Nach Silvestervideo: Lambrechts Zukunft hängt am seidenen Faden
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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) kurz vor Weihnachten bei einem Truppenbesuch in der Slowakei.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Die Einschläge kommen näher, jetzt auch aus dem Ausland. So schrieb die polnische Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ am Mittwoch über „die vielen Patzer“ von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Die „Neue Zürcher Zeitung“ nannte ihr Ansehen in der Öffentlichkeit „verheerend“.
Letzteres ist in Berlin längst Konsens. Das gilt spätestens, seitdem die SPD-Politikerin auf ihrem privaten Instagram-Kanal ein Video aus der Silvesternacht veröffentlichte, in dem sie – teilweise übertönt von lautem Feuerwerk – angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine sagte: „Mitten in Europa tobt ein Krieg. Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen.“
Längst steht daher die Frage im Raum, ob die Ministerin von Kanzler Olaf Scholz entlassen oder gar selbst zurücktreten wird. Denkbar ist auch eine Kabinettsumbildung – für den Fall, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser SPD-Spitzenkandidatin bei der hessischen Landtagswahl im Herbst werden sollte, womit allgemein gerechnet wird.
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Maue Solidaritätsadressen
Was Lambrecht angeht, fielen die Solidaritätsadressen am Mittwoch mau aus. Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte: „Der Kanzler arbeitet gut und vertrauensvoll mit allen Kabinettskolleginnen und ‑kollegen zusammen. Das gilt selbstverständlich auch für die angesprochene Ministerin.“ Berichte über eine Kabinettsumbildung seien spekulativ, fügte Büchner hinzu. Auf dieses Feld „möchte ich mich gar nicht vorwagen“.
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf Forderungen etwa des Unionsfraktionsvorsitzenden Friedrich Merz nach Lambrechts Ablösung: „Entscheidungen über die Besetzung des Kabinetts trifft nicht die Opposition, sondern die Koalition und ihr Kanzler. Und bei alldem, was bisher über Frau Lambrecht ausgeschüttet worden ist, kann ich mir vorstellen, dass sie großes Stehvermögen hat.“ Die Ministerin sei ohnehin in erster Linie „daran zu messen, wie wir unsere Bündnisverpflichtungen erfüllen und die Ausstattung der Bundeswehr voranbringen. Außerdem geht es um die weitere Unterstützung der Ukraine“, so Hellmich. „Wir tun ja so, als stünde das Silvestervideo im Vordergrund. Doch das ist nicht der Fall.“
Högl könnte folgen
Die entscheidende Frage lautet: Hat Lambrecht noch die nötige Restautorität, um zu bleiben – oder hat sie die nach zahlreichen Eskapaden nicht mehr? Nachfolgerinnen werden jedenfalls längst gehandelt. Als Favoritin gilt die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl. Die Sozialdemokratin amtiert seit 2020, kennt sich in der Truppe mittlerweile sehr gut aus und ist dort beliebt. Zudem kennt Högl auch den politischen Betrieb in- und auswendig, weiß also, wo Fallstricke liegen.
Als zweite mögliche Nachfolgerin wird die niedersächsische SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller gehandelt. Sie war verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion und ist jetzt Parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium. Nur sitzt die 39-Jährige erst seit 2017 im Parlament. Ob sie das Ministeramt im Kreuz hätte und es auch wollte, ist unklar.
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Selenskyj-Beraterin: „In der Ukraine gelten derzeit 15.000 Menschen als vermisst“
In der Ukraine gelten seit Kriegsbeginn 15.000 Menschen als vermisst. Als Ombudsfrau für die Rechte von Soldatinnen und Soldaten hilft Alona Werbizka den Angehörigen bei der Suche. Dabei trifft sie ständig auf Menschen, die psychologisch in sehr schwieriger Verfassung sind.
Die Entscheidung über Faesers Spitzenkandidatur in Hessen steht derweil unmittelbar bevor. Die Frage, ob sie in einem solchen Fall weiter Bundesinnenministerin sein könne, beantwortete Vizeregierungssprecher Büchner am Mittwoch so: „Juristisch schon; politisch ist es die Entscheidung der betroffenen Person.“ Sprich: Der Kanzler hält sich raus, zumindest offiziell.
Dabei hängen die Lambrecht- und die Faeser-Frage nicht allein zeitlich zusammen. Sie hängen auch deshalb zusammen, weil beide aus dem Landesverband Hessen kommen, das Kabinett paritätisch besetzt sein soll und Lambrecht bis zuletzt als eventuelle Faeser-Nachfolgerin galt.
Es kann also sein, dass der Kanzler bald mit zwei aus unterschiedlichen Gründen umstrittenen Ministerinnen weitermacht. Es kann aber genauso gut sein, dass er beide austauscht. In Kürze werden es alle wissen.