Debatte im Europaparlament: „Marschall Twito“ und die Sache mit der Rechtsstaatlichkeit
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Sloweniens Ministerpräsident Janez Jansa nimmt an der Präsentation der slowenischen Präsidentschaft während einer Plenarsitzung im Europäischen Parlament in Strasburg teil.
© Quelle: Christian Hartmann/Pool Reuters/
Brüssel. Ein Eklat blieb zwar aus. Doch das Europaparlament bereitete dem slowenischen Ministerpräsidenten Janez Jansa am Dienstag in Straßburg einen spürbar unterkühlten Empfang. Dort stellte der rechtsnationale Regierungschef sein Programm für die nächsten sechs Monate vor, in denen das kleine Land die EU‑Ratspräsidentschaft innehat.
Viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier zweifeln, dass Jansa ein Vermittler bei Meinungsverschiedenheit zwischen den EU‑Staaten sein kann, wie es das EU‑Drehbuch für die rotierenden Ratspräsidentschaften vorsieht.
Und auch von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kamen mahnende Worte. „Die Pressefreiheit ist die Grundlage der Demokratie in der EU“, sagte sie.
Jansa gibt sich betont europafreundlich
Vor dem Parlament demonstrierten Jansa-Kritiker. Im Parlament selbst aber gab sich der 62 Jahre alte Politiker, der seit gut einem Jahr in Slowenien regiert, betont europafreundlich. Die EU müsse gestärkt aus der Corona-Pandemie hervorgehen, die Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien müssten weitergehen, sagte Jansa.
Doch die Zweifler im Parlament konnte er damit nicht überzeugen. Im Gegenteil: Die proeuropäischen Fraktionen forderten Jansa in energischem Ton auf, die Rechtsstaatlichkeit und die Pressefreiheit in seinem Land endlich zu beachten.
Jansa fährt harten Kurs gegen Justiz und Medien
Seit Monaten fährt Jansa einen harten Kurs gegen die Justiz und die Medien in Slowenien. Die slowenische Nachrichtenagentur STA hat er als „nationale Schande“ bezeichnet und hält Gelder zurück, die dem Unternehmen zustehen.
Seine Kritiker beschimpft der enge Weggefährte des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gerne auf Twitter. Spötter nennen ihn deshalb „Marschall Twito“ – in Anlehnung an den früheren jugoslawischen Staatschef Tito.
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Zudem blockiert er die Arbeit der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft. Jansa hat noch keine Ankläger benannt hat, die in seinem Land Korruptionsdelikte aufdecken sollen.
Zuletzt warf sich Jansa zusammen mit dem polnischen Regierungschef beim EU‑Gipfel vor Orbán, als dieser wegen seines Gesetzes zur Homosexualität heftig kritisiert wurde.
Proeuropäischen Fraktionen ermahnen slowenischen Regierungschef
So hagelte es am Dienstag Ermahnungen aus den proeuropäischen Fraktionen an die Adresse Jansas. Der Fraktionschef der Konservativen, Manfred Weber (CSU), verlangte, Slowenien müsse umgehend Ankläger für die Europäische Staatsanwaltschaft benennen.
Grünen-Fraktionschefin Ska Keller sagte, die Tiraden und persönlichen Fehden Jansas beschädigten das Vertrauen, „dass der Ministerpräsident im besten Interesse der EU handeln wird.“ Für die Liberalen sagte der Europaabgeordnete Malik Azmani: „Bitte hören Sie damit auf, Journalisten und Richter zu belästigen.“
Jansa pflegt einen ungewöhnlichen Politikstil. Als die EU‑Kommission vor wenigen Tagen zu Besuch in der Hauptstadt Ljubljana war, zeigte sich das deutlich. Der Vizepräsident der EU‑Kommission, der Sozialdemokrat Frans Timmermans, warf Jansa vor, in einer Arbeitssitzung mit der Kommission Richter aus Slowenien und sozialdemokratische Parlamentarier diffamiert zu haben. Timmermans boykottierte schließlich das sogenannte Familienfoto der slowenischen Regierung und der EU‑Kommission. Der diplomatische Eklat war perfekt.
Slowenien scheint sich von EU abzukoppeln
Neben Ungarn und Polen scheint sich nun auch Slowenien von der EU abzukoppeln, wenn es um Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit geht. Das lässt auch bei der Chefin der EU‑Kommission die Alarmglocken schrillen.
Wie Europa nach der Corona-Pandemie aus der Krise komme, sei eng mit der Frage von Vertrauen verbunden, sagte Ursula von der Leyen am Dienstag in Straßburg. Es gehe dabei um das Vertrauen in eine ordentliche Bekämpfung von Korruption und Betrug, das Vertrauen in freie Medien und unabhängige Gerichte und das Vertrauen von Investoren und Unternehmen in verantwortungsvolle Regierungsführung.
Wichtig sei das Thema zudem auch für die europäischen Steuerzahler, sagte von der Leyen. Diese trügen am Ende die Kosten für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Krise.
Am Dienstag ließ Jansa die Vorwürfe noch demonstrativ an sich abtropfen. Doch seine Kritiker können möglicherweise schon bald nachlegen. Noch in diesem Monat will die EU‑Kommission einen Bericht darüber vorlegen, wie es um die Rechtsstaatlichkeit in jedem einzelnen EU‑Staat bestellt ist. In Brüssel wird damit gerechnet, dass Slowenien in dem Report keine guten Noten bekommen wird.