Der lange Weg zurück ins Stadion
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Erst mal waren es nur Pappfiguren: Beim Spiel Borussia Mönchengladbach gegen VfL Wolfsburg im Juni waren die Tribünen immerhin besetzt. Ob es bald wieder echte Zuschauer geben wird, ist ungewiss.
© Quelle: Martin Meissner/AP Pool/dpa
Seit einem knappen halben Jahr gleicht der Alltag einer Art “Leben light”. Vieles geht, wenig so richtig. Auch beim Fußball ist nichts mehr, wie es war. Geisterspiele sind Trumpf. So war es im letzten Drittel der abgelaufenen Saison, so wird es bei den anstehenden Entscheidungen in den Europapokal-Wettbewerben sein. Und danach?
Bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) hofft man, zumindest Teilbereiche der Tribünen beim Start der neuen Spielzeit im September wieder besetzen zu können – unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen, ohne Stehplätze, ohne Gästefans, ohne Alkoholausschank. Dafür mit personalisierten Tickets.
Derartige Vorbereitungen auf den Tag X sind zunächst einmal sinnvoll. Gleichzeitig schüren sie in der Öffentlichkeit aber auch Erwartungen und Ungeduld. Wahrscheinlich unbeabsichtigt und trotz der von Vernunft geprägten Ausführungen des DFL-Chefs Christian Seifert. Natürlich drängt es manchen Fan zurück in die Kurve: Rasen riechen, Stars aus nächster Nähe sehen, Wochenendroutine. Natürlich hofft jeder Klub darauf, wieder ein wenig Stimmung in die Arenen zu bringen: Gesänge, Heimvorteil, zusätzliche Einnahmen.
Was bleibt, sind Fragen: Welchen emotionalen Wert hat ein Stadionbesuch, der fast unter Laborbedingungen stattfindet? Hätte ein freiwilliges Festhalten am Modell der Geisterspiele bis zu einer nachhaltigen Veränderung der Gefahrenlage ein Zeichen sein können? Ist die gesellschaftliche Bedeutung des Sports so viel höher als die zahlreicher anderer Zweige der Unterhaltungskultur und -industrie?
Sonderrolle Fußball
Die Bundesliga genoss schon in den vergangenen Monaten eine Sonderrolle. Als erste Topliga weltweit hatte man im Mai grünes Licht bekommen, den Ball wieder rollen zu lassen. Man wurde diesem Vertrauensvorschuss gerecht. Das Hygienekonzept der DFL funktionierte. Als Folge floss das für manchen Verein überlebenswichtige TV-Geld. Ein Privileg. Das weiß man auch bei der Liga. Folglich will man das nun vorgelegte Konzept keinesfalls als Forderung verstanden wissen – und doch fördert es die nicht allerorts mit Weitsicht geführten Debatten über Sinn oder Unsinn täglicher Einschränkungen.
Die Politik ist zu maßvollen Entscheidungen gezwungen. Sollte die Corona-Lage trotz der aktuellen Rückschläge weitere Lockerungen erlauben, wäre es fragwürdig, wenn die Bundesliga erneut zu den ersten Profiteuren gehören würde. Den Fokus allein auf die Abläufe in den Arenen zu legen ist zudem falsch. An- und Abreise der Fans bergen ein wohl noch größeres Infektions- und Ansteckungsrisiko in sich. Auch den Fußball sollte es bis zum Sieg über Corona nur in einer Lightvariante geben. Vernunft ist mehr wert als jedes Tor.