Deutsche Forscherin in Sydney: „Die Zerstörung ist sehr deprimierend"
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Ein ausgebranntes Haus - die Flammen des Buschfeuers haben einen kleinen Ort mit seinen rund 150 Häusern südwestlich von Sydney fast vollständig zerstört.
© Quelle: Mick Tsikas/AAP/dpa
Frau Meissner, wir haben im Dezember über die Buschbrände gesprochen. Nun hat sich die Lage seither weiter zugespitzt. Wie erleben Sie das?
Ich verfolge die Nachrichten mit Schrecken. Einige unserer Freunde waren direkt betroffen. Zum Beispiel war eine befreundete Familie vom Feuer eingeschlossen und konnte nicht mehr evakuiert werden. Wir haben dann stündlich mit ihnen getextet, während die Feuerfront vorbeizog. Die Fotos, die sie uns geschickt haben, waren unheimlich. So viele Menschen mussten evakuiert werden, manche haben alles verloren. Freunde von Freunden mussten mitten in der Nacht mit zwei kleinen Kindern fliehen. Der Vater ist noch schnell zurück ins Haus gerannt, um die Schuluniform der Tochter zu holen. Sie wird im Februar eingeschult und ist dementsprechend stolz auf ihre neue Uniform. Außer ihren Schlafanzügen und der Schuluniform hat diese Familie alles verloren, ihr Haus, ihre Fotos, ihre Bücher, ein Cello und einen Kontrabass, Spielzeug, Möbel, alles.
Wie steht es mit der Luftverschmutzung?
In Sydney ist die Luftqualität immer noch sehr schlecht. Der Großrechner in Canberra, auf dem wir unsere Klimamodelle integrieren, wurde wegen der Brände und Luftverschmutzung runtergefahren. Das Ferienhaus, das ich für nächste Woche für meine Familie gemietet hatte, ist leider vor ein paar Tagen abgebrannt. Mit ihm ist auch der ganze Flinders-Chase-Nationalpark auf Kangaroo Island abgebrannt, ein Refugium für viele bedrohte Arten. Die Tiere, die nicht verbrannt sind, sterben nun den langsamen Hungertod. Manche Arten werden ganz aussterben.
Die Tiere, die nicht verbrannt sind, sterben nun den langsamen Hungertod. Manche Arten werden ganz aussterben.
Wie reagieren die Australier? Es müsste doch eigentlich totale Verzweiflung herrschen.
Es gibt viele Proteste gegen unseren Premierminister. Die Menschen sind frustriert und traurig. Viele Menschen helfen, wo sie können, entweder direkt durch Freiwilligenarbeit oder mit Spenden. Ich habe auch das Gefühl, dass die Brände die Australier politisch noch mehr polarisiert haben.
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Katrin Meissner, deutsche Klimaforscherin in Sydney
© Quelle: privat
Wie prägt das Feuer Ihren eigenen Alltag?
Wir haben in unseren Sommerferien bis jetzt nicht viel unternommen. Häufig war die Luftverschmutzung zu hoch. Unsere geplanten Ferien nächste Woche auf Kangaroo Island werden natürlich nicht stattfinden. Wir machen uns Sorgen um Freunde, die in den betroffenen Zonen waren oder immer noch sind. Die Zerstörung um uns herum ist schon sehr deprimierend.
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Australiens Tierwelt leidet enorm unter den Bränden.
© Quelle: Dan Himbrechts/AAP/dpa
Braucht Australien Hilfe aus dem Ausland?
Das kann ich als Klimaforscherin schlecht beurteilen. Zum Teil haben wir ja bei den Löscharbeiten bereits Hilfe aus dem Ausland bekommen. Die Brände waren aber vorhersehbar. Die Regierung war gewarnt und hatte monatelang, ja sogar jahrelang Zeit, sich auf eine Brandkatastrophe vorzubereiten. Meines Erachtens ist das nicht geschehen. Das Militär wurde viel zu spät einbezogen, die Feuerwehr wurde finanziell weder im Voraus noch während der Brände genug unterstützt. Das Land war überhaupt nicht auf Brände dieses Ausmaßes vorbereitet. Manche Menschen mussten tagelang auf Evakuierungen warten.
Der von Ihnen bereits erwähnte Premierminister Scott Morrison gerät ja wegen seiner lange Zeit ignoranten Unterhaltung immer stärker unter Druck. Sind die Buschfeuer das Ereignis, das die Haltung der Australier zum Klimawandel grundlegend ändert?
Das weiß ich nicht, aber ich hoffe es stark. Die Kosten der Buschfeuer sind natürlich sehr hoch. Nicht nur die ökologischen, sondern auch die ökonomischen Auswirkungen werden sich langfristig bemerkbar machen. So tragisch die Situation zurzeit ist, so hoffe ich dennoch, dass sie die Menschen und die Regierung endlich wachrüttelt. Morrison hat gestern ein Rettungspaket von 2 Billionen Dollar für den Wiederaufbau angekündigt. Das hört sich viel an, ist aber noch nicht mal 10 Prozent der jährlichen australischen Subventionen für fossile Brennstoffe. Da muss noch viel geschehen.
Menschen gewöhnen sich schnell an neue Situationen. Das ist ja auch nicht unbedingt negativ, unsere Anpassungsfähigkeit hat uns evolutionstechnisch sicherlich viel geholfen.
Der Siemens-Konzern will sich in Australien am Bau der größten Kohlemine weltweit beteiligen. Dagegen gibt es unter anderem Proteste in Deutschland. Was halten Sie von der Sache?
Das ist kriminell und ein offener Angriff auf unsere Zukunft. Über 60 Unternehmen haben es abgelehnt, am Bau oder an der Finanzierung der Adani-Carmichael-Kohlemine beteiligt zu sein. Dazu zählt zum Beispiel auch die Deutsche Bank. Ich hoffe, Siemens wird sich sehr schnell von dem Projekt distanzieren. Immerhin hat Siemens angekündigt, bis 2030 klimaneutral zu sein; da kann man als Firma ja nicht gleichzeitig die Signaltechnik für die größte Kohlemine der Welt liefern. Es ist unbegreiflich, dass dieses Projekt überhaupt genehmigt wurde.
Selbst wenn die Feuer morgen enden würden, blieben die Folgen doch gravierend – für Menschen, Tiere und die Vegetation. Ist da an Normalität überhaupt zu denken? Und wie lange würde es dauern, bevor sie eintritt?
Das kommt darauf an, was Sie als normal bezeichnen. Menschen gewöhnen sich schnell an neue Situationen. Das ist ja auch nicht unbedingt negativ, unsere Anpassungsfähigkeit hat uns evolutionstechnisch sicherlich viel geholfen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Menschen hier schnell wieder zu ihrem normalen Alltag zurückfinden, sobald die Luft wieder klar ist und das saubere Trinkwasser weiterhin aus den Leitungen läuft. Für Tiere und Pflanzen sind die Brände eine Katastrophe, zumal der natürliche Lebensraum für viele Arten durch Rodungen und Landwirtschaft ohnehin immer kleiner wird. Wenn dann ein Refugium abbrennt, gibt es keine Nachbargebiete mehr, die das Überleben der Arten gewährleisten können. Und das sind dann auch schlechte Nachrichten für uns Menschen. Immerhin sind wir ein Teil des Ökosystems.