Menschen und ihre Schicksale: Wie der Krieg das Leben verändert
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Menschen, deren Leben durch den Krieg auf den Kopf gestellt wurde
© Quelle: Kutter, Krupar, Frick, RND
Rund eine Million Menschen sind aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Sie müssen zusehen, wie ihre Heimat zerstört wird, und versuchen trotz allem, in einem neuen Leben Fuß zu fassen. Sie bekommen Unterstützung von Deutschen, die Geflüchtete bei sich aufnehmen, und mitunter auch von Russen, die sich für ihr Land schämen.
Um den vielen Schicksalen Gesichter zu geben, erzählen hier Menschen, wie der Krieg ihr Leben verändert hat.
„Unser fünfstöckiges Haus ist vollkommen in sich zusammengefallen“: Svitlana Shavkun überlebte nur knapp einen Raketenangriff
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Svitlana Shavkun (39) ist gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrem Mann in Hannover im Krankenhaus in Behandlung.
© Quelle: Katrin Kutter
„Direkt nach Kriegsausbruch sind wir umgezogen – in einen Bunker in Charkiw. Dort sind wir drei Monate geblieben. Wir sind nur nach Hause, um die Katze zu füttern. Nach drei Monaten konnten wir zurück in unsere Wohnung. Im August dann die Raketeneinschläge, zweimal, mitten in der Nacht. Unser fünfstöckiges Haus ist vollkommen in sich zusammengefallen. Überall Trümmer. Wir lagen darunter. Ich wusste sofort, es ist schlimm. Ich konnte mich nicht bewegen, die Beine waren unnatürlich abgewinkelt.
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Als sich der Staub ein bisschen verzogen hatte, hörte ich meine Tochter Kira: Mama, lebst du? Ja, ich lebe, auch mein Mann Yuri. Schon nach zwanzig Minuten haben uns Helfer aus den Trümmern gezogen. Neun Bewohner konnten nicht gerettet werden. Wir alle haben zahlreiche Brüche an Beinen, Armen, Füßen. Kettenbrüche nennen Chirurgen so etwas. Nach wochenlangem Klinikaufenthalt konnte man in der Ukraine nichts mehr für uns tun.
Über den Katastrophenschutz sind wir nach Hannover gekommen, ins Friederikenstift. Fünf Wochen und viele Operationen später durften wir in eine Unterkunft ziehen. Ich gehe schon wieder am Rollator. Auch die Rollstühle für Kira und Yuri sollen nicht für die Ewigkeit sein. Ich bin überglücklich, in der Ukraine sollten Kiras Beine amputiert werden. Jetzt möchte ich so schnell wie möglich wieder nach Hause. Wir haben nichts mehr dort, auch die Katze ist tot. Aber so hilfsbereit hier alle sind, in der Ukraine ist meine Heimat. Und bleibt es.“
Svitlana Shavkun, die in Hannover behandelt wird – aufgezeichnet von Fabian Mast
„Wie kann ich etwas vermissen, das zerstört worden ist?“ Diana Nowikowa floh gerade noch aus Mariupol
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Diana Nowikowa (28) floh aus Mariupol.
© Quelle: Stanislav Krupar
Das Rote Kreuz beschrieb die Lage in Mariupol im März vergangenen Jahres als „apokalyptisch“, damals belagerten russische Truppen die Stadt am Asowschen Meer. Wenige Tage später floh Diana Nowikowa aus ihrer Heimatstadt – gemeinsam mit ihrer Großmutter, ihrer einzigen noch lebenden Angehörigen. Sie habe wahllos Leute in der Stadt angesprochen, ob sie sie mitnehmen würden, erinnert sich die heute 28‑Jährige. Die Großmutter lebt heute in Tschernobyl, Nowikowa arbeitet in der ukrainischen Hauptstadt Kiew als Projektmanagerin bei einer gemeinnützigen Einrichtung.
