Ein politisches Wunder für Biden
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/5GYO7FG3PVH57CL3B62CDNG6OI.jpg)
Daumen hoch: Nach seiner Covid-Erkrankung kann Joe Biden endlich einen politischen Erfolg verkünden.
© Quelle: IMAGO/MediaPunch
Washington. Die Einigung kommt buchstäblich in letzter Minute: für die Klimaziele der USA, die von Republikanern und Republikanerinnen und dem rechten Supreme Court komplett klein gehäckselt zu werden drohten. Für die Demokraten und Demokratinnen, denen bei den Kongresswahlen im Herbst ein Debakel droht. Und für Präsident Joe Biden, dessen Beliebtheitswerte inzwischen schlechter sind als die des Möchtegerndiktators Donald Trump.
Dass die Demokraten und Demokratinnen völlig unerwartet mitten in einem heißen Sommer und einer bis in die Zehenspitzen polarisierten öffentlichen Stimmung ein 740-Milliarden-Dollar-Paket für Klima und Soziales geschnürt zu haben scheinen, grenzt an ein Wunder. Das Paragrafenwerk würde den Umstieg auf erneuerbare Energien massiv fördern, die Krankenversicherung bezahlbar halten und endlich steuerliche Trittbrettfahrerinnen und Trittbrettfahrer wie Amazon zur Kasse bitten. Natürlich: Man könnte sich mehr vorstellen. Und Biden hatte auch mehr versprochen. Aber Politik ist die Kunst des Möglichen. Und schon im Herbst könnte die Parlamentsmehrheit der Demokraten und Demokratinnen endgültig verloren sein. Dann kann Biden gesetzgeberisch praktisch nichts mehr bewirken.
Die Inflation drückt auf die Stimmung
Mehr als ein Etappensieg ist dieser Deal trotzdem nicht. Zwar heißt er sinnigerweise „Gesetz zur Inflationsreduzierung“ und trifft daher deutlich besser die aktuelle Stimmung im Land als der von Anfang an allzu bombastische billiardenteure „Build Back Better“-Plan, in dem Biden ein diffuses Wünsch-Dir-Was seiner Partei zusammengepackt hatte. Doch die Teuerung, die viele Haushalte bedrückt, ist mit der neuen Überschrift nicht verschwunden. Und im Zweifelsfall wird sie den Wählern und Wählerinnen bei den Midterms präsenter sein als die Reformen, die Einkommensschwache bei den Krankenversicherungsbeiträgen entlasten und alle beim Umstieg auf saubere Energien unterstützen.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SH7PF4C5CVCXPOFASVMFJLWQEY.jpg)
Die Revolution der radikalen Robenträger
Einst galt der ehrwürdige Supreme Court als ausgleichende Instanz im amerikanischen Politsystem. Damit ist es seit Donald Trump vorbei. Immer extremer torpedieren die ultrarechten Richter die Grundwerte der liberalen Gesellschaft. Nach Waffenverbot, Abtreibungsrecht und Klimaschutz könnten sie demnächst sogar das gleiche Wahlrecht kippen.
Davor muss das Paragrafenwerk zudem noch schwierige parlamentarische Hürden nehmen, und covidbedingte Abwesenheiten könnten seine Verabschiedung verzögern. Aber ein Anfang ist gemacht. Nun müssen die Demokraten und Demokratinnen alles tun, um das Vorhaben über die Ziellinie zu bringen. Davon würde möglicherweise Joe Biden profitieren, vor allem aber die amerikanische Demokratie. Gegen die Parolen rechter Populisten und Populistinnen helfen nämlich keine Versprechen, sondern nur der konkrete Nachweis, dass Politik mit den entsprechenden Mehrheiten tatsächlich etwas zur Verbesserung des alltäglichen Lebens ihrer Wähler und Wählerinnen beitragen kann.