Diskriminierung von Sinti und Roma: vergangenes Jahr 621 Übergriffe
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Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma.
© Quelle: IMAGO/epd
Berlin. Sinti und Roma wurden im vergangenen Jahr 621 Mal rassistisch angegangen. Dies geht aus dem ersten Jahresbericht zu antiziganistischen Vorfällen des Melde- und Informationszentrum Antiziganismus (MIA) hervor. Demnach handele es sich bei 343 Fällen um Diskriminierungen, danach folgten 245 verbale Stereotypisierungen. MIA zählte auch 17 Angriffe, elf Bedrohungen und einen Fall von extremer Gewalt.
Guillermo Ruiz Torres, Leiter des MIA, sagte: „Die Dunkelziffer ist aber enorm. Wir sind noch am Anfang, unsere Strukturen aufzubauen.“ Derzeit gibt es fünf regionale Meldestellen in Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen.
Meldestelle Antiziganismus: „Wir sind noch am Anfang, unsere Strukturen aufzubauen“
Der Bericht zeige dennoch deutlich „die Gefahren des zunehmenden Nationalismus und Rechtsextremismus auf, der auch wieder mit Aggression und Gewalt gegen Sinti und Roma, Juden und anderen Minderheiten auftritt“, sagte Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Sinti und Roma.
Sinti und Roma machten vor allem im Alltag Erfahrungen mit Antiziganismus. So berichtete Torres von einem zwölfjährigen Mädchen, das von einer Mitschülerin erst als „dreckige Zigeunerin“ beleidigt und anschließend an den Haaren über den Schulhof gezerrt worden sei. „Die Lehrkraft guckte weg und sagte später zu dem Mädchen, dass sie sich nicht so anstellen solle“, erzählte Torres.
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Für besonders alarmierend hält Mehmet Daimagüler, Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus, die 119 Vorfälle von Antiziganismus in Behörden. „Auf der Straße ist Antiziganismus schlimm, in Behörden ist dies nicht akzeptabel“, sagte er. So verweigere das Jobcenter Sinti und Roma Leistungen. Auch die Polizei betreibe Racial Profiling, vernachlässige die Aufklärung von Straftaten mit antiziganistischem Hintergrund bis hin zur Täter-Opfer-Umkehr.
Zwölfjähriger von Polizei in Handschellen abgeführt
So berichtete Daimagüler von einem Zwölfjährigem, der von der Polizei in Singen mit Handschellen abgeführt wurde und dem die Beamten vielerlei Vorwürfe machten, ohne dass einer dieser Vorwürfe der Wahrheit entsprochen hätte. „Die vier Beamten wurden bestraft, aber bis heute hat sich niemand bei dem Jungen entschuldigt“, sagte Daimagüler.
Auch wegen des Misstrauens gegenüber der Polizei hatte die Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma jahrelang dafür gekämpft, dass eine unabhängige Organisation die antiziganistischen Vorfälle aufnimmt. Bisher gab es eine polizeiliche Statistik. Daimagüler sagte: „Als Anwalt kam mir die Statistik der Polizei immer viel zu niedrig vor. Die geradezu lächerlich geringen Fallzahlen können unmöglich wiedergeben, was Menschen aus der Minderheit regelmäßig widerfährt.“
Die geringen Zahlen könnten darin begründet werden, so Daimagüler weiter, dass die Sinti und Roma wenig Vertrauen in die Polizei hätten und Vorfälle nicht anzeigten. Daher sei es für die Sinti und Roma wichtig, dass mit MIA eine zivilgesellschaftliche Organisation die Zahlen sammelt und veröffentlicht. Für ein vollständigeres Bild nimmt das MIA auch Vorfälle auf, die unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen.