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Drogenbeauftragter über geplante Cannabisfreigabe: „Ein Ritt auf der Rasierklinge“

Burkhard Blienert ist neuer Drogenbeauftragter der Bundesregierung.

Burkhard Blienert ist neuer Drogenbeauftragter der Bundesregierung.

Berlin. Der SPD-Politiker Burkhard Blienert wurde am 12. Januar auf Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zum neuen Drogenbeauftragten der Bundesregierung ernannt. Der 55-Jährige war Bundestagsabgeordneter in der großen Koalition von 2013 bis 2017. In seiner Zeit als drogenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion hatte sich Blienert einen Namen gemacht, weil er als einer der ersten Sozialdemokraten für einen Kurswechsel seiner Partei in der Drogenpolitik eintrat und die Forderung nach einer Freigabe von Cannabis erhob.

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Herr Blienert, Sie gelten als Vorkämpfer für eine Cannabislegalisierung. Nun können Sie die Freigabe als Drogenbeauftragter maßgeblich mitbestimmen. Wie fühlt sich das für Sie an?

Es ist toll, dass ich jetzt das mitgestalten kann, wofür ich mich schon seit Jahren eingesetzt habe. Was wir vorhaben, ist ein echter Paradigmenwechsel in der Drogen- und Suchtpolitik. Mir geht es in meiner neuen Funktion um Schutz und Hilfe für die Konsumentinnen und Konsumenten und nicht um Strafe. Mit der kontrollierten und regulierten Abgabe von Cannabis in Deutschland werden wir europäische Geschichte schreiben. Denn als größtes EU-Land sind wir beispielgebend für andere Staaten. Ich gehe mit Spaß, aber auch mit großem Respekt und einer gewissen Demut an diese Aufgabe.

Lassen Sie uns konkret werden: Wann kann in Deutschland legal Cannabis gekauft werden?

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Das Thema ist extrem komplex und voller Fallstricke. Es macht keinen Sinn, jetzt die Legalisierung übers Knie zu brechen, wenn dann wenig später die Verkaufsstellen wieder schließen müssen, weil wir etwas vergessen haben. Das ist kein Gesetz, das man so einfach aus dem Ärmel schütteln kann. Es gibt aber schon zahlreiche Vorarbeiten, auf die wir aufbauen können, etwa der Entwurf der Grünen für ein Cannabiskontrollgesetz.

Aber noch einmal: Wann kommt die Legalisierung?

Wie gesagt, es geht zwar um die Freigabe in Deutschland. Aber im Ausland wird natürlich sehr genau beobachtet, was wir hier tun. Wenn wir wollen, dass es auch international zu einer neuen Drogenpolitik kommt, die mehr auf Gesundheitsschutz und Regulierung und weniger auf Repression setzt, dürfen wir uns keine Fehler erlauben. Deshalb muss mit vielen Beteiligten gesprochen und das Gesetz ordentlich ausgearbeitet werden.

Klar ist aber: Noch in dieser Wahlperiode soll es ein Gesetz geben, mit dem Cannabis für Erwachsene legal, aber kontrolliert und sicher in Deutschland zu kaufen sein wird. Das sagt der Koalitionsvertrag, und daran werden wir uns halten.

Auch in Ländern mit Cannabisfreigabe gibt es Regeln zum Beispiel für die erlaubten Besitzmengen. Was haben Sie hier für Vorstellungen?

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Eine Begrenzung ist nötig, denn es geht ja um den Eigenkonsum und nicht darum, Cannabis tütenweise aus den Geschäften zu tragen, um damit einen florierenden Handel für Dritte aufzubauen. Neben der Menge wird sicherlich auch die Wirkstoffkonzentration bei diesen Fragen eine Rolle spielen.

Die Legalisierung soll sich auch für den Staat lohnen: Schätzungen gehen von bis zu 2 Milliarden Euro an Steuereinnahmen aus. Ist das realistisch?

