Das ganze Kabinett – eine Bilanz der ersten 100 Tage
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Die Regierungsmitglieder kommen zu der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt zusammen.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa
Der Sachliche – Olaf Scholz
Mit seiner Rede im Bundestag zur Zeitenwende durch den Angriffskrieg auf die Ukraine ist der Kanzler in seinem Amt angekommen. Dadurch hat er sich international und national Reputation verschafft. Während sein Bild nach außen von ruhiger Sachlichkeit geprägt ist, hält er die Ampel mit eiserner Hand zusammen. Um sich herum hat er ein kleines kompetentes Team, mit dem er seit Jahren zusammenarbeitet und auf das er sich verlassen kann. Seine offene Flanke ist die Corona-Politik, die zu den höchsten Infektionszahlen in Europa geführt hat. Ausblick: Seine Amtszeit wird geprägt sein von Putins Krieg und Energiekrise.
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Bundeskanzler Olaf Scholz.
© Quelle: IMAGO/photothek
Der Emotionale – Robert Habeck
Nach 16 Jahren Opposition sitzen die Grünen wieder in der Regierung, und wieder müssen sie ihre Ideale über Bord werfen, weil Krieg herrscht. Habeck hat das erkannt. Anstatt zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem Deutschland moralisch korrekt Putins fossile Energien boykottiert und zugleich eine Turboenergiewende versucht, schaut Habeck auf die 82 Millionen Bürgerinnen und Bürger, für deren Energieversorgung er zuständig ist. Wie schwer ihm diese Entscheidungen fallen, trägt er offen und emotional im Fernsehen zutage. Ausblick: Die Grünen-Basis wird angesichts der Krisenpolitik noch Ärger machen.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
© Quelle: IMAGO/Chris Emil Janßen
Der Verlässliche – Christian Lindner
Oft fragt man sich, was Lindner wohl als Oppositionspolitiker zu einem Fonds fürs Klima und einem Sondervermögen für die Bundeswehr gesagt hätte. Er hätte es wahrscheinlich als Schattenhaushalt gegeißelt. Aber der Finanzminister erweist sich als verlässlicher Partner für SPD und Grüne und besorgt das Geld für die großen Herausforderungen von Sicherheitspolitik bis Klimawandel. Allerdings ist er als FDP-Vorsitzender auch Parteipolitiker, der in zwei Bundesländern eine Regierungsbeteiligung verteidigen möchte. Ausblick: Die Verkündung der nicht abgestimmten Spritpreisbremse ist eine Belastung für die Koalition.
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Bundesfinanzminister Christian Lindner.
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Die Klare – Annalena Baerbock
Nach einem pannenreichen Wahlkampf ist Baerbock sehr souverän in ihr neues Amt gestartet. In den ersten Wochen lieferte sie sich eine Art Wettrennen mit dem Kanzler, wer wo zuerst seinen Antrittsbesuch absolviert und hatte meistens die Nase vorn. Sie präsentierte sich überall gut vorbereitet. Anfängerfehler unterliefen ihr nicht. Ihre Pressekonferenzen und Reden im Ausland werden durchweg positiv beurteilt: Sie trifft den richtigen Ton und findet klare Worte. Ausblick: Baerbock wird wie viele ihrer Vorgänger im Amt auf der Popularitätsskala weiter nach oben steigen.
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Außenministerin Annalena Baerbock.
© Quelle: IMAGO/photothek
Der Gefährdete – Karl Lauterbach
Auch bei Lauterbach muss man sich häufiger fragen: Was hätte der einfache SPD-Abgeordnete und Corona-Mahner Lauterbach wohl zur Performance des Ministers Lauterbach gesagt? Er hätte gewiss sehr viel Kritik an dem lavierenden Kurs zwischen den Freedom-Day-Wünschen der FDP und dem, was er nachts in internationalen Studien über die weiter bestehende Gefahr des Virus liest, geübt. Mit der praktischen Umsetzung der Politik tut sich Lauterbach schwer. Es gab mehrere heftige Kommunikationspannen mit dem RKI. Ausblick: In der SPD fürchten viele, dass er als Minister scheitern wird.