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Mariupol ist von den russischen Invasoren weitgehend dem Erdboden gleichgemacht worden. Nowikowa sagt, ihre letzten Erfahrungen seien von Chaos geprägt gewesen, ansonsten denke sie aber mit nostalgischen Gefühlen an Mariupol zurück. „Ich habe gute Erinnerungen an die Stadt, in der ich geboren wurde und aufgewachsen bin.“ Ob sie ihre Heimatstadt vermisse? Nowikowa antwortet mit einer Gegenfrage: „Wie kann ich etwas vermissen, das zerstört worden ist?“
Can Merey über Diana Nowikowa, die in Kiew lebt
„Es war für mich nicht mehr sicher, auf der Krim zu bleiben“ Olexandra Dworezka ließ bei ihrer Flucht alles zurück
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Olexandra Dworezka (32), lebt mittlerweile in Kiew.
© Quelle: Stanislav Krupar
Olexandra Dworezka ist schon lange vor dem Überfall Russlands vor einem Jahr aus ihrer ukrainischen Heimat geflohen: Sie stammt aus Simferopol, der zweitgrößten Stadt der Halbinsel Krim, die Russland bereits 2014 völkerrechtswidrig annektierte. Sie habe sich bereits damals als Aktivistin für die „Einheit der Ukraine“ engagiert, sagt die 32-Jährige – das war den neuen Machthabern ein Dorn im Auge. „Es war für mich nicht mehr sicher, auf der Krim zu bleiben.“ Sie habe bei der Flucht alles zurückgelassen.
Inzwischen lebt Dworezka in Kiew und arbeitet für das staatliche Menschenrechtsbüro, das unter anderem den Austausch von Kriegsgefangenen mit Russland organisiert – eine der wenigen Verbindungen, die es zwischen den Kriegsparteien noch gibt. Ihr früherer Ehemann, ihr jetziger Partner und ihr Vater kämpfen gegen die russischen Invasoren. Ihre 92 Jahre alte Großmutter sei auf der Krim zurückgeblieben. „Sie ist sehr krank, und niemand von uns kann sie besuchen“, sagt Dworezka. „Sie wird bald sterben.“
Can Merey über Olexandra Dworezka, die in Kiew lebt
„Dann sagte meine Frau: Der Krieg ist da“: Balletttänzer Vitalii Netrunenko wurde am 24. Februar von den Explosionen der Bomben geweckt
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Ukrainischer Balletttänzer Vitalii Netrunenko vom Kieler Ensemble.
© Quelle: Ulf Dahl
Es war 5.45 Uhr am 24. Februar 2022, als die Explosionen Vitalii Netrunenko weckten. „Aber weil wir Ukrainer einiges gewohnt und außerdem Optimisten sind, habe ich mir erst mal noch nichts Schlimmes gedacht“, erinnert sich der Tänzer an den Morgen, an dem der Krieg nach Kiew kam. „Aber dann sagte Elena, meine Frau: Der Krieg ist da.“
Ganz sachlich erzählt der Tänzer das, der seit Anfang Januar 2023 im Ballett Kiel tanzt, einer von drei Mitgliedern des Kiewer Nationalballetts, die die Compagnie aufgenommen hat. Natürlich denkt der 32‑Jährige viel an die Ukraine, die Wohnung in Kiew, in der seit März 2022 schon Flüchtlinge aus dem besetzen Donbass-Gebiet leben, wo er auch selbst geboren und aufgewachsen ist. Er vermisst die Eltern („Die sind sicher!“) und Yorkshire-Terrier Juliet, die sich in Kiew noch von einer Operation erholt.
Von Flucht, Hoffnung und einem neuen Leben in Deutschland
Ein Jahr lang steht die Zeit für unzählige Ukrainerinnen und Ukrainer still. Einige können trotzdem schon wieder Hoffnung für die Zukunft schöpfen.
© Quelle: RND
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Ukrainischer Soldat in deutscher Klinik: „Wir müssen Russland besiegen“
Anatoly Kaliman gehörte zu einem Aufklärungstrupp und wurde kurz nach der russischen Invasion durch eine Granate verletzt. Mehr als 30-mal wurde der Ukrainer bereits operiert und wartet in Deutschland nun auf eine künstliche Hüfte. Anschließend will der 23-Jährige wieder zurück zum Militär.
