Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will laut Medienberichten zurücktreten
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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD).
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa/Archivbild
Die massiv in die Kritik geratene Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat sich einem Bericht der „Bild“-Zeitung zufolge dazu entschieden, ihr Amt niederzulegen. Die Initiative dazu sei demnach von ihr selbst gekommen, nicht aus dem Kanzleramt, berichtet die Zeitung am Freitagabend unter Berufung auf mehrere Quellen. Es gehe jetzt noch um den genauen Zeitpunkt des Rücktritts. Auch die „Süddeutsche Zeitung“ und „ntv“ berichteten unter Berufung auf das Umfeld der Ministerin und der SPD. Demzufolge wolle Lambrecht kommende Woche ihr Amt niederlegen.
Eine offizielle Bestätigung durch das Verteidigungsministerium oder die SPD-Spitze gab es aber zunächst nicht. Dies seien Gerüchte, die man nicht kommentiere, so ein Ministeriumssprecher auf RND-Nachfrage. Nach RND-Informationen aus Regierungskreisen verdichten sich jedoch die Hinweise, dass die Berichte zutreffen.
Verteidigungsministerin Lambrecht erntet heftige Kritik: „Vollkommen überfordert“
Die Vorsitzenden der beiden Unionsparteien haben eine Ablösung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gefordert.
© Quelle: dpa
Massive Kritik an Silvestervideo
Lambrecht war zuletzt wegen einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft scharf kritisiert worden, in der sie begleitet von pfeifenden Silvesterraketen und explodierenden Böllern über den Krieg in der Ukraine sprach. Die in der Opposition befindliche Union aus CSU und CDU hatte daraufhin Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur sofortigen Entlassung der Verteidigungsministerin aufgefordert.
Wie der „Spiegel“ berichtet, soll Lambrecht nach dem Eklat an Silvester mehrmals mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über einen Rückzug aus dem Kabinett gesprochen haben. Eigentlich sei vereinbart worden, dass Lambrecht am Montag selbst ihren Rücktritt ankündigt, hieß es. Möglicherweise wolle Scholz bis dahin einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Lambrecht finden.
Laut des am Freitag veröffentlichten ZDF-„Politbarometers“ ist auch die Mehrheit der Deutschen für einen Rücktritt Lambrechts. Demnach sprachen sich 60 Prozent der Befragten für einen Rücktritt der Ministerin aus; 25 Prozent waren dagegen.
Lambrecht war bis zur Bundestagswahl Bundesjustizministerin, bewarb sich dann aber nicht um ein neues Mandat. Als die SPD überraschend stärkste Partei wurde und sich die Bildung der Ampelkoalition mit Grünen und FDP abzeichnete, wurde die 57-Jährige sehr bald wieder für ein Ministerinnenamt gehandelt – konkret für das Bundesinnenministerium.
Lambrecht fiel durch mangelnde Sachkenntnis und Ungeschicklichkeiten auf
Im Verteidigungsministerium fiel sie rasch durch mangelnde Sachkenntnis und Ungeschicklichkeiten auf. So kündigte Lambrecht die Lieferung von 5.000 Schutzhelmen für die Ukraine an. Viele Kritiker empfanden das nicht als ernsthafte Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes, sondern als schlechten Scherz. Später nahm Lambrecht ihren Sohn bei einem Hubschrauberflug mit und sagte, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) werde die nächste Ministerpräsidentin Hessens. Dabei stand die Kandidatur damals noch gar nicht fest. Überdies entstand der Eindruck, Lambrecht sage dies nur, weil sie selbst Innenministerin werden wolle.
Mitte Dezember hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine Verteidigungsministerin gegen Kritik in Schutz genommen. „Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin“, sagte Scholz damals der „Süddeutschen Zeitung“. „Über manche Kritik kann ich mich nur wundern.“ Es gehe jetzt darum, die Bundeswehr langfristig zu stärken und sie verlässlich mit Waffen und Munition auszurüsten.
CDU fordert Entlassung: Kritik an Lambrechts Rede vor Feuerwerk
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht steht schon wegen schleppender Beschaffung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr in der Kritik.
© Quelle: dpa
Wer könnte auf Lambrecht folgen?
Sollten sich die Berichte tatsächlich erhärten, gäbe es wohl zwei Favoriten für die Nachfolge. Da ist zunächst die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD). Sie hat das Amt seit 2020 inne, kennt sich in der Truppe sehr gut aus und ist dort beliebt. Auch hat Högl als vorher langjährige Bundestagsabgeordnete viel politische Erfahrung. Und Scholz müsste nicht das Kabinett umbauen, um die Geschlechterparität zu wahren. Als unklar gilt, ob Högl tatsächlich Ministerin werden will.
Außerdem wird der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gehandelt. Er kennt sich in verteidigungspolitischen Fragen ebenfalls aus, würde aber zur Beibehaltung der Parität eine Kabinettsumbildung unausweichlich machen.
In der nächsten Woche tagt der Bundestag, und in Ramstein finden Gespräche über weitere Militärhilfe für die Ukraine statt. Da kann Deutschland nicht mit einer Verteidigungsministerin auf Abruf antreten.
Johann Wadephul,
stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, hat eine schnelle Entscheidung über die Nachfolge gefordert. „Ein Rücktritt wäre überfällig“, sagte er dem RND. „Denn Frau Lambrecht hatte offenkundig zu keinem Zeitpunkt das richtige Verhältnis zu diesem Amt. Und sie hatte letztlich kein Gespür für die Truppe.“ Wadephul fügte hinzu: „Der Kanzler hat zu lange an ihr festgehalten und muss die Unsicherheit jetzt schnell beseitigen. Das können vor allem die Soldaten erwarten. Schnell heißt, an diesem Wochenende.“
In der nächsten Woche, so Wadephul, tagt der Bundestag, und in Ramstein finden Gespräche über weitere Militärhilfe für die Ukraine statt. „Da kann Deutschland nicht mit einer Verteidigungsministerin auf Abruf antreten.“
RND/mdc/qua/seb