E-Paper
Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Bundesverkehrsminister Volker Wissing: netter Kerl und Punchingball

Volker Wissing (FDP) spricht.

Volker Wissing (FDP) auf einem grünen Sofa ist in ein Gespräch vertieft.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

eigentlich mögen sie den Volker Wissing bei den Grünen ganz gern. Der Bundesverkehrsminister von der FDP gilt als umgänglich. Marke: netter Kerl. Nein, der 52-Jährige aus Landau in der Pfalz ist keiner, mit dem man unnötig Streit anfängt. Umgekehrt gilt das auch: Wer Wissing ein bisschen kennt, der weiß, dass er unter den in der Bundespolitik üblichen harten Bandagen, die sein Parteifreund Wolfgang Kubicki auf die Spitze treibt, sogar eher leidet.

Trotzdem gibt es zwischen Wissing und den Grünen derzeit ziemlich viel Ärger. Und das hat einen ausschließlich sachlichen Grund. Folgt man dem Expertenrat für Klimafragen, den die Bundesregierung eingesetzt hat, dann hat Deutschland seine CO₂-Emissionen zwar zwischen 2000 und 2021 um 27 Prozent reduziert – der Verkehrssektor kam allerdings lediglich auf eine Reduktion von 18 Prozent. Um die Klimaziele des Jahres 2030 zu erreichen, müssten die Emissionen in diesem Sektor 14-mal so schnell sinken wie bisher. Nichts deutet daraufhin, dass sie im Verkehrsministerium Anstalten machen, das irgendwie zu bewerkstelligen.

So sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang in der vorigen Woche: „Wenn Deutschland seine Klimaziele zukünftig erreichen will, müssen alle Bereiche liefern: vor allem auch der Verkehrssektor. Bisher liegt aus dem Verkehrs­ministerium kein Vorschlag vor, wie das gelingen soll. Das muss sich jetzt schnell ändern.“ Lang regte an, mehr Geld in eine zuverlässige Bahn zu investieren oder das Dienstwagen­privileg abzuschaffen. Das grüne Steckenpferd Tempolimit ließ sie außen vor.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Der grüne Vizekanzler und Klimaschutzminister Robert Habeck hatte sich vorher ähnlich geäußert und den Verkehrssektor als „Sorgenkind“ bezeichnet. Das Wort könnte man auf den verantwortlichen Minister ebenfalls anwenden. Das tat Habeck nicht. Marke: netter Kerl.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (links, Bündnis90/Die Grünen) zusammen mit Verkehrsminister
Volker Wissing (FDP).

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (links, Bündnis90/Die Grünen) zusammen mit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Dafür kritisiert Lang den Mitkoalitionär Wissing mittlerweile regelmäßig. Er kommt den Grünen als Punchingball gelegen. Sie stehen in der Klimafrage nämlich selbst unter Druck, nicht zuletzt seitens der radikaleren Klimaschützer von Fridays for Future oder der Letzten Generation. Deutschland verfehlt seine Klimaziele ja nicht allein wegen des Verkehrssektors, sondern auch weil den Grünen aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine vorerst nichts anderes übrig bleibt, als auf Verstromung von Kohle und Gas zu setzen.

Der Verkehrsminister weiß sich zu wehren, und zwar durchaus schlitzohrig. So plädiert er seit Kurzem verstärkt dafür, über das Enddatum 15. April 2023 hinaus auf die Atomenergie zu setzen. Wissing sagt, dass der CO₂-freie Strom für all die neuen Elektroautos irgendwo herkommen müsse und spielt den Ball so zurück. Dabei hat er kaum eine andere Wahl, weil die Freie Demokratische Partei insgesamt eine ihrer vornehmsten Aufgaben darin sieht, sich von den Grünen abzusetzen.

Niemand solle wegen des Klimawandels auf irgendetwas verzichten müssen, heißt es. Stattdessen erwecken die Liberalen lieber den Eindruck, als ließen sich die herrschenden Klimaprobleme durch Innovation lösen. Das Zauberwort lautet: „Technologieoffenheit“. Dass bestimmte Innovationen wie die neuerdings wieder viel beschworene Kernfusion bestenfalls erst in Jahrzehnten greifen – egal.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Abgesehen davon, dass sich das Klimaschutz- und das Verkehrsministerium, die in direkter Nachbarschaft zueinander liegen, so oder so nicht sehr grün sind: Es steht politisch zu viel auf dem Spiel, als dass die Ökopartei den FDP-Minister wegen persönlicher Sympathien schonen dürfte. Perspektivisch gilt für die Grünen eher das Motto: „Sie können uns mal gernhaben!“

 

Bittere Wahrheit

„Die Schulen müssen sich an das halten, was der Rat für deutsche Rechtschreibung vorgibt. Sonst haben wir am Ende keine einheitliche Rechtschreibung mehr.“

Winfried Kretschmann,

grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg, zu seiner Ablehnung des Genderns in der Schule

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, nimmt an einem Interview teil.

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, nimmt an einem Interview teil.