Er hat auch überlegt, zum Militär zu gehen. „Aber meine Waffe ist die Kunst, der Tanz“, sagt er. Weil Oper und Ballett in Kiew sofort geschlossen wurden, sind die Tänzer zunächst weltweit auf Tournee gegangen. „In Orlando haben wir 800.000 Dollar gesammelt“, sagt er und klingt immer noch ein bisschen ungläubig. „Wir wollten eine kulturelle Frontline öffnen. Es ging uns darum, auf das Land und Putins Krieg aufmerksam zu machen.“
Ruth Bender über Vitalii Netrunenko, der nun in Kiel lebt
„Seit wir vor dem Krieg geflüchtet sind, träume ich nicht mehr“: Mariya Maksymenko und Mutter Snezhana Maksymenko
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Snezhana Maksymenko (50) und ihre Tochter Mariya (12)
© Quelle: Irina Kirilenko
Mariya: „Seit wir vor dem Krieg geflüchtet sind, träume ich nicht mehr. Bin ich wütend? Ich bin vor allem traurig. Ich vermisse meine Freunde, ich vermisse meinen Vater und meinen Hund. Ich wünsche mir mein ganz normales Familienleben zurück.
Am letzten Sonntag vor dem Krieg war ich mit dem Hund und mit meinen Freunden spazieren. Ich wollte noch viel länger draußen bleiben, aber Mama hat gesagt, ich müsse noch Schulaufgaben machen. Hätte ich doch nicht auf sie gehört und wäre bei meinen Freunden geblieben! Ich konnte mich von ihnen nicht verabschieden.
Viele Pläne, die ich hatte, sind kaputt. Ich singe und hätte am 25. Februar einen großen Auftritt gehabt, auf den ich mich lange vorbereitet habe. Auch aus dem Sommerferienlager an den Schazker Seen ist nichts geworden, aus unserem Urlaub in Spanien (…) Das Schlimmste aber ist, dass ich Angst habe, die Ukraine zu vergessen, gerade die guten Dinge. Ich bin hin- und hergerissen. Ich möchte so gern nach Hause zurück. Aber ich weiß, dass ich hier in Deutschland bessere Perspektiven habe.“
Mariya Maksymenko floh zusammen mit ihrer Mutter nach Potsdam – aufgezeichnet von Ildiko Röd
„Ich kann nicht zurück, ohne zum Militär zu müssen“: Oleh Vlasenko wollte eigentlich nur seine Oma in Potsdam besuchen
Besuchte seine Oma in Potsdam und kann nun nicht mehr zurück: Oleh Vlasenko (21) aus Kiew.
© Quelle: Julius Frick
„Ich hatte in Kiew viele Pläne, was ich in der Ukraine mit meinem Leben anfangen wollte, studierte Jura und arbeitete nebenbei für die Firma meiner Familie – sie vermietet Touristenwohnungen. Jetzt ist meine akademische Karriere abgebrochen, ich arbeite 40 Stunden pro Woche in der Potsdamer Biosphäre im Café und in der Flüchtlingsunterkunft.
Mithilfe einer App versuche ich, Deutsch zu lernen, kann mich mit den Gästen im Kaffee verständigen. Aber es ist kompliziert. Am 24. Februar 2022 war ich in Potsdam zu Besuch bei meiner Oma, sie hatte eine Vorahnung. Jetzt kann ich nicht zurück, ohne zum Militär zu müssen. Derzeit kann ich gar nicht zurück zu meiner Familie.
Oleh Vlasenko, der in Potsdam lebt – porträtiert von Ulrich Wangemann
„Wir hatten pure, animalische Angst“: Tamara Kalytska ist mit ihrer Familie aus Odessa geflohen
17.02.2023, Göttingen: Tamara Kalytska. Foto: Swen Pförtner
© Quelle: Swen Pförtner
„Um vier Uhr morgens weckten uns die Explosionen. Wir hatten pure, animalische Angst, dass Streumunition das Fenster im zwölften Stock unseres Hostels trifft. Mein Mann Serii, mein zwölfjähriger Sohn und ich waren bereit, Odessa jederzeit zu verlassen. Nicht einmal unsere Schlafanzüge trugen wir nachts. Am 26. Februar überquerten wir die Grenze. Einen einzigen Tag später hätten sie Serii nicht aus dem Land gelassen. Er hätte zur Armee gemusst.
