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Der Präsident mit der „Ruck-Rede“

Kämpfte für Nationales und für Europäisches gleichzeitig: Roman Herzog

Kämpfte für Nationales und für Europäisches gleichzeitig: Roman Herzog

Berlin. Obwohl Roman Herzog nur fünf Jahre, zwischen 1994 und 1999, als Staatsoberhaupt im Amt war, ist er heute noch für ganz viele ein Begriff.

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Verantwortlich dafür – sein Befund vom 26. April 1997: Angesichts von Lähmung, Stagnation im Land und einer unter ihrem Niveau bleibenden gesellschaftlichen und politischen Elite forderte der in der Wolle gefärbte Konservative seine Bundesrepublik zur Dauer-Revolution heraus. Selbstverständlich in demokratischen Maßen und Grenzen. „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“, intonierte Herzog vor knapp 20 Jahren mit seiner ersten „Berliner Rede“.

Lust zum ungenierten Zigarrenkonsum

Ein paar Jahre später nahm der rot-grün regierende Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Herzog-Appell zum Anlass für seine „Agenda 2010“. Damit fand seinerzeit Gesetzeskraft, was den Freund des klaren Wortes und der volks-verständlichen Aussprache in seiner zweiten, der präsidialen, Karriere in eine Art Dauerwallung gebracht hat. Das Volk bewege sich nicht.

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Wenn er sich das politisch handelnde Spitzenpersonal ansehe, dann wisse er nicht „ob ich lachen oder weinen soll“, scherzte Herzog bittersüß. Er war auch dank seiner Lust zum ungenierten Zigarrenkonsum eine Mischung aus Gemütlichkeit, Direktheit und immerwährender Unruhe.

„Hier stinkt’s“

Eine Gesellschaft, ein Land, das sich nicht bewegt, sich nicht verändert, Althergebrachtes in Frage stellt ohne gleich alles über den Haufen zu werfen, habe keine Chance in der Welt der Moderne. Diese Erkenntnis brachte ein lebenserfahrener Herzog 1974 mit ins Schloss Bellevue. Einer seiner ersten Kommentare damals lautete, kess und frech: „Hier stinkt’s.“

Herzog meinte freilich nicht den Mief unter den Anzügen der Beamtenmannschaft, sondern schlicht und einfach den Gestank aus den vorsintflutlichen Installationsanlagen der präsidialen Hauptstadt-Bleibe.

Ihm, dem hoch gebildeten Intellektuellen, war das Weltliche nicht fremd. Dass Herzog, ein gelernter Verfassungsjurist und früherer Landesinnenminister von Baden-Württemberg ein paar Jahre nach der Wende überhaupt Präsident wurde, hat er der Fehlentscheidung des damaligen CDU-Chefs und Einheitskanzlers Helmut Kohl zu verdanken.

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Bundespräsident aus der Not heraus

Der wollte seinerzeit mit Steffen Heitmann eigentlich einen strammen, scharfen DDR-geschulten Konservativen aus der Union zur protokollarischen Nummer eins befördern.

Heitmann, ein Landesminister aus Sachsen, erwies sich aber, kaum war er auf der Kandidatenbühne, als nicht vermittelbar für eine weltoffene Parteienlandschaft. Er präsentierte sich als überfordert, als zu konservativ und altbacken und auch als zu eigenbrötlerisch.

Aus der Not geboren kam damals der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, der hoch angesehene Jurist Herzog ins Gespräch. Der überlegte nicht lang. Er gab sich selbst einen Ruck, wurde ruckzuck Kandidat.

Juli 1994: Bundespräsident Roman Herzog (l) legt den Amtseid ab

Juli 1994: Bundespräsident Roman Herzog (l) legt den Amtseid ab

Bis ins hohe Alter hinein blieb er sich und seine Theorie der unverkrampften Würde der Elite treu. Der Gedanke, Europa nicht als uniformes Konglomerat entstehen zu lassen, hat ihn bis zuletzt umgetrieben.

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Herzog kämpfte für Nationales und für Europäisches gleichzeitig. Er, Deutschlands bekanntester Ruck-Redner aller Zeiten, hat die Republik „unverkrampft“ in die Moderne begleitet. Nebenbei moderierte er diverse Reformkommissionen, von der Gesundheitsfrage, über die EU-Grundrechte-Charta bis hin zur Aktivierung eines glaubwürdigen und vorbildhaften politischen Elitepersonals.

Eine Amtszeit reichte Roman Herzog, um bis heute für viele Modernisierer als Bezugsgröße zu gelten. Er starb im Alter von 82 Jahren nach langer schwerer Krankheit.

Von Dieter Wonka/RND

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