Baden-Württembergs Ministerpräsident mag das Gendern nicht. „Es ist schon schlimm genug, dass so viele unserer Grundschüler nicht lesen können“, sagte Winfried Kretschmann jetzt der Deutschen Presse-Agentur zu Binnen-I und Doppelpunkt. „Man muss es denen nicht noch erschweren, indem man in der Schule Dinge schreibt, die man gar nicht spricht.“ Das Unbehagen hat Gründe. Zum einen scheiden sich am Gendern die Geister, lagerübergreifend. Zum anderen verspürt der Grünen-Politiker seit jeher große Lust, das idealistisch Überschießende in den eigenen Reihen gegen den Strich zu bürsten.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nur trifft hier die leicht veränderte Redewendung zu: Die größten Kritiker der Elche sind am Ende selber welche. So beklagt Kretschmann in dem erwähnten dpa-Interview zwar „merkwürdige Anglizismen“. Für die grenzüberschreitende Werbung greifen sie im Südwesten aber auf einen besonders merkwürdigen Anglizismus zurück. Sie nennen Baden-Württemberg „The Länd“.

Wie das Ausland auf die Lage schaut

Die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ kommentiert die Ukraine-Politik von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD):

„Wer gedacht hat, nach Angela Merkel, der Kanzlerin des Zögerns und Zauderns, könne unmöglich jemand kommen, der den Weltenlauf noch bedächtiger verfolgt, sieht sich getäuscht. Olaf Scholz, der Kanzler der Zeitlupe, übertrifft noch seine Vorgängerin. So wenig Initiative und Führungskraft gab es in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik noch nie. In einer Zeit des radikalen Umbruchs in Europa, wie jetzt durch Russlands Krieg gegen die Ukraine, sticht die Schwäche des Kanzlers besonders hervor.

Es sind die Polen und die Balten, die Europas Antwort auf das aggressive Russland Wladimir Putins formulieren, nicht Olaf Scholz. Es ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der den Anfang machte und die Lieferung von Panzern an die Ukraine ankündigte, nicht der deutsche Kanzler. Sieben Monate lang wehrte sich Scholz gegen die Übergabe von alten Schützenpanzern des Typs Marder. Seit Juni warteten sie, instandgesetzt, auf dem Werksgelände von Rheinmetall. Weniger ukrainische Soldaten wären gestorben, hätte sich Scholz rascher zur Lieferung entschieden. Von einer Zeitenwende hatte Scholz nach dem Kriegsausbruch gesprochen. Gewiss. Aber für diese Zeit ist er der falsche Mann.“

Die polnische Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ befasst sich mit der Amtsführung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht:

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„,Mitten in Europa tobt ein Krieg. Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen.‘ So hat Christine Lambrecht das ausgehende Jahr im Internet zusammengefasst. Als das Video veröffentlicht wurde, entlud sich Donner über Lambrecht. Die deutsche Opposition war besonders erbost darüber, dass sie das Schicksal der Ukrainer nicht erwähnte, die täglich bei den russischen Angriffen sterben. Es half Lambrecht auch nicht, dass während der Aufnahme Feuerwerkskörper gezündet wurden, deren Geräusch an die russischen Raketen erinnert, die auf ukrainische Städte fallen.

Deutsche Medien erinnern an frühere Image-Patzer der Ministerin. Als sie im vergangenen Frühjahr nach Norddeutschland flog, um eine Einheit der Bundeswehr zu besuchen, nahm sie an Bord des Bundeswehr-Hubschraubers ihren Sohn mit. Aber das ist nicht das Ende von Lambrechts Problemen. Mängel in der deutschen Armee sind ein Dauerthema, besonders bei der Munition, die seit Langem fehlt, aber das Ressort ist nicht in der Lage, ausreichende Mengen zu bestellen – wegen bürokratischer Hürden, wie die Rüstungsindustrie sagt.“

 

Das ist auch noch lesenswert

Wie der Osten über einen vorzeitigen Kohleausstieg streitet

Warum die Panzerwende der Bundesregierung etwas chaotisch verlief

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Was SPD-Chef Lars Klingbeil zur aktuellen politischen Lage sagt (+)

 

Das „Hauptstadt-Radar“ zum Hören

Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Donnerstag wieder. Dann berichtet meine Kollegin Eva Quadbeck. Bis dahin!

Herzlich

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Ihr Markus Decker

Sie möchten uns Ihre Meinung zu den aktuellen Themen und Diskussionen in diesem Newsletter mitteilen? Oder möchten Sie Lob, Kritik und Anregungen mit uns teilen? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an hauptstadt-radar@rnd.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten. Wenn Sie keine Veröffentlichung wünschen, teilen Sie uns dies bitte in Ihrer E-Mail mit.

 

Abonnieren Sie auch

Der Tag: Das Nachrichten-Briefing vom RedaktionsNetzwerk Deutschland. Jeden Morgen um 7 Uhr.

Unbezahlbar: Wertvolle Tipps und Hintergründe rund ums Geld – immer mittwochs.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Klima-Check: Erhalten Sie die wichtigsten News und Hintergründe rund um den Klimawandel – jeden Freitag neu.

Das Leben und wir: Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.

What‘s up, America? Der USA-Newsletter liefert Hintergründe zu den Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Kultur – jeden zweiten Dienstag.

Das Stream-Team: Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. – jeden Monat neu.

Mit RND.de, dem mobilen Nachrichtenangebot des Redaktions­Netzwerks Deutschland, dem mehr als 60 regionale Medienhäuser als Partner angehören, halten wir Sie immer auf dem neuesten Stand, geben Orientierung und ordnen komplexe Sachverhalte ein – mit einem Korrespondenten­Netzwerk in Deutschland und der Welt sowie Digitalexperten aller Bereiche.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken