Warum sich der Krieg in der Ukraine nicht schnell beenden lässt
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Ein ukrainischer Soldat steht an einem Kontrollpunkt in der Nähe des kürzlich zurückeroberten Gebiets von Izium.
© Quelle: Evgeniy Maloletka/AP/dpa
Mit den Geländegewinnen der ukrainischen Armee ist in Europa eine Stimmung aufgekommen, als könne dieser Krieg nun schnell beendet werden. Der Westen müsse nur noch einen großen Schwung Panzer und Artillerie liefern. Das aber ist ein Trugschluss.
Dieser Krieg wird nicht schnell enden. Wer auf einen für die Ukraine guten Ausgang bis Ende des Jahres, gar einen Sieg, setzt, ist naiv. Die weiteren Waffenlieferungen des Westens sind unerlässlich – schon allein, damit Russland die Ukraine nicht einfach vereinnahmen und die Bevölkerung dort unterwerfen kann. Sie sind auch notwendig, weil militärische Stärke das einzige ist, was den russischen Machthaber Putin beeindruckt.
Die russische Armee wird Zerstörung hinterlassen
Die angekündigten verstärkten Waffenlieferungen aus den USA und aus Deutschland werden aber auch keine zeitnahe Entscheidung bringen können. Das russische Militär ist zwar deutlich weniger leistungsfähig als zu Beginn des Krieges befürchtet, dennoch wird sich Putin nicht einfach aus der Ukraine hinausfegen lassen. Im Gegenteil: Die russische Armee wird in den Gebieten, aus denen sie sich zurückziehen muss, verheerende Zerstörung hinterlassen. Da sind die Bedrohung des Atomkraftwerks Saporischschja und die Bombardierung des Staudamms in der zentralukrainischen Industriestadt Krywyj Rih nur ein bitterer Vorgeschmack.
Die Lage gibt leider keinen Anlass zur Hoffnung: Ein Verhandlungsfrieden ist aussichtslos, solange Putin die Macht im Kreml hat. Erst in dieser Woche haben Bundeskanzler Scholz und Putin anderthalb Stunden am Telefon aneinander vorbeigeredet. Wahrscheinlich hat das Telefonat den Kanzler darin bestärkt, dass Deutschland nun auch den russischen Mineralölkonzern Rosneft unter Treuhandverwaltung stellt – also faktisch enteignet. Dies vollzieht die Bundesregierung unter Inkaufnahme, dass kein Öl aus Russland mehr nach Deutschland fließt und dass auch die Mineralölpreise weiter steigen. Eigentlich sollte der Verzicht auf russisches Öl erst Ende des Jahres erfolgen.
Scholz erkennt nach Telefonat mit Putin „keine Einsicht“
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht keine Einsicht bei Russlands Präsident Wladimir Putin, dass der Angriff auf die Ukraine am 24. Februar ein Fehler war.
© Quelle: Reuters
Es wird darauf ankommen, wer den längeren Atem hat
Sprach man Ende Februar nur von Putins Krieg gegen die Ukraine, ist mittlerweile zwischen Russland und der Ukraine so viel Blut geflossen, sind so viele Menschen gestorben, sind so viele Häuser zerstört und ist so viel Leid durch Folter und Vergewaltigung entstanden, dass auch eine Aussöhnung zwischen den einstigen Brudervölkern nicht einfach möglich sein wird.
Derweil ordnet sich die Welt neu: Der Westen ist näher zusammengerückt, in einem Krieg, den Europa vor allem als Wirtschaftskrieg führt und in dem die Nato-Staaten die Waffenlieferanten für die Ukraine sind. Russland hingegen sucht den Schulterschluss mit China, das wiederum die globale Dominanz der westlichen Demokratien zurückdrängen möchte. Nach dem alten Motto, das noch nie zu Frieden geführt hat: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
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In den nächsten Monaten wird es vor allem darauf ankommen, wer die besseren Nerven und den längeren Atem hat. Ist es Putin, der ohne Rücksicht auf Verluste von Menschenleben und Wohlstand in seinem eigenen Land alles an die Front in der Ukraine wirft? Oder ist es Europa, das trotz Wohlstandsverlust und wachsender Proteste seiner Bürgerinnen und Bürger gegen den Krieg und die ökonomischen Konsequenzen trotzdem heil durch den kommenden Krisenwinter steuert? Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass der Westen zwar noch reichlich Waffen hat, die er liefern kann. Aber die Regierungen in den EU-Staaten werden immer mehr den Rückhalt ihrer jeweiligen Bevölkerung verlieren. Für Putin hingegen wird der Nachschub an Waffen knapp, derweil er jeden Protest mit Gewalt unterdrückt. Auch dieses Szenario spricht für eine noch lange Dauer des Krieges.
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