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
© Quelle: IMAGO/photothek
Die Beobachtete – Nancy Faeser
Die große Überraschungskandidatin im Kabinett Scholz hat in den ersten Wochen im eigenen Lager mit klarer Positionierung gegen Rechtsextremismus gepunktet. Sie ist aber ohne eigene Mannschaft nach Berlin gekommen, und es hat gedauert, bis sie in dem lange unionsgeführten riesigen Ministerium Fuß fasste. Nun sieht sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie zu langsam auf die massenhafte Ankunft der Geflüchteten aus der Ukraine reagiert habe. Ausblick: Faeser steht unter Beobachtung – insbesondere durch die Union, die innere Sicherheit als ihr politisches Feld betrachtet.
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Die Blasse – Christine Lambrecht
Eigentlich hatte Lambrecht ihren Rückzug aus der Politik schon angekündigt, dann brauchte die SPD erfahrene Frauen für ihre Regierungsmannschaft. Mit dem Militärischen scheint Lambrecht eher zu fremdeln. Dazu sind schon Lästereien aus den Reihen der Bundeswehr laut geworden. Trotzdem muss sie keine schlechte Ministerin sein. Bislang aber bleibt sie zu blass. Ausblick: Dass sie tatsächlich die Mammutaufgabe stemmen könnte, das Beschaffungswesen der Truppe in Ordnung zu bringen und die zusätzlichen 100 Milliarden Euro sinnvoll einzusetzen, zeichnet sich noch nicht ab.
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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Die Angekratzte – Anne Spiegel
Sie ist die Überraschungskandidatin der Grünen. Sie kam mit Mann und vier Kindern und einem Sympathiebonus nach Berlin. Zudem hatte sie den von ihrer Partei ausgehandelten Kinderzuschlag im Gepäck – in den ersten 100 Tagen konnte sie also gleich eine neue Sozialleistung für Familien ankündigen. Die Abschaffung des Paragrafen 219a, die das Justizministerium umsetzt, schrieb sie sich mit auf die Fahne. Doch ihr Image ist schon sehr angekratzt. Die aus ihrer Zeit als Landesumweltministerin während der Flut 2021 aufgetauchten Chatprotokolle offenbaren eine kühl kalkulierende Karrierepolitikerin. Ausblick: Das Image wird sich nicht so leicht reparieren lassen.
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Bundesfamilienministerin Anne Spiegel.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Der Forsche – Marco Buschmann
Der Justizminister ist mit einem Kopfsprung in sein Amt eingetaucht und hat vom ersten Tag an viel öffentliche Präsenz gezeigt. Dass er dabei auch mal aneckt, nimmt er in Kauf. Einen inhaltlichen Punkt konnte er schon setzen: Er hat den Paragrafen 219a – das Werbeverbot für Abtreibungen – abgeschafft. Ausblick: Viele Themen des Justizministers liegen auf dem Feld der Gesellschaftspolitik. Damit ist er von der Finanzlage des Bundes weitgehend unabhängig. In Krisenzeiten ist das ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die Umsetzung der eigenen Themen.
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Bundesjustizminister Marco Buschmann.
© Quelle: IMAGO/photothek
Der Kontinuierliche – Hubertus Heil
Der Arbeitsminister ist das einzige Regierungsmitglied, das aus der Ära Merkel im Amt geblieben ist. Er war schon in der vergangenen Wahlperiode für die SPD ein Aktivposten im Kabinett. Dementsprechend smart verlief sein Start in die neue Wahlperiode. Das Herzensprojekt der SPD hat er bereits eingetütet: Der Mindestlohn soll zum 1. Oktober auf 12 Euro steigen. Ausblick: Es bleibt nicht so sonnig für Heil – Energie- und Wirtschaftskrise werden auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen. Die Integration der Flüchtlinge aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt ist eine Herkulesaufgabe.
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Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/
Der Stille – Volker Wissing
Bei Volker Wissing gehen Außen- und Innenwahrnehmung weit auseinander. In der Ampelkoalition loben auch SPD und Grüne die Klugheit und die Integrität des FPD-Mannes. Nach außen hat der Minister, der die Riesenprojekte Verkehrswende und Digitalisierung durchsetzen muss, noch keine klaren Duftmarken gesetzt. Ausblick: Wissings Projekte fallen in den Bereich, die in Krisenzeiten in den Hintergrund gedrängt werden können, weil Geld und Kraft fehlen, sie umzusetzen. Damit es dennoch gelingt, dafür wird der Minister an Lautstärke zulegen müssen.
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Bundesverkehrsminister Volker Wissing.
