Die Ignoranz gegenüber Ostdeutschland ist unverzeihlich
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Kanzlerin Angela Merkel in Afrika.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Erfurt. Am Mittwoch war das Geschrei groß. „Dammbruch“ tönte es aus allen Teilen der Republik in Richtung Thüringen. Und keine Geringere als Kanzlerin Angela Merkel sagte am Donnerstag im fernen Afrika, das informelle Bündnis aus CDU, FDP und AfD im Landtag zu Erfurt sei „unverzeihlich“.
Das alles ist gut und richtig so. Nur: Es kommt viel zu spät – zumal sich ein sattsam bekanntes Muster im Umgang mit politischen Ereignissen in Ostdeutschland wiederholt.
Nach den Ausschreitungen vor vorwiegend ostdeutschen Flüchtlingsunterkünften 2015 und danach gab es die erste Welle der Besorgnis über den Gang der Dinge in den ja gar nicht mehr neuen Ländern. Nach der Bundestagswahl 2017 mit den enormen Stimmenanteilen für die AfD folgte die zweite Welle. Die Lage wurde sorgsam analysiert. Man gelobte Besserung.
Ein vorläufig letztes Mal hat nahezu die gesamte politische Klasse die politische Relevanz der Revolte von rechts in Ostdeutschland für Gesamtdeutschland unterschätzt.
Im Vorfeld der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen 2019 konnte man zuweilen gar glauben, der Groschen sei gefallen. Keine der im Bundestag vertretenen Parteien, die sich nicht den Ostdeutschen und ihren Befindlichkeiten zugewandt hätte – mit Kongressen, Thesenpapieren, Interviews. Allein: Nach dem Urnengang in Thüringen war wieder Schluss damit.
Wieder einmal war der Groschen, der da angeblich gefallen war, offenbar nur ein parteitaktischer gewesen. Kaum ein Hahn krähte deshalb bis zum Dienstag im Berliner Regierungsviertel danach, wie die Wahl des Ministerpräsidenten im Thüringer Landtag wohl ausgehen werde. Jetzt ist der gesamtdeutsche Schaden eingetreten.
Ein vorläufig letztes Mal hat nahezu die gesamte politische Klasse die politische Relevanz der Revolte von rechts in Ostdeutschland für Gesamtdeutschland unterschätzt. Niemand hat sich gefragt, wie sich der Totalschaden von Erfurt hätte vermeiden lassen. Im Gegenteil. Das ist in der Tat unverzeihlich.