Durch humanitäre Korridore: Zivilisten verlassen ukrainische Stadt Sumy
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Menschen überqueren einen improvisierten Weg unter einer zerstörten Brücke auf der Flucht aus der Stadt Irpin in der Nähe von Kiew.
© Quelle: Efrem Lukatsky/AP/dpa
Lwiw. Eine Feuerpause hat am Dienstag die Evakuierung von Zivilisten aus der ukrainischen Stadt Sumy ermöglicht. Videoaufnahmen der Kommunikationsbehörde zeigten Busse, die über eine verschneite Straße die Stadt im Nordosten des Landes verließen. Ihr Ziel sei die Stadt Poltawa, teilte die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk mit. Die russische Seite hatte fünf sogenannte sichere Korridore für Zivilisten zugesagt, die mit Ausnahme von Sumy Beobachtern zufolge kaum genutzt wurden.
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Geplant war auch eine Evakuierung aus der Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Busse mit Symbolen des Roten Kreuzes sollten Wasser, Grundnahrungsmittel und Medikamente zum Hafen bringen. Von ukrainischer Seite hieß es, die Fahrzeuge sollten dann Zivilisten aus der Stadt bringen. Das sei mit den Russen so vereinbart worden. Wenig später wurde gemeldet, dass die Busse unterwegs seien. Allerdings teilte dann das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit, es sei über einen Beschuss der Fluchtroute informiert worden.
Der stellvertretende Bürgermeister von Mariupol sagte, Russland beschieße die Sammelplätze für Zivilisten. „Daher können wir im Moment keine dauerhafte Waffenruhe und keine Sicherheitsroute einrichten“, sagte Serhiy Orlow dem Rundfunksender BBC. Einige Routen seien blockiert, andere vermint. Die Stadt ist seit Tagen ohne Wasser, Strom und Telefon. Der Gouverneur der Region Kiew, Oleksij Kuleba, sagte, es würden auch Vorkehrungen zur Evakuierung der Menschen aus dem Vorort Irpin getroffen.
Nato: Fliehende Zivilisten könnten erschossen worden sein
Selenskyj forderte eine Ausweitung der sogenannten sicheren Korridore für flüchtende Zivilisten. In einer Videoansprache sagte er, es seien zwar Busse nach Mariupol geschickt worden, es sei jedoch keine feste Route vereinbart worden. „Die Russen können unterwegs einfach auf diesen Transport schießen“, erklärte er. Später veröffentlichte er ein Video, das ihn in der Nähe des Kiewer Präsidialamtes zeigte – offensichtlich ein Versuch, Zweifel über seinen Aufenthaltsort zu zerstreuen.
Die Nato teilte mit, ihr lägen glaubwürdige Berichte vor, wonach auf fliehende Zivilisten geschossen worden sei. Eine solche Tat stelle ein Kriegsverbrechen dar, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Die Zahl der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine stieg nach Angaben der UN auf zwei Millionen. Darunter seien mindestens 100.000 Menschen, die keinen ukrainischen Pass hätten, sagte eine Sprecherin der Internationalen Organisation für Migration der Vereinten Nationen, Safa Msehli, via Twitter. Das UN-Menschenrechtsbüro bestätigte den Tod von 474 Zivilisten in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar. Die Zahl der bestätigten verletzten Zivilisten lag bei 861. Das Hochkommissariat für Menschenrechte meldet nur solche Fälle, die es bestätigen kann. Die tatsächlichen Zahlen dürfen deutlich höher liegen.
USA verhängt Stopp für Öl-Lieferung aus Russland
In einem weiteren Versuch, den Druck auf Russland zu erhöhen, verhängt die US-Regierung nach Informationen der Nachrichtenagentur AP einen Importstopp für russisches Öl. Präsident Joe Biden habe sich wegen der russischen Invasion in die Ukraine zu diesem Schritt entschieden und werde ihn vermutlich noch am Dienstag offiziell bekanntgeben, verlautete vorab aus informierten Kreisen.
Russische Kampfflugzeuge bombardierten nach ukrainischen Angaben in der Nacht zum Dienstag mehrere Städte im Osten und im Zentrum des Landes. Außerdem seien Vororte der Hauptstadt Kiew beschossen worden, hieß es. In Sumy und Ochtyrka nahe der russischen Grenze seien Wohngebäude und ein Kraftwerk von Bomben getroffen worden, sagte der Chef der Regionalregierung, Dmytro Schiwitski. Es habe Tote und Verletzte gegeben.
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Ein ukrainischer Soldat versucht, die Menschenmenge aufzulösen, die am Bahnhof von Kiew in einen Zug nach Lwiw steigen will.
© Quelle: Emilio Morenatti/AP/dpa
Die westukrainische Stadt Lwiw bat um Hilfe bei der Unterbringung Zehntausender Binnenflüchtlinge. In der Stadt seien bereits mehr als 200.000 Vertriebene in Sporthallen, Schulen, Krankenhäusern und Kirchen untergekommen, sagte Bürgermeister Andrij Sadowyi. Falls humanitäre Korridore aus den Kampfgebieten geöffnet würden, sei mit mehreren Hunderttausend zusätzlichen Flüchtlingen zu rechnen.
Die diplomatischen Bemühungen um ein Ende der Gefechte dauerten unterdessen an. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kündigte an, er werde bei einem geplanten Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow am Donnerstag in der Türkei direkte Gespräche zwischen den Präsidenten beider Länder vorschlagen. Schließlich sei Putin derjenige, der die Entscheidungen treffe, sagte Kuleba im ukrainischen Fernsehen.
RND/AP