Ich warne vor übertriebenen Erwartungen. Es sollte nicht unser Ansatz sein, Cannabis primär zu legalisieren, um mehr Steuern einzunehmen. Das ist sekundär. Unser Ziel ist, die Gesundheit der Konsumenten zu schützen, Kinder und Jugendliche vom Konsum fernzuhalten, den Schwarzmarkt trocken zu legen. Dort kostet ein Gramm Cannabis je nach Region derzeit zwischen 10 und 12 Euro. Das Austrocknen des Schwarzmarktes gelingt uns nicht, wenn der Preis für legales Cannabis wegen der Besteuerung zu hoch ist.

Die richtige Balance zu finden, wird ein Ritt auf der Rasierklinge. Der Aufbau eines funktionierenden Marktes, der vorher illegal war, ist eine riesige Herausforderung und wird Zeit und Kraft in Anspruch nehmen.

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Woher soll das Cannabis kommen?

Die Sicherheit der Konsumentinnen und Konsumenten steht im Mittelpunkt. Ziel der Koalitionspartner ist es ja, dass die komplette Lieferkette transparent nachverfolgt werden kann – von der Pflanze bis zur Verkaufsstelle. Deshalb spricht vieles dafür, auch den Cannabisanbau in Deutschland unter strengen Regeln zu erlauben. Möglicherweise können wir beim Anbau auch andere europäische Länder einbeziehen. Jedenfalls dürfen wir nicht den Fehler der Niederlande wiederholen.

Was meinen Sie?

Unsere Nachbarn haben Cannabis legalisiert, ohne sich darum zu kümmern, wo der Stoff herkommt. Das hat die organisierte Kriminalität enorm gestärkt und zu einer erschütternden Eskalation der Gewalt geführt. Wir müssen – und werden – höllisch aufpassen, dass uns das nicht passiert.

Sie haben auch bei Heroin, Kokain und anderen illegalen Drogen für einen Richtungswechsel plädiert. Wie soll der aussehen?

Wir dürfen die Suchtkranken nicht mit ihren Problemen allein lassen. Hier möchte ich, dass nicht Repression, sondern Schutz und Hilfe für die Abhängigen im Vordergrund stehen. Das Strafrecht ist doch kein Medikament und keine Therapie. Wir müssen die Menschen stark machen und die gesundheitlichen Risiken der Sucht reduzieren. Deshalb unterstütze ich das Drug-Checking, also die Möglichkeit für Konsumenten, ihre Drogen analysieren zu lassen. Ich möchte von Anfang an klar machen, dass ich es ernst meine mit dem Richtungswechsel.

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Zur legalen Droge Tabak. Sind Sie für weitere Steuererhöhungen?

Die von der Vorgängerregierung beschlossenen sehr kleinen Schritte bei der Erhöhung der Tabaksteuer helfen meiner Meinung nach nur wenig, um den Konsum zu senken. Die Fachwelt ist sich einig, dass Preiserhöhungen mit die wirksamste Methode sind, um die Menschen vom Rauchen abzubringen.

Sollte es weitere Beschränkungen bei Werbung und Marketing geben?

Hier haben wir gegenüber anderen Staaten noch immer erheblichen Nachholbedarf. Wir müssen alle Instrumente nutzen und lieber mehr als zu wenig regulieren. Dazu gehört ein ehrlicher Blick auf den Istzustand. Wir sollten uns anschauen, ob und wie Werbung noch möglich ist, ob neutrale Einheitsverpackungen realistisch sind. Die Zahl von 127.000 Tabaktoten pro Jahr ist nicht akzeptabel. Und hier reden wir nicht nur über Tabak, sondern auch über Alkohol mit jährlich 20.000 Toten.

Das Onlineglücksspiel wurde durch die Bundesländer legalisiert, es wird massiv dafür geworben, aber die geplante Kontrollbehörde arbeitet noch nicht. Was werden Sie tun?

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Das ist ein Wildwuchs auf Kosten der Betroffenen. Es sind die Spielsüchtigen, die die Geschäfte am Laufen halten. Sie werden von der Branche regelrecht gemolken und nicht selten in die Überschuldung getrieben. Deshalb werde ich mich als Drogenbeauftragter des Bundes hier nicht zurückhalten und die Länder in die Pflicht nehmen. So wie es gerade läuft, darf es nicht weitergehen.

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