Auf der Flucht bin ich seit acht Jahren. Es gibt bei uns die Redewendung „aus Koffern leben“ – das taten wir, seit die Russen in meiner Heimatstadt Donezk eine Volksrepublik ausgerufen hatten. Ich ließ alles, was ich besaß, zurück. Schon länger wollten wir nach Deutschland auswandern, die Heimat von Seriis Großmutter. Aber vielleicht in fünf Jahren, nicht so plötzlich. Früher hatte ich einen guten Job als Englischlehrerin.
Hier muss ich erst besser Deutsch lernen, um wieder zu unterrichten. Mein Mann hat bereits Arbeit gefunden. Denn von Sozialleistungen zu leben sind wir nicht gewohnt. Göttingen haben wir uns nicht ausgesucht, doch wir sind froh, hier gelandet zu sein. Zurück will ich nicht. Das wäre eine Sackgasse. Ich bin sicher: Russland wird sich nicht mit der Ukraine zufriedengeben, sich immer weiter ausbreiten – wie ein Krebsgeschwür.“
Tamara Kalytska floh aus Odessa und kam in Göttingen unter – aufgezeichnet von Elena Everding
„Wir läuten jeden Tag Punkt 12 Uhr diese Glocken als unser Friedensgeläut“: Robert Pfeifer ist Pastor in Lübeck und setzt jeden Tag ein Zeichen
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Robert Pfeifer steht vor der Marienkirche. Friedensglocken l�uten seit einem Jahr, 14.02.23
© Quelle: Agentur 54�
„Seit dem Tag, an dem der Krieg begann, läuten wir hier in Lübecks Marienkirche die sogenannten Friedensglocken. Das sind drei Glocken im Nordturm unserer Kirche, die eine ganz besondere Geschichte haben: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie vom Hamburger Glockenfriedhof gerettet. Im Rahmen der sogenannten Metallmobilmachung waren sie im Krieg aus Danziger Kirchen herausgenommen worden – sie sollten für Waffen eingeschmolzen werden.
Dazu ist es zum Glück nicht gekommen! Diese Glocken haben den Weg nach Lübeck gefunden und sind seitdem ein tolles, ein wichtiges Zeichen für die Menschen, die nach Lübeck geflüchtet sind. Sie läuten für Frieden und Versöhnung. Und deswegen waren diese Glocken in Lübeck auch nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine ein besonders wichtiges Symbol. Wir läuten jeden Tag Punkt 12 Uhr diese Glocken als unser Friedensgeläut.“
Pastor Robert Pfeifer aus Lübeck – aufgezeichnet von Nick Vogler
„Mit Unparteilichkeit stellt man sich auf die Seite des Aggressors“: Mariana Yaremchyshyna stellte sich in Lubmin einer Pro-Russland-Demo entgegen
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Mariana Yaremchyshyna (28), Künstlerin in Lubmin.
© Quelle: Christian Roedel
Mariana Yaremchyshyna war auch vor dem 24. Februar 2022 ein politischer Mensch: Sie protestiert auf dem Euromaidan, streitet als Künstlerin für die Rechte der Frauen und Tierethik. Diese Nacht, als Putin russische Truppen in die Ukraine schickte, hat ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Ich hatte Panik, habe die ganze Nacht am Handy gesessen, sehr viel geweint.“ Mariana (28) lebt zu diesem Zeitpunkt bereits in Greifswald. Der Liebe wegen.
Die Deutschen habe sie vor dem Krieg als nachdenklich, abwägend erlebt. Das gefiel ihr. Der Krieg aber hat ihr die hässliche Seite von einem Teil der Deutschen gezeigt. Einer prorussischen Demo in Lubmin, wo Tausende lautstark die Öffnung der Nord-Stream-Pipeline fordern, stellt sie sich im September mit stummem Protest entgegen. Mariana und zwei Mitstreiterinnen kleben sich Tape auf den Mund, halten Schilder hoch. „Russia ist a terrorist state.“ Dafür werden sie beschimpft, angepöbelt, weggedrängt, bedroht.
