Die Stasi-Unterlagen-Behörde hat sich überlebt

Der scheidende Behördenleiter Roland Jahn in der ehemaligen Stasizentrale in Berlin-Lichtenberg.

Der scheidende Behördenleiter Roland Jahn in der ehemaligen Stasizentrale in Berlin-Lichtenberg.

In den Neunzigerjahren waren die Untaten des Ministeriums für Staatssicherheit ein heißes Thema. Plötzlich wurde sichtbar, in welchem Ausmaß der Geheimdienst der DDR Freund und Feind bespitzeln so wie bei Bedarf wegsperren ließ. Anschauungsmaterial liefert heute Belarus knapp 1000 Kilometer weiter östlich. So ähnlich ging es vor 1989 auch zu, besonders in der Frühphase des zweiten deutschen Staates.

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Am Donnerstag nun geht die Stasi-Unterlagen-Behörde, die mal 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatte, samt Akten ins Bundesarchiv über. Und sie tut es ziemlich sang- und klanglos. Außer einigen Bürgerrechtlern, deren biographischer Höhepunkt die Friedliche Revolution war, blutet keinem mehr das Herz. Medial spielt das Ende einer international einzigartigen Institution ebenfalls kaum eine Rolle.

Blutende Bürgerrechtlerherzen

Auch deshalb ist es richtig, die Akten für interessierte Bürger offen zu halten, die Behörde jedoch zu schließen. Für eine weitere Existenz hätte es ein größeres öffentliches Interesse geben müssen. Das ist, so profan es klingt, unter anderem eine finanzielle Frage – sprich: eine des sparsamen Umgangs mit Steuermitteln.

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Die Behörde hat ihren Zweck erfüllt. Die Stasiakten haben das Funktionieren der SED-Diktatur in Teilen offenbart und Verhältnisse zwischen Tätern und Opfern geklärt – sowie die erhebliche Grauzone dazwischen. Sie haben auch verhindert, dass die falschen Leute nach 1989 Karriere machen konnten. Leider haben die Enthüllungen im Westen der Republik mancherlei Voyeurismus bedient. Das ließ sich nicht vermeiden.

Autoritäre Hypothek

Anderseits hat das Motto des letzten Behördenchefs Roland Jahn „Je besser wir Diktatur begreifen, desto besser können wir Demokratie gestalten“ nicht gefruchtet. Es liegt nicht am engagierten Jahn, der sein Bestes gab. Aber es führt eben kein gerader Weg von der Aufarbeitung einer Diktatur ins gelobte Land der Demokratie. Das zeigen nicht allein die Wahlerfolge der AfD. Zu schwer lastet die Hypothek des Autoritarismus auf Ostdeutschland. Zu sehr auch weht dessen Geist derzeit durch die ganze Welt.

Der britische Historiker Timothy Garton Ash hat uns zu recht „Weltmeister der Aufarbeitung“ genannt. Aber auch jeder Weltmeister stößt an Grenzen.

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