Was sich China vom Scholz-Besuch verspricht
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Generalsekretär und chinesischer Präsident Xi Jinping winkt beim Verlassen, nachdem er am 23. Oktober auf einer Presseveranstaltung mit Mitgliedern des neuen Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas und chinesischen und ausländischen Journalisten in der Großen Halle des Volkes gesprochen hatte.
© Quelle: Getty Images
Peking. Wenn Olaf Scholz am Donnerstag in seine Regierungsmaschine steigt, hat die deutsche Öffentlichkeit den umstrittenen Peking-Besuch ihres Kanzlers bereits wochenlang kritisch debattiert. In den chinesischen Zeitungen hingegen ist der erwartete Gast aus Europa bislang nur Randthema. Überraschen sollte das allerdings nicht: Die meisten Medien in der Volksrepublik halten sich mit Einschätzungen im Vorfeld meist zurück und warten erst die politischen Signale ihrer Parteispitze ab.
Doch die historische Dimension der Reise steht auch in Peking außer Frage. Xi Jinping hat schließlich ganz bewusst Olaf Scholz eingeladen, um seit der Corona-Pandemie als erster Vertreter eines G7‑Staats die chinesische Hauptstadt zu betreten. Ebenfalls wird Scholz als erstes westliches Regierungsoberhaupt wenige Wochen nach dem 20. Pekinger Parteitag eintreffen, während dem sich Xi zu einer dritten Amtszeit krönen ließ. Dass die Staatsmedien den Besuch des Deutschen propagandistisch ausschlachten werden, scheint mehr als sicher.
Der Zeitpunkt des Scholz-Besuchs ist auch aus chinesischer Sicht entscheidend
Doch der Zeitpunkt von Scholz Delegation ist aus chinesischer Sicht auch aus anderen Aspekten entscheidend: Die Volksrepublik sieht sich derzeit aufgrund von Corona-Lockdowns und Immobilienkrise mit massiven Wirtschaftsproblemen konfrontiert. Gleichzeitig befinden sich die politischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten in einer bodenlosen Negativspirale, wobei der gesamte Westen zunehmend den transatlantischen Schulterschluss sucht.
Xi Jinping als Generalsekretär der KP China wiedergewählt
Xi Jinping erhält eine dritte fünfjährige Amtszeit und festigt seine Stellung als mächtigster Staatschef seit Mao Tse-tung.
© Quelle: Reuters
Umso wichtiger ist es für Xi, Europa nicht vollständig an die USA zu verlieren. Und innerhalb des Kontinents ist Deutschland in den Augen der Chinesen der mit Abstand wichtigste Partner. Das lässt sich allein schon am bilateralen Handelsvolumen festmachen, welches 2021 stolze 245 Milliarden Euro betragen hat – also rund 30 Prozent des gesamten Warenaustauschs zwischen China und der Europäischen Union.
China wünscht sich ein Weiter‑so der Merkel-Ära
In den Staatsmedien wird Olaf Scholz daher durchaus mit einer gehörigen Portion an Vorschusslorbeeren porträtiert. Sein jetziger Besuch würde für die bilateralen Beziehungen einen „Aufschwung signalisieren“, schreibt etwa die Parteizeitung „China Daily“. Im nationalistischen Revolverblatt „Global Times“ hingegen wird gleichzeitig gewarnt: Der deutsche Kanzler müsse sich „auf pragmatische Zusammenarbeit konzentrieren, nicht auf Geopolitik“. Dann jedoch sei es „denkbar, dass der Pragmatismus deutscher Unternehmen auf dem chinesischen Markt belohnt“ werde. Scholz’ Ankündigung hingegen, dass er bei seinen Gesprächen in Peking die Volksrepublik auch zu einer Öffnung bei Menschenrechtsfragen und Wettbewerbsgleichheit „drängen“ will, seien „vollkommen inakzeptabel“.
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In anderen Worten: Man wünscht sich in China ein Weiter‑so der Merkel-Ära. Die Ex‑Kanzlerin hatte zwar auch immer wieder kritische Punkte angesprochen, doch im Zentrum standen stets die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen. Dementsprechend ist es kein Zufall, dass keine andere europäische Regierungschefin öfter in China unterwegs war als Angela Merkel: 12‑mal besuchte sie das Reich der Mitte – mehr als die Hälfte der insgesamt 22 Kanzler-Besuche der letzten 50 Jahre.
Chinas Importe aus Deutschland nehmen kontinuierlich ab
Dass nun Scholz in Merkels Fußstapfen treten könnte, dürfte sich als reines Wunschdenken der chinesischen Parteiführung herausstellen. Doch allein, dass der Hanseate trotz der immensen Kritik nach China reist, wird von vielen Kommentatoren als begrüßenswerte „Überwindung der US‑Einmischung“ wahrgenommen. Wie Bao Ming, ein ehemaliger Militärgeneral, auf seinem Blog schreibt, besteht zwischen China und Deutschland – im Gegensatz zu den USA – zumindest „noch Hoffnung, die wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit weiter auszubauen“. Und für Scholz sei überhaupt die beste Option, „China als größten Handelspartner zu halten“.
Doch die Eigenwahrnehmung vieler chinesischer Publizisten täuscht. Von den wirtschaftlichen Beziehungen hat zuletzt überproportional die chinesische Seite profitiert. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik haben schließlich Chinas Einfuhren aus Deutschland bereits im Jahr 2004 ihren Höhepunkt erreicht – und nehmen seither kontinuierlich ab. Auch in absoluten Zahlen ist seit etwa einer Dekade eine Stagnation zu beobachten und zuletzt gar ein deutlicher Abwärtstrend. Die chinesischen Exporte nach Deutschland hingegen sind immer weiter gestiegen. Allein im ersten Halbjahr hat der Handelsüberschuss Chinas gegenüber der Bundesrepublik knapp 41 Milliarden Euro erreicht.
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Heusgen: „Wir kehren jetzt zum Kalten Krieg zurück“
Der frühere UN-Botschafter in New York betont, die USA wüssten sehr genau, wo Russland seine Atomwaffen und die Schaltzentralen hat. Hoffnung auf Peking bei der Unterstützung der Ukraine sei eine Illusion. Russland werde vielmehr zur „Tankstelle Chinas“, sagt der langjährige sicherheitspolitische Berater der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Auf der Onlineplattform Weibo macht man sich dieser Tage vor allem lustig über die wirtschaftlichen Probleme, mit denen die Deutschen derzeit konfrontiert sind. Dort mokieren die chinesischen User etwa mit einer gewissen Schadenfreude die massive Inflation und rekordhohen Energiepreise. Unter diesem Licht wird auch der Besuch des deutschen Kanzlers betrachtet: Olaf Scholz würde nun in die Volksrepublik angedackelt kommen, um sich „ein paar Heizdecken“ für sein frierendes Volk abzuholen. „Wieso kommst du überhaupt hier her?“, schreibt etwa ein Weibo-Nutzer: „Wir haben nicht genug Holz zum Exportieren, um euch warm zu halten.“