Die Telefonzelle sagt leise Servus
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Früher waren Telefonzellen wichtig, heute haben sie nostalgischen Wert.
© Quelle: Markus Decker
Berlin. Wer früher Ferngespräche führen wollte, der musste viel Bargeld mitbringen – jedenfalls in eine Telefonzelle. Dies galt umso mehr, wenn er sich im Ausland aufhielt und, sagen wir während eines Interrail-Urlaubs, schnell mal den Eltern Bescheid sagen wollte, dass er noch lebt. Da ratterten die Münzen im Eiltempo durch den Apparat. Auch gab es den im Zeitalter der allgemeinen akustischen Belästigung völlig absurd erscheinenden Werbespruch: "Ruf doch mal an!"
Wichtig waren die Zellen bei medizinischen Notfällen – und der Wohnungssuche. Da standen Studenten und andere Bedürftige bisweilen freitagsabends vor den Zeitungsausgabestellen, um im Anzeigenteil eine erschwingliche Immobilie zu erspähen. Verwandte oder Freunde blockierten eine Zelle für den fälligen Anruf beim Vermieter. Alles vorbei.
Alles vorbei? Nicht ganz. Angesichts von Smartphones und der Tatsache, dass man selbst in Kirchen vor Telefongesprächen und Selfies nicht mehr sicher ist, ist die Zahl der Zellen in Deutschland zwar drastisch gesunken. 1992 betrieb die Telekom 120 000 der einst durchweg gelben Häuschen, wie ein Sprecher des Unternehmens mitteilte.
2006 gab es noch 110 000 öffentliche Münz- und Kartentelefonstellen, wie das Statistische Bundesamt sie nennt, und 2017 lediglich 23000. Jetzt sind es laut Telekom 17 000. Das sind kaum mehr als 14 Prozent des ursprünglichen Bestandes. „Statistisch gesehen hat jeder Deutsche mindestens einen Hausanschluss und ein Handy“, sagt der Telekom-Sprecher. „Die Notwendigkeit für öffentliche Telefonzellen hat dementsprechend abgenommen.“ Einerseits.
Die gelben Häuschen sind ausverkauft
Andererseits sind 17 000 Zellen nach wie vor noch eine Menge, wenn man sich vor Augen führt, dass sogar die Digitalisierung von Senioren unaufhaltsam voranschreitet. Es gibt der Telekom zufolge denn auch „immer noch Orte mit einer hohen Nutzung, etwa Flughäfen oder Bahnhöfe“.
Das wiederum ändert nichts daran, dass die Telefonzelle zu den aussterbenden Arten zählt. Wer möchte, kann sich eine alte Zelle kaufen. Je nach Typ und Zustand kosten sie 600 Euro und mehr; die Kosten für den Transport kommen obendrauf. Dabei sind die berühmten gelben Exemplare längst vergeben. Was die Telekom nicht verkaufen kann, schlachtet sie aus.
Wem da das Herz schwer wird, der kann gegensteuern. Eine Zelle, die monatlich weniger als 50 Euro einspielt, gilt nämlich nach Einschätzung der Telekom als „extrem unwirtschaftlich“ und als Beleg dafür, dass „der Wunsch nach einer Grundversorgung durch die Bevölkerung an dieser Stelle offensichtlich nicht mehr besteht“. Das gute Stück kann dann im Einvernehmen mit der Stadt, in der sie klaglos ihren Dienst versieht, demontiert werden.
Also: Einfach mal ne Münze reinschmeißen in den alten Apparat, der nicht mehr so kann, wie er will! Er wird es Ihnen danken.
Von Markus Decker/RND