Will die junge Generation anhören

Verteidigungsminister Pistorius hält Diskussion um allgemeine Dienstpflicht für „wertvoll“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) informiert sich beim Panzerbataillon 203 in Augustdorf über die Leistungsfähigkeit des Kampfpanzer Leopard 2. (Archivbild)

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) informiert sich beim Panzerbataillon 203 in Augustdorf über die Leistungsfähigkeit des Kampfpanzer Leopard 2. (Archivbild)

Berlin. Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht in Deutschland zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten.

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Für eine politische Meinungsbildung in dieser Frage müsse aber die Stimme der jüngeren Menschen gehört werden, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Ich habe mich ausdrücklich nicht für die Reaktivierung der Wehrpflicht ausgesprochen“, betonte er. Vielmehr halte er die Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht „für wertvoll“.

Verteidigungsminister Pistorius: 100 Milliarden für die Bundeswehr reichen nicht
Boris Pistorius Meets Tilvar In Berlin Federal Minister of Defence Boris Pistorius receives his Romanian counterpart Angel Tilvar with military honours for his inaugural visit at the Bender Block on 27 January 2023 in Berlin, Germany. Berlin Germany PUBLICATIONxNOTxINxFRA Copyright: xChristianxMarquardtx originalFilename: marquardt-83sitzun230127_npolq.jpg

Verteidigungsminister Pistorius hält den Finanzbedarf der Bundeswehr durch den im vergangenen Jahr aufgelegten 100-Milliarden-Euro-Sondertopf nicht für gedeckt.

Wehrpflicht in Deutschland seit 2011 ausgesetzt

Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. Der russische Angriff auf die Ukraine hatte zuletzt wiederholt eine Debatte um diese Frage ausgelöst.

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Nach verbreitetem Verständnis wird unter dem Begriff einer allgemeinen Dienstpflicht verstanden, dass Bürger für eine gewisse Zeit einen Dienst für die Allgemeinheit leisten. Dabei könnte die Bundeswehr dann eine Option neben anderen Tätigkeiten etwa im sozialen Bereich sein.

Pistorius: Wehrpflicht könnte Wertschätzung für staatliche Institutionen erhöhen

Als 62-Jähriger sei er zurückhaltend, „einer Generation, die sowieso schon eine schwierige Zukunft vor sich hat, jetzt mal eben so eine allgemeine Dienstpflicht aufzubürden“, sagte Pistorius. „Was aus meiner Sicht dafür spräche? In den vergangenen Monaten ist der Eindruck entstanden, dass manche nicht die nötige Wertschätzung für Feuerwehr und Rotes Kreuz, Polizei und Bundeswehr aufbringen. Die allgemeine Dienstpflicht könnte helfen, die Menschen und die staatliche Organisationen wieder ein Stück näher zusammenzubringen“, sagte er. „Sie könnte vor Augen führen, wie wichtig diese Einrichtungen für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind.“

Pistorius äußerte sich überzeugt, dass Verteidigungsbereitschaft einerseits und Zivilschutz und Katastrophenhilfe andererseits zusammengedacht werden müssten. „Deutschland hat den Bereich Zivilschutz und Katastrophenhilfe zu lange nicht in ausreichendem Maß beachtet. Es fehlte lange an Geld für die Katastrophenhilfe, für Fahrzeuge und Ausrüstung. Alle hofften, dass man es nie braucht“, sagte er. Ähnlich wie bei der Verteidigung gelte: „Die Kosten sind hoch, ohne dass man den langfristigen Nutzen unmittelbar wahrnimmt.“

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„Wir müssen volle Verteidigungsfähigkeit einerseits und Unterstützung eines angegriffenen Landes wie der Ukraine anderseits gewährleisten. Das ist jetzt die große Herausforderung. Und da darf man sich nichts vormachen, das lässt sich nicht über Nacht regeln.“

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD)

Pistorius, der zuvor Landesinnenminister in Niedersachsen war, hatte in der vergangenen Woche die ukrainische Stadt Kiew besucht und sich dort über die militärische Lage und auch die Abwehr von russischen Angriffen auf die zivile Infrastruktur des Landes informiert.

FDP-Politiker haben Bedenken

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat rechtliche und politische Bedenken gegen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht. „Gerade die junge Generation war in den letzten Jahren durch die Corona-Pandemie über die Maßen belastet“, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Die Diskussion um die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht halte er daher für „völlig verfehlt“. Er fügte hinzu: „Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen an einer solchen Pflicht ernsthafte Zweifel.“

Es gebe zwar viele gute Gründe, sich in diesen Zeiten zu engagieren, bei den Rettungsdiensten, im Katastrophenschutz oder bei der Bundeswehr, räumte der Justizminister ein. Dies täten Millionen Menschen in Deutschland jedoch aus Überzeugung - und nicht aus Zwang. So sollte es seiner Ansicht nach auch bleiben.

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Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Johannes Vogel, hält eine Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht für irreführend. „Eine Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht ist verfassungsrechtlich noch weniger haltbar als die über eine Reaktivierung Wehrpflicht - und beides führt in die Irre“, sagte Vogel am Mittwoch. Zuvor hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) der Deutschen Presse-Agentur gesagt, er halte eine Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht für wertvoll.

Vogel hält eine allgemeine Dienstpflicht für falsch gegenüber der jüngeren Generation. Er begründete das mit „ihrem außerordentlichen Beitrag in der Corona-Pandemie“. „Und es stünde uns zweitens bei der Modernisierung unserer Streitkräfte und der Profi-Bundeswehr, die wir brauchen, sogar im Weg.“

Boris Pistorius hält nichts von Rufen nach „Kriegswirtschaft“

„Wir müssen volle Verteidigungsfähigkeit einerseits und Unterstützung eines angegriffenen Landes wie der Ukraine anderseits gewährleisten. Das ist jetzt die große Herausforderung. Und da darf man sich nichts vormachen, das lässt sich nicht über Nacht regeln“, sagte er. „Klar ist, dass die Bundeswehr besser ausgestattet werden muss. Das bedeutet nicht nur die Einsicht, dass das Sondervermögen nicht ausreichen wird, sondern auch, dass der Verteidigungshaushalt erhöht werden muss. Denn die laufenden Kosten steigen auch mit der Zeitenwende, mit jedem Waffensystem, das angeschafft wird, durch die Unterhaltungskosten.“

Pistorius ist aber nicht dafür, für das Hochfahren der eigenen Rüstungsindustrie mit Begriffen wie dem Konzept einer Kriegswirtschaft zu arbeiten. „Es geht nicht um Kriegswirtschaft, also nicht um eine Wirtschaft, die vom Staat auf die Führung eines Krieges vorbereitet oder ausgerichtet wird. Vielmehr geht es um Verteidigungsfähigkeit“, sagte er. „Die Industrie hat ein Interesse daran, Verlässlichkeit und Planungssicherheit zu bekommen - sowohl was die Abnahme durch die Bundeswehr betrifft als auch auf die Möglichkeit zu exportieren. Klar ist auch: Wir haben ein Interesse daran, dass wir prioritär behandelt werden, wenn wir etwas bestellen. Wir brauchen Planungssicherheit. Ich arbeite derzeit mit aller Kraft daran, die Beschaffung im engen Austausch mit der Rüstungsindustrie zu beschleunigen.“

RND/dpa

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