen können, aber zumindest schrittweise reduzieren. Wie erfolgreich die Gesetzesänderung sein wird, hängt jedoch vor allem auch von den Beschäftigten selbst ab.

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Denn gute Tarifverträge fallen schließlich nicht vom Himmel. Dass es die Betonköpfe vom Verband der privaten Pflegeanbieter unter Führung des früheren FDP-Wirtschaftsministers Rainer Brüderle bisher geschafft haben, flächendeckende Tarifverträge zu verhindern, ist auch den Pflegekräften anzulasten. Ihr Organisationsgrad in Gewerkschaften ist bisher verschwindend gering. Das muss sich dringend ändern, wenn sie künftig ihre Arbeitsbedingungen durchgreifend verbessern wollen.

Caritas hat blockiert

Nicht vergessen werden darf auch, wer neben der Brüderle-Fraktion auf der Bremse gestanden hat: Ausgerechnet die katholische Wohlfahrtsorganisation Caritas war es, die Anfang des Jahres den Plan eines flächendeckenden Tarifvertrags in der Altenpflege zu Fall gebracht hatte.

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Der eigentliche Grund war dabei nicht die Lohnhöhe – die Caritas zahlt vergleichsweise gute Gehälter –, sondern die Sorge, der sogenannte dritte Weg der Kirche im Arbeitsrecht könnte in Gefahr geraten. Dieser verbietet es den Beschäftigten zu streiken.

Eine Frau hält bei der Aktion „Der Pflege geht die Luft aus“ der Bundespflegekammer und des Berliner Walk of Care ein Plakat mit der Aufschrift „Klatschen reicht nicht. Wir wollen Anerkennung“. Mit der Aktion soll auf die angespannte Lage und den Personalmangel in der Pflege hingewiesen werden.

Eine Frau hält bei der Aktion „Der Pflege geht die Luft aus“ der Bundespflegekammer und des Berliner Walk of Care ein Plakat mit der Aufschrift „Klatschen reicht nicht. Wir wollen Anerkennung“. Mit der Aktion soll auf die angespannte Lage und den Personalmangel in der Pflege hingewiesen werden.

Das ist an sich schon ein Unding. Aber wenn diese Sonderregeln indirekt dann auch noch bessere Arbeitsbedingungen in der freien Wirtschaft verhindern, ist eine kritische Grenze überschritten. Die Vorgänge zeigen einmal mehr, dass der Sonderweg der Kirchen nicht mehr haltbar ist.

Eigenanteile deckeln, nicht nur senken

Unbefriedigend aus Sicht der Pflegebedürftigen ist schließlich die geplante Reduzierung der Eigenanteile im Pflegeheim, die bereits auf 2068 Euro im Monat angestiegen sind. Viele Pflegebedürftige haben nichts von der derzeit diskutierten Rege­lung, wonach erst nach zwölf Monaten eine Entlastung vorgesehen ist. Denn rund die Hälfte der Heimbewohner und -bewohnerinnen stirbt innerhalb des ersten Jahres.

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Ziel sollte nicht nur eine Reduzierung der Eigenanteile sein, sondern auch eine Deckelung auf einem bezahlbaren Niveau, damit die Pflegekosten endlich langfristig kalkulierbar werden. Noch sinnvoller wäre angesichts einer alternden Gesellschaft allerdings eine Vollversicherung in der Pflege unter Einbeziehung von Beamten und Beamtinnen und Selbstständigen. Das ist dann eine Aufgabe für die nächste Bundesregierung.

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