Die Angst der Griechen vor Christian Lindner
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Der FDP-Chef Christian Lindner soll neuer Finanzminister der Ampelkoalition werden.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Athen. Was musste Wolfgang Schäuble wegen der harten Sparvorgaben für Griechenland nicht alles über sich ergehen lassen: Karikaturisten zeichneten ihn als Dracula, Zeitungen bildeten ihn in Fotomontagen als SS‑Soldaten ab, Demonstranten stellten für ihn auf dem Athener Syntagmaplatz einen symbolischen Galgen auf.
Lindner wollte die Griechen aus der Euro-Zone werfen
Seinem designierten Nachfolger Christian Lindner schlägt zwar kein Hass entgegen, aber Argwohn. Unvergessen ist in Griechenland, dass Lindner während der Schuldenkrise Schäuble vorwarf, er gehe zu nachsichtig mit den Griechen um. Der FDP-Politiker forderte damals, das Land aus der Euro-Zone hinauszuwerfen. Das war zwar auch Schäubles Plan. Er scheiterte aber am Einspruch von Kanzlerin Angela Merkel.
Zwar spricht inzwischen niemand mehr vom Grexit. Aber Lindner wird ein gewichtiges Wort mitzureden haben, wenn die Europäische Union in den kommenden Monaten über eine Reform des EU‑Stabilitätspaktes diskutiert. Griechenland wünscht sich mehr Flexibilität bei den Defizitregeln und eine Lockerung der Schuldenobergrenze. Sie liegt derzeit noch bei 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Griechenlands Schuldenquote beträgt aktuell 207 Prozent des BIP. Nach Berechnungen der EU-Kommission wird Griechenland frühestens 2060 die 60-Prozent-Marke erreichen.
Beobachter erwarten eine „Süd-Allianz“ der höchsten Verschuldung
Die Griechen sind allerdings nicht die einzigen, die eine Anhebung der Schuldenobergrenze fordern. Von den 27 EU‑Staaten halten aktuell nur 14 die Vorgabe des Stabilitätspakts ein. Ökonomen des Euro-Stabilitätsfonds ESM schlagen vor, die Grenze auf 100 Prozent des BIP anzuheben. Lindner gilt dagegen bei den Defizit- und Schuldenvorgaben als Verfechter eines strikten Stabilitätskurses. Auch von Eurobonds, also einer „Schuldenunion“, hält er nichts. Der designierte deutsche Finanzminister sei weniger proeuropäisch und in der Haushaltsdisziplin noch härter als Schäuble, fürchtet die Athener Zeitung „Kathimerini“.
Es könnte aber sein, dass Deutschlands Gewicht in der EU in der Nach-Merkel-Ära eher abnehmen wird und Länder wie Frankreich und Italien mehr Einfluss bekommen. Darauf dürfte auch Griechenland setzen. Beobachter erwarten, dass sich in der Debatte um die Reform des Stabilitätspakts eine „Süd-Allianz“ aus Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Zypern und Griechenland herausbilden wird. Gemeinsamer Nenner dieser Länder ist nicht nur die geografische Lage im Süden Europas. Es sind auch die sechs EU‑Staaten mit der höchsten Verschuldung.