Crashtest-Dummys gendern? Worum es bei der Debatte wirklich geht
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Bei einem Crashtest der Unfallforscher der Versicherer fährt ein Crashtest-Dummy auf einem Fahrrad gegen eine geöffnete Tür eines geparkten Autos – einem sogenannten Dooring-Unfall.
© Quelle: Guido Kirchner/dpa
Berlin. Der sogenannte „50-Perzentil-Mann“ ist abseits der Unfallforschung kaum bekannt. Er dient dazu, als Crashtest-Dummy die Folgen eines Verkehrsunfalls möglichst vorstellbar zu machen und etwa Sitze, Gurtgeometrien und Airbags in Neuwagen so auszulegen, dass die Schäden eines Unfalls möglichst gering sind. Die Dummyfigur hat eine Körpergröße von 175 Zentimetern und wiegt 78 Kilogramm. Damit ist die Figur dem Durchschnittsmann nachempfunden.
„Davon abweichende Maße wurden bislang zu wenig beachtet“, schreibt der ADAC auf seiner Webseite in einem Beitrag über die Crashtest-Organisation Euro NCAP. Das betrifft offenkundig etwa Kinder und Frauen, deren durchschnittliche Körper anders beschaffen sind. Die Praxis, bei Crashtest-Dummys vor allem mit dem 50-Perzentil-Mann zu arbeiten, wird seit Jahren immer wieder kritisiert. Denn – so zeigen es Statistiken – die Schäden von Verkehrsunfällen sind bei Frauen häufig verheerender als bei Männern. Sie werden öfter schwerer verletzt und sterben häufiger. Frauen und kleinere Menschen unterlägen einem höheren Verletzungsrisiko – vor allem im Brustbereich, schreibt auch der ADAC.
Grünen-Politikerin Fegebank löst neue Debatte aus
Derzeit gibt es erneut eine Debatte zu dem Thema. Den Ausschlag gab Katharina Fegebank (Die Grünen), die zweite Bürgermeisterin Hamburgs. Beim weltgrößten Verkehrskongresses ITS, der in der vergangenen Woche in der Hansestadt abgehalten wurde, warb sie laut „Bild“-Zeitung für „gendergerechte Mobilität“. Die Gleichstellungsbehörde, die Fegebank leitet, teilte dem Boulevardblatt dazu mit, dass man am typischen Crashtest-Dummy, dem 50-Perzentil-Mann ebenso wie am alternativen Dummy, der 1,88 Meter misst und 101 Kilogramm wiegt, sehen könne, „dass Sicherheit im Auto – vornehmlich von männlichen Ingenieuren – auch männlich betrachtet“ werde. „Bild“ veranlasste dieser Hintergrund zu der Überschrift „Vize-Bürgermeisterin will Crash-Test-Dummys gendern“. Das Reizwort „gendern“ löste die erwartbare Empörung aus.
Bild-Kommentator Markus Arndt vernachlässigte die bedenklichen Forschungsergebnisse gänzlich. „Wenn es nach Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (44, Grüne) geht, sind Frauen offenbar zu dumm und ungeschickt, um einen Autositz einzustellen, oder den Gurt“, schrieb er und bezog sich auf Mobilität im Allgemeinen: „Mobilität ist für alle da. Sie muss nicht „gendergerecht“ gemacht werden, weil sie es längst ist.“ Alles andere sei links-grüne Propaganda oder purer Unfug, so Arndt.
CSU-Politiker bekommt Gegenwind
Für unnütz scheint den Vorstoß auch Florian Hahn zu halten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete teilte die Bild-Überschrift am Wochenende auf Twitter und versah sie mit dem Kommentar „Endlich mal die wichtigen Dinge anpacken“. Dazu verwendete er ein „Facepalm“-Emoji.
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Aus ihrer Partei erhielt Fegebank hingegen Unterstützung. „Frauen sterben häufiger bei Verkehrsunfällen oder werden schwerer verletzt, da Crash-Dummys fast ausschließlich auf männliche Körper genormt sind. Tote zu verhindern sollte eigentlich ein Gebot der Vernunft sein. Oder man macht Kulturkampf draus“, schrieb die stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ricarda Lang,, am Sonntag bei Twitter.
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Und auch Cem Özdemir sprang Fegebank zur Seite. Für den Kommentar von Hahn zeigte er wenig Verständnis. „Lieber Florian Hahn, zur Erinnerung: Etwas mehr als 50% der Weltbevölkerung sind Frauen. Sie fahren auch Auto (auch in Bayern!) & haben genauso ein Recht darauf, dass ihrer Sicherheit maximiert wird. Bisher sind Dummys aber vor allem männlichen Körpern nachgebaut. Nicht wichtig?“
RND/cz