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Hauptstadt-Radar
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Ihr Onkel, ein russischer Militär, empfindet keine Empathie. „Schade, dass ihr nicht auf der Straße getötet wurdet“, sagt er über Marianas Engagement, die Freiheit der Ukraine zu verteidigen. Mariana aber ist überzeugt. Über die deutsche Nachdenklichkeit, die sie früher so mochte, urteilt sie heute anders: „Nachdenklichkeit, wenn sie in Bedenkenträgerei endet, führt zu Unparteilichkeit. Mit Unparteilichkeit stellt man sich auf die Seite des Aggressors.“
Dr. Martina Rathke über Mariana Yaremchyshyna aus Lubmin
„Die Leute sind froh, hier zu sein“: Bürgermeister Klaus Hermann über die Ankunft der Geflüchteten
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Klaus Hermann, Bürgermeister der Gemeinde Treben, hat vor einem Jahr den ersten Bus aus der Ukraine im Landkreis erhalten Foto: Mario Jahn
© Quelle: Mario Jahn
Am 29. März stand da der Bus auf dem Hof des Ritterguts in Treben, einer kleinen Gemeinde im Norden des Altenburger Landes. „Und das zwei Stunden früher als angekündigt“, erinnert sich Klaus Hermann. Er ist der Bürgermeister der Gemeinde und der erste im Landkreis, der einen guten Monat nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine mit den unmittelbaren Folgen direkt konfrontiert war.
„Im Bus saßen 45 Flüchtlinge, von denen einige direkt weitergereist sind – der Rest blieb da.“ Es sei eine besondere und herausfordernde Situation gewesen. „Wir konnten aber dennoch auf die Schnelle einiges vorbereiten, Betten organisieren und einen Container mit sanitären Einrichtungen aufstellen. Entscheidend war, dass wir über eine benachbarte Gärtnerei einen Dolmetscher fanden. Ohne den wäre die Sprachbarriere unüberwindbar gewesen.“
Spontane Hilfe sei generell das beste Mittel in dieser für alle unerwarteten Situation gewesen. „Um die Leute zu versorgen, habe ich spontan Pizza und Pasta für alle bestellt – die Menschen mussten nach dieser langen Flucht ja etwas essen“, erinnert sich der 61‑jährige Ortschef. In den ersten Wochen nach der Ankunft habe man die Gäste bei Behördengänge begleitet, heute sind alle Geflüchteten in Treben und den Ortsteilen untergekommen. Hermann: „Klar gab es auch mal Reibereien: Wo fast nur ältere Menschen wohnen, war mit 18 Kindern plötzlich Leben in der Bude. Wir haben oft vermittelt, über Hausordnung und Zusammenleben aufgeklärt. Inzwischen hat sich vieles eingespielt, und die Leute sind froh, hier zu sein.“
Thomas Lieb über Bürgermeister Klaus Herrmann aus Treben (Thüringen)
„Ich kann sagen, ich bin glücklich“: Tetiana Bieliaieva flüchtete aus Kiew nach Dresden
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Tetiana Bieliaieva, aus dem Krieg geflüchtete Ukrainerin, wohnt heute in Dresden.
© Quelle: Robert Michael/dpa
„Seit Kriegsbeginn habe ich viel Angst, Verzweiflung und Wut erlebt. Ich hätte nie gedacht, dass unsere russischen Nachbarn so grausam sein können. Noch am 24. Februar habe ich entschieden, unsere Heimat Kiew mit meinen beiden jüngsten Söhnen zu verlassen.
Das war hart, aber ich wusste, ich muss sie beschützen. Wir hatten keine Ahnung, was uns hier erwarten würde. Aber wir haben viele tolle Menschen getroffen, von den Helfern an der Grenze über die Familie, bei der wir untergekommen sind, bis zur TU‑Professorin Anke Langner, über die ich meinen ersten Job gefunden habe.
Heute unterrichte ich an der Universitätsschule ukrainische Schüler. Ich kann sagen, ich bin glücklich. Denn ich habe den richtigen Platz für mich gefunden.“
Tetiana Bieliaieva lebt heute in Dresden – aufgezeichnet von Laura Catoni