© Quelle: imago images/Political-Moments
Die Zurückhaltende – Bettina Stark-Watzinger
Das Bundesbildungsministerium ist kein dankbarer Job. Bildung ist Ländersache, und wenn es in den Schulen nicht läuft, fragen doch alle die Bundesministerin. Gemessen daran, dass die FDP sich das Thema Bildung und eine stärkere Zentralisierung der Schulpolitik immer auf die Fahnen geschrieben hat, hätte man erwarten können, dass eine Ministerin der Liberalen mehr auf den Putz haut. Bettina Stark-Watzinger ist eher zurückhaltend gestartet. Ausblick: Die Ministerin sollte eine Schippe drauflegen, wenn die FDP das Thema Bildung auch in Zukunft für sich reklamieren möchte.
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Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger.
© Quelle: imago images/photothek
Die Unbequeme – Steffi Lemke
Die Umweltministerin ist Teil des linken Parteiflügels der Grünen. Gleich zum Auftakt ihrer Amtszeit sorgte sie für Furore, als sie Verständnis zeigte für die radikalen Klimaschützer, die Autobahnen blockieren. Nach Kritik auch aus den eigenen Reihen relativierte sie ihre Aussage. Neben dem mächtigen Klimaministerium und einer Außenministerin, die sich die internationale Umweltpolitik geschnappt hat, konnte Lemke bisher noch nicht sehr viele eigene Punkte setzen. Ausblick: Für eine erfolgreiche Amtszeit wird sie sich noch stärker auf das Thema Verbraucherschutz konzentrieren müssen.
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Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Der Altbekannte – Cem Özdemir
Dass ausgerechnet Özdemir das Landwirtschaftsministerium bekommen hat, ist ein Treppenwitz des Berliner Politbetriebs. Der Großstädter, Verkehrs- und Innenpolitiker ist dennoch beherzt an sein neues Amt rangegangen. Sein Kurs für die Lebensmittel: teuer, aber gut. Nun musste auch er in den Krisenmodus schalten, um zum Beispiel den Anstieg der Futtermittelpreise in Folge des Kriegs zu bremsen. Doch allein das Feld Landwirtschaft ist dem Grünen-Politiker zu klein. Ausblick: Özdemir wird sich auch als Fachminister weiter als Allrounder in allen Meinungsfragen in viele Themen einmischen.
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Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.
© Quelle: IMAGO/photothek
Die Wechslerin – Svenja Schulze
Entwicklungsministerin Schulze ist schon bekannt – in der vergangenen Wahlperiode war sie Umweltministerin. Sie tritt weiter routiniert in der Öffentlichkeit auf – nur die Bauchbinde hat sich verändert. Die Allzweckwaffe der SPD hat somit auch schon Erfahrung auf dem internationalen Parkett. Ihr Start ins neue Amt verlief entsprechend smart – zumal sie einen großen Teil der Mannschaft aus dem Umweltministerium mitgenommen hat. Ausblick: Ihr Amt gewinnt mit der nahenden globalen Nahrungsmittelkrise an Gewicht.
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Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze.
© Quelle: imago images/Political-Moments
Die Unsichtbare – Klara Geywitz
Die Bauministerin ist unter besonders schwierigen Umständen gestartet. Ihr Haus war zuvor ein Teil des Innenministeriums und inhaltlich ein verwaistes Feld. Sie musste sich also erst einmal Mannschaft und Quartier suchen. So viel sei zur Verteidigung vorgetragen, warum die Ministerin bislang nicht als Offensivkraft aufgefallen ist. Ausblick: Geywitz wird in den nächsten Monaten ordentlich Gas geben müssen. Die Vorgaben im Koalitionsvertrag für das Schaffen von neuem Wohnraum sind ohnehin ehrgeizig. Mit dem Zuzug der Menschen aus der Ukraine werden noch mehr Wohnungen gebraucht.
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Bundesbauministerin Klara Geywitz.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/
Der Strippenzieher – Wolfgang Schmidt
Für eine 100-Tage-Bilanz des Kanzleramtsministers könnte man auch gleich auf den Kanzler verweisen. Schmidt ist sein wichtigster Berater und Koordinator. Als Stratege hat Schmidt bisher einen guten Job gemacht. Scholz steht nach 100 Tagen im Amt in schwerer Krisenzeit gut da. Ausblick: Der Teufel steckt bekanntlich im Detail – für einen Kanzleramtsminister ist das die Koordination der Länder. Schmidt wird sich in der Flüchtlingspolitik, bei der Koordination der Corona-Maßnahmen und in der konkreten Umsetzung der Energiewende beweisen müssen.
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Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
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