Kommentar nach Expertenrat-Stellungnahme

Corona-Politik: Olaf Scholz darf sich nicht wieder wegducken

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Pressekonferenz nach der MPK.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Pressekonferenz nach der MPK.

Eine erneute Selbstblockade der Ampelregierung in der Corona-Politik kann niemand gebrauchen. Weder das Land noch seine Bürger und schon gar nicht die Beschäftigten in den Arztpraxen und Kliniken, die seit mehr als zwei Jahren am Anschlag arbeiten.

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Doch leider sind die Koalitionspartner auf dem besten Weg, jenes unwürdige Schauspiel aus dem Frühjahr zu wiederholen – nur, dass es dieses Mal um den Herbst geht. Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD und auch die Grünen auf weitere Schutzmaßnahmen für die kalte Jahreszeit pochen, wollen sich die Liberalen gar nicht erst auf die Debatte einlassen. Das ist unverständlich – und ermüdend.

Stellungnahme ist Auftrag für konstruktive Debatte

Doch der Corona-Expertenrat macht in seiner Stellungnahme deutlich, dass eine rechtliche Grundlage für Maßnahmen auch im dritten Pandemieherbst nötig sein wird. Die Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler nennen Maskenpflicht, Testkonzepte und eventuell auch Kontaktbeschränkungen als womöglich notwendige Regeln. Die Regierungsparteien sollten die Vorschläge des Gremiums als Auftrag verstehen, jetzt konstruktiv zu diskutieren und einen Fahrplan zu entwickeln. Tut sie es nicht, stellt sich die Frage, warum die Ampel den Expertenrat überhaupt eingesetzt hat.

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30.05.2022, Paraguay, Asuncion: Anne Maja Reiniger-Egler aus Deutschland spricht über ihre vermisste 10-jährige Tochter Clara Magdalena Egler während einer Pressekonferenz in der Generalstaatsanwaltschaft. In einem Fall von mutmaßlicher Kindesentziehung fahndet die Staatsanwaltschaft in Paraguay nach zwei deutschen Mädchen. Die Kinder im Alter von zehn und elf Jahren seien im November vergangenen Jahres in das südamerikanische Land gebracht worden, ohne dass jeweils eine Genehmigung der getrennt lebenden Elternteile vorgelegen habe. Foto: Jorge Saenz/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Anne Maja Reiniger-Egler aus Essen durchlebt den Albtraum einer Mutter: Seit Monaten sucht sie in Paraguay nach ihrer zehnjährigen Tochter Clara - die von ihrem Ex-Mann, einem Impfgegner und „Querdenker“, dorthin geschafft wurde. Jetzt hofft sie auf die Hilfe der Menschen in Paraguay - und die landesweite Fahndung der Behörden.

Ein Problem der Bundesregierung ist, dass der Bremser der drei Koalitionspartner das Tempo bestimmt. In der Corona-Politik ist das die FDP. Die Liberalen wollen erst mal auf die gesetzlich verankerte Evaluierung der bisherigen Maßnahmen warten, bevor sie sich mit der zukünftigen Pandemiebekämpfung überhaupt wieder auseinandersetzen wollen. Die Evaluierung ist richtig und sollte beachtet werden, gleichzeitig muss aber klar sein, dass Hygienestandards wie Masken vor Ansteckung schützen. Dieser wissenschaftliche Grundsatz gilt nach wie vor.

Die Corona-Regeln im Infektionsschutzgesetz laufen Ende September aus. Das Mindeste wäre, die Hotspotregel über den Winter hinaus zu verlängern. Mit ihr können die Länder bei Überlastung der Kliniken etwa die Maskenpflicht in Innenräumen beschließen. Pauschale, bundesweite Grundrechtseinschränkungen könnten so vermieden werden. Konkrete Schwellen­werte, ab wann eine Überlastung droht, sollten jedoch nachgearbeitet werden und im Gesetz verankert werden. Für die Länder lassen sich so Hürden zur Aktivierung der Hotspotregel abbauen, falls sie erforderlich wird.

Bundesregierung sollte Hauruckaktionen vermeiden

In den Städten und Gemeinden geht bereits die Angst um, die Ampel könne wieder kurz vor knapp über Corona-Werkzeuge entscheiden. Bei der letzten Verlängerung des Infektions­schutzgesetzes ist genau das geschehen. Die Bundesregierung sollte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und Hauruckaktionen vermeiden. Es wäre eigentlich die Aufgabe des Bundeskanzlers, in den Kommunen und der Gesellschaft für Klarheit zu sorgen.

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Doch Olaf Scholz ist in der Corona-Frage weitgehend abgetaucht. Das ist kaum zu verstehen, immerhin hatte der Sozialdemokrat die Pandemiepolitik mit Einsatz des Expertenrats im Kanzleramt zur Chefsache erklärt. Doch davon ist schon lange nicht mehr viel zu spüren. Jüngst ließ der Sozialdemokrat bei der Ministerpräsidentenkonferenz in der vergangenen Woche keine eigene Position in der Frage künftiger Corona-Regeln erkennen.

Schlimmer noch: Der Kanzler lässt es zu, dass die Koalitionspartner wieder aufeinander losgehen, statt einen Kompromiss zu suchen. Scholz hatte Führung versprochen und lässt die Dinge nun schleifen. Dabei ist neuer Schwung in der Pandemiepolitik und ihrer Kommu­nikation nötig: Zum Beispiel muss die Impfkampagne angekurbelt werden, um die Impflücke der Boosterquoten zu schließen – und auch eine Verbesserung der Datenlage fordert der Expertenrat. Scholz muss jetzt